Kann ein Stiefelternteil auch noch nach der Auflösung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft weiterhin Anspruch auf Kindergeld für ein Stiefkind haben, wenn dieses wieder in den Haushalt des Stiefelternteils einzieht? Um diese Fragestellung ging es vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg, welches dazu mit Urteil vom 4.4.2023 unter dem Aktenzeichen 13 K 254/23 entschieden hat.
Im konkreten Fall stritten die Parteien darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Kindergeld für das Stiefkind hat. Das Kind war nach der Trennung der Klägerin von ihrer Lebenspartnerin, der leiblichen Mutter des Kindes, zunächst zum Vater gezogen, kehrte jedoch später in den Haushalt der Klägerin zurück. Die Familienkasse lehnte den Antrag der Klägerin auf Kindergeld mit der Begründung ab, dass das Kind nicht mehr als Stiefkind berücksichtigt werden könne, da die Ehe oder Lebenspartnerschaft, die das Stiefkindschaftsverhältnis begründete, aufgelöst worden sei und das Kind zwischenzeitlich nicht im Haushalt der Klägerin verblieben sei.
Die Klägerin argumentierte dagegen, dass das Stiefkindschaftsverhältnis unabhängig vom Bestand der Ehe oder Lebenspartnerschaft fortbestehe. Sie verwies darauf, dass das Stiefkindschaftsverhältnis gemäß § 1590 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) – analog zur Schwägerschaft – auch nach der Auflösung der Ehe oder Lebenspartnerschaft fortdauert. Aus diesem Grund besteht weiterhin ein Kindergeldanspruch.
Das Finanzgericht gab der Klägerin recht und entschied, dass der Anspruch auf Kindergeld für das Stiefkind auch nach der Auflösung der Lebenspartnerschaft der Klägerin besteht, sofern das Kind wieder in den Haushalt des Stiefelternteils aufgenommen wird. Das Gericht führte aus, dass gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch die Kinder des geschiedenen oder verstorbenen Ehegatten bzw. Lebenspartners kindergeldrechtlich berücksichtigt werden können. Die gesetzliche Regelung des § 1590 BGB, wonach die Schwägerschaft auch nach der Auflösung der Ehe fortdauert, wurde vom Gericht als maßgeblich für die Auslegung der steuerlichen Vorschrift herangezogen. Das Gericht betonte, dass das »Stiefkindschaftsverhältnis« nicht erlischt, auch wenn das Kind zwischenzeitlich aus dem Haushalt des Stiefelternteils ausgezogen ist.
Des Weiteren führte das Finanzgericht aus, dass die Regelung in der Dienstanweisung der Familienkasse, die eine Berücksichtigung des Stiefkindes nur bei durchgehendem Verbleib im Haushalt des Stiefelternteils vorsieht, dem Kindeswohl widerspricht. Die Vorschrift des § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG dient der steuerrechtlichen Freistellung des Familienexistenzminimums und der Förderung der Familie, was auch nach der Auflösung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft gelten muss, wenn das Kind erneut in den Haushalt des Stiefelternteils aufgenommen wird.
Abschließend stellten die Richter klar, dass der Klägerin für den Zeitraum November 2022 bis Januar 2023 Kindergeld zusteht.
Das erstinstanzliche Gericht ließ die Revision zum Bundesfinanzhof zu, da die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Stiefkinder nach Auflösung der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft weiterhin nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 EStG berücksichtigungsfähig sind, bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist. Soweit aktuell ersichtlich, wurde seitens der Familienkasse der Revisionszug jedoch nicht bestiegen.
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