Die steuerliche Behandlung von Aufstockungsbeträgen im Rahmen der Altersteilzeit wirft immer wieder Fragen auf, insbesondere wenn diese Zahlungen zeitlich nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben erfolgen. Das zentrale Problem besteht darin, ob auch nach dem Eintritt in den Ruhestand ausgezahlte Aufstockungsbeträge unter bestimmten Voraussetzungen steuerfrei sein können. Hintergrund dieser Regelungen ist das Altersteilzeitgesetz, das Arbeitnehmern eine gleitende Reduzierung ihrer Arbeitszeit ermöglichen soll, während der Arbeitgeber verpflichtet ist, das reduzierte Entgelt zumindest teilweise aufzustocken. Steuerrechtlich stellt sich die Frage, ob diese Zahlungen auch dann noch begünstigt behandelt werden, wenn sie dem Arbeitnehmer erst zufließen, nachdem dieser seine Erwerbstätigkeit vollständig beendet hat.
Im hier entschiedenen Fall war der Kläger bis zum 31.7.2015 im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung tätig. Dabei war er zu 50 Prozent beschäftigt und erhielt neben dem hälftigen Arbeitsentgelt einen Aufstockungsbetrag in Höhe von 40 Prozent des Bruttoarbeitsentgelts, welcher während der Laufzeit der Altersteilzeit gemäß § 3 Nummer 28 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei behandelt wurde. Nach dem Ende der Altersteilzeit bezog der Kläger Renten und Versorgungsbezüge. Zusätzlich nahm er an einem unternehmensinternen Bonusprogramm teil, aus dem er im Januar 2017, also nach Beginn seines Ruhestands, eine Auszahlung in Höhe von 10.497,20 Euro erhielt. Darin enthalten war ein als Aufstockungsbetrag gekennzeichneter Anteil in Höhe von 2.999,20 Euro.
Die Kläger machten in ihrer Steuererklärung geltend, dass dieser Aufstockungsbetrag als Lohnersatzleistung lediglich dem Progressionsvorbehalt unterliege und somit steuerfrei bleibe. Das Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, dass die Steuerfreiheit nicht greife, da der Kläger beim Zufluss der Zahlung nicht mehr aktiv in einem Altersteilzeitverhältnis stand und damit die persönlichen Voraussetzungen des § 2 des Altersteilzeitgesetzes nicht mehr erfülle. Es behandelte den Betrag daher insgesamt als ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn im Sinne des § 34 Absatz 1 und 2 Nummer 4 EStG.
Das Finanzgericht Köln folgte dieser Ansicht nicht und gab der Klage mit Urteil vom 22.11.2021 unter dem Aktenzeichen 6 K 1902/19 statt. Es urteilte, dass der Aufstockungsbetrag gemäß § 3 Nummer 28 EStG steuerfrei ist, auch wenn die Auszahlung erst nach Eintritt in den Ruhestand erfolgt sei. Maßgeblich sei nicht der Zeitpunkt des Zuflusses, sondern der Zeitraum, für den der Betrag gezahlt worden ist – in diesem Fall also die Zeit der Altersteilzeitarbeit.
Die Revision des Finanzamts wies der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 24.10.2024 unter dem Aktenzeichen VI R 4/22 zurück. Die obersten Finanzrichter bestätigten, dass die Steuerfreiheit nach § 3 Nummer 28 EStG nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass der Empfänger der Zahlung beim Zufluss nicht mehr in Altersteilzeit tätig ist. Entscheidend sei, dass der Aufstockungsbetrag im Zusammenhang mit einem zuvor bestehenden Altersteilzeitverhältnis steht und auf einer entsprechenden Vereinbarung beruht, wie sie im Altersteilzeitgesetz vorgesehen ist. Es komme also nicht auf den Zeitpunkt der Auszahlung, sondern auf den Leistungszeitraum an.
Die Richter betonten, dass die Steuerfreiheit auch für solche Aufstockungen gilt, die auf zusätzliche Entgeltbestandteile – wie im Streitfall auf eine erfolgsabhängige Bonuszahlung – gewährt werden. Diese müssen lediglich Bestandteil einer tariflichen oder individualvertraglichen Regelung im Rahmen der Altersteilzeitvereinbarung sein. Unerheblich sei dabei, ob die Auszahlung aus technischen oder abrechnungsbedingten Gründen erst nach Ende des Arbeitsverhältnisses erfolge. Das Gericht stellte klar, dass nur der Zeitraum, für den der Aufstockungsbetrag gezahlt wird, ausschlaggebend für die steuerliche Begünstigung ist. Damit kann eine Zahlung, die dem Arbeitnehmer formal erst nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit zufließt, dennoch unter die Steuerbefreiung des § 3 Nummer 28 EStG fallen, wenn sie dem Grunde nach für geleistete Altersteilzeitarbeit erfolgt.