Ausweislich der Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zählen zu den sonstigen Einkünften auch die sogenannten privaten Veräußerungsgeschäfte, welche wiederum selbst in § 23 EStG geregelt sind. Dazu gehören unter anderem auch Veräußerungsgeschäfte von Grundstücken, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Für die Berechnung des Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzlich die Zeitpunkte maßgebend, in denen die obligatorischen Verträge abgeschlossen wurden. Dies hat beispielsweise der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 10.12.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 23/13 erläutert.
Mit Blick auf den Zweck der Regelung, innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Werterhöhungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen, kann von einer rechtsgeschäftlichen Anschaffung oder Veräußerung nur gesprochen werden, wenn die Vertragserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind.
Eine Veräußerung in diesem Sinne liegt daher vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist übereinstimmend abgegeben werden. Denn mit den beiderseitigen übereinstimmenden Willenserklärungen wird der Vertragsschluss für die Vertragspartner zivilrechtlich bindend. Damit sind die Voraussetzungen für die Realisierung der Wertsteigerung verbindlich eingetreten, wie es dem Normzweck der Regelung zum privaten Veräußerungsgeschäft entspricht. So auch bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 2.2.1982 unter dem Aktenzeichen VIII R 59/81.
Nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bedarf die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines Grundstücks in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Gleiches gilt nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 1 BauGB für einen schuldrechtlichen Vertrag, durch den eine Verpflichtung zur Veräußerung eines Grundstücks begründet wird. Ist der schuldrechtliche Vertrag genehmigt worden, gilt nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 BauGB auch das in Ausführung dieses Vertrags vorgenommene dingliche Rechtsgeschäft als genehmigt. § 144 BauGB normiert damit einen umfassenden Genehmigungsvorbehalt für rechtsgeschäftliche Grundstücksübertragungsgeschäfte in Sanierungsgebieten. Das Fehlen einer nach § 144 BauGB erforderlichen Genehmigung macht daher sowohl das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (§§ 433 ff., § 311b des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB -) als auch das dingliche Verfügungsgeschäft (§§ 873, 925 BGB) schwebend unwirksam. Die Vertragsparteien sind zwar mit Abschluss des rechtsgeschäftlichen Grundstücksveräußerungsgeschäfts an ihre Willenserklärungen gebunden, es bestehen aber noch keine Erfüllungsansprüche. Mit der Erteilung der Genehmigung wird das Rechtsgeschäft (rückwirkend) wirksam, mit der rechtskräftigen Verweigerung der Genehmigung endgültig unwirksam.
Ein in der Haltefrist des privaten Veräußerungsgeschäftes abgeschlossener, wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung (noch) schwebend unwirksamer Vertrag kann jedoch ausreichen, die Rechtsfolgen eines privaten Veräußerungsgeschäftes eintreten zu lassen. Haben sich die Parteien bereits vor der Erteilung der öffentlich-rechtlichen Genehmigung auf die Vertragsinhalte geeinigt und sich mithin dergestalt gebunden, dass sich keine Partei mehr einseitig vom Vertrag lösen kann, sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäftes innerhalb der 10-Jahres-Frist erfüllt. Denn die im Gesetz verwendeten Begriffe Anschaffung und Veräußerung verdeutlichen, dass die Wirksamkeit des Vertrages nicht zwingend schon bei dessen Abschluss gegeben sein muss. Bezieht sich die Genehmigung Dritter nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags oder die Wirksamkeit der Willenserklärungen, verfolgt sie vielmehr Zwecke, die außerhalb des Vertrags liegen, und auf die die Vertragsbeteiligten keinen Einfluss haben, hat sie auf die zivilrechtlich entstandene – und von den Vertragsbeteiligten auch gewollte- Bindungswirkung keinen Einfluss. So verhält es sich bei der Genehmigung nach § 144 BauGB. Diese Regelung bezweckt mit dem behördlichen Genehmigungsvorbehalt, Rechtsgeschäfte, die sich erschwerend auf den Ablauf der Sanierung auswirken können, zu verhindern.
Erforderlich ist insoweit eine beiderseitige Bindung der Vertragsbeteiligten. Eine bloß einseitige Bindung durch ein einseitiges Angebot, ein Kauf auf Probe oder die Möglichkeit einer Partei, sich durch Versagung der Genehmigung nach Abschluss des Vertrages durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht jederzeit wieder vom Vertrag lösen zu können, reicht insoweit nicht aus. Insbesondere im Hinblick auf das einseitige Angebot hat hierzu bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 7.8.1970 unter dem Aktenzeichen VI R 166/67 Stellung genommen. Denn gerade in den Fällen der einseitigen Bindung können die Beteiligten nicht sicher von der Realisierung des Grundstückswerts ausgehen, solange es einer Partei freisteht, ob sie das Geschäft zustande kommen lassen will oder nicht. In diesen Fällen ist der Vertrag bindend erst dann geschlossen, wenn das Angebot angenommen wird, der Kaufgegenstand der Billigung des Probekäufers findet oder vom Vertretenen genehmigt wird.
Anders ist dies hingegen, wenn das Erstarken eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäftes zur vollen Wirksamkeit nicht mehr vom Verhalten der Vertragsparteien abhängig ist. Denn im Fall des Vertragsschlusses bei noch ausstehender sanierungsrechtlicher Genehmigung können sich die Vertragsparteien nicht einseitig von ihren Willenserklärungen lösen. Sie unterliegen während der schwebenden Unwirksamkeit dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und sind verpflichtet, alles zu unternehmen, um die Genehmigung und damit die volle Wirksamkeit des Vertrages herbeizuführen. Daher entfaltet auch ein wegen des Fehlens einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung schwebend unwirksames Rechtsgeschäft beiderseitige Bindungswirkung, obschon die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt die Rechtsmacht besitzen, diese Bindungswirkung bis zur Erteilung der Genehmigung gemeinsam durch einvernehmlichen Aufhebungsvertrag zu beseitigen
Vor dieser rechtlichen Einordnung kommt aktuell der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 25.3.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 10/20 zu dem Schluss, dass eine „Anschaffung“ bzw. „Veräußerung“ im Sinne der Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes vorliegt, wenn die übereinstimmenden rechtsgeschäftlichen Verpflichtungserklärungen beider Vertragspartner innerhalb der 10-Jahres-Frist bindend abgegeben worden sind.
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Diese höchstrichterliche Auffassung ist dabei auch keinesfalls neu, sondern wurde in der vorliegenden Entscheidung lediglich verfeinert. Tatsächlich hat der Bundesfinanzhof bereits in einem Urteil vom 10.2.2015 unter dem Aktenzeichen IX R 23/13 ganz ähnlich geurteilt. Dort heißt es: Eine Veräußerung im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes liegt vor, wenn die rechtsgeschäftlichen Erklärungen beider Vertragspartner innerhalb der Veräußerungsfrist bindend abgegeben worden sind. Ein aufschiebend bedingtes Rechtsgeschäft ist für die Parteien auch bindend. Der außerhalb der Veräußerungsfrist liegende Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung ist insoweit für die Besteuerung im Rahmen des privaten Veräußerungsgeschäftes nach § 23 EStG unerheblich.