3. Für alle Steuerpflichtigen: Der konkludente Änderungsantrag

In der steuerlichen Praxis stellt sich häufig die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Abgabe einer Steuererklärung oder Feststellungserklärung nach Erlass eines Schätzbescheids eine Hemmung der Feststellungsverjährung bewirken kann. Diese Fragestellung betrifft unmittelbar das Spannungsfeld zwischen den Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen, der Schutzwürdigkeit verfahrensbezogener Fristen und der materiellen Richtigkeit steuerlicher Feststellungen.

Im nun entschiedenen Fall hatte sich das oberste Finanzgericht mit der Frage auseinanderzusetzen, ob durch die nachträgliche Einreichung einer Feststellungserklärung zu einem bereits unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheid eine Ablaufhemmung der Feststellungsverjährung eintreten kann.

Hintergrund des Streitfalls war eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG in der Funktion eines Dachfonds, an dem mehrere Direktanleger und über eine Treuhandstruktur weitere Treugeber beteiligt waren. Die Gesellschaft erzielte im Streitjahr 2009 ausschließlich Einkünfte aus Beteiligungen an vier Personengesellschaften, die vor Anwendung des § 15b des Einkommensteuergesetzes (EStG) Verluste auswiesen, nach Anwendung jedoch mit 0 Euro festgestellt wurden.

Da die Klägerin zunächst keine Steuererklärungen abgab, erließ das Finanzamt am 18.1.2012 einen Schätzbescheid, in dem ebenfalls 0 Euro als Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie ein verrechenbarer Verlust nach § 15a EStG in Höhe von 0 Euro festgestellt wurden. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Erst am 4.8.2014 reichte die Klägerin eine Gewinnfeststellungserklärung für 2009 ein, in der sie einen Verlust von über 1,26 Millionen Euro angab und zugleich einen Verlust nach § 15b Abs. 4 EStG in gleicher Höhe geltend machte. Die Erklärung enthielt detaillierte Anlagen zur Ergebnisverteilung auf insgesamt 266 Anleger, unterschied jedoch nicht zwischen Direktanlegern und Treugebern. Das Finanzamt lehnte später mit Bescheid vom 7.12.2017 eine Änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids unter Hinweis auf die mittlerweile abgelaufene Feststellungsfrist ab.

Die Klägerin erhob daraufhin Klage beim Finanzgericht Düsseldorf, das der Klage am 23.2.2021 unter dem Aktenzeichen 10 K 3480/18 F stattgab. Das Gericht führte aus, dass die Einreichung der Feststellungserklärung vom 4.8.2014 gleichzeitig einen Antrag auf Änderung des ursprünglichen Bescheids gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) darstellt. Da dieser Antrag vor Ablauf der regulären vierjährigen Feststellungsfrist gestellt wurde, greife die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 in Verbindung mit § 181 Abs. 1 Satz 1 AO. Entscheidend sei, dass der Bescheid vom 18.1.2012 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen war und die Klägerin durch die Einreichung der Erklärung eine Abweichung von der bisherigen Feststellung beantragte. Der vom Finanzamt im Jahr 2016 erlassene Bescheid sei wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit nichtig und könne keine Bestandskraft entfalten.

Die obersten Finanzrichter des Bundesfinanzhofs bestätigten diese Entscheidung mit Urteil vom 7.8.2024 unter dem Aktenzeichen IV R 9/22, soweit es die Verpflichtung des Finanzamts zur Bescheidung des Änderungsantrags betrifft. Das Gericht stellte klar, dass die Erklärung vom 4.8.2014 trotz fehlenden Begleitschreibens als Änderungsantrag zu werten ist, weil sie eine signifikante Abweichung zu den im Schätzbescheid festgestellten Werten darstellt. Ein solcher Antrag bewirkt gemäß § 171 Abs. 3 AO eine Ablaufhemmung der Feststellungsfrist. Die Richter argumentierten, dass ein konkludent gestellter Änderungsantrag auch dann anzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige zugleich seiner Erklärungspflicht nachkommt. Es widerspräche dem Prinzip der Verfahrensgerechtigkeit, von einem ausdrücklichen Antrag nur in Form eines gesonderten Schreibens auszugehen.

Allerdings wiesen die Richter zugleich die Klage hinsichtlich der erstmaligen Feststellung eines Verlusts nach § 15b Abs. 4 EStG ab. Hier fehle es an der notwendigen Beschwer, da eine unterlassene Verlustfeststellung keine rechtliche Beeinträchtigung des Steuerpflichtigen darstellt, solange keine konkrete steuerliche Benachteiligung daraus resultiert. Die Klage insoweit sei daher unzulässig.

Zusammenfassend zeigt dieses Urteil, dass die Einreichung einer Feststellungserklärung nach Erlass eines Schätzbescheids unter bestimmten Voraussetzungen als Änderungsantrag gewertet werden kann, der eine Ablaufhemmung der Feststellungsverjährung auslöst. Entscheidend ist, ob die Erklärung inhaltlich eine Abweichung vom bisherigen Bescheid enthält und vor Fristablauf eingereicht wurde. Der Bundesfinanzhof stellte mit seiner Entscheidung vom 7.8.2024 unter dem Aktenzeichen IV R 9/22 klar, dass eine solche konkludente Antragstellung ausreicht, um den Lauf der Feststellungsfrist zu hemmen und die Entscheidung des Finanzamts offen zu halten.