6. Für Unternehmer: Zur Verfassungsmäßigkeit des Gewinnzuschlags bei der Reinvestitions-Rücklage nach § 6b Abs. 7 EStG

Mandantenbrief WBS Gruppe

Die gesamte Regelung des § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) dient dem Zweck, die aufgrund bestimmter Veräußerungsvorgänge aufgedeckten stillen Reserven steuerrechtlich nicht sofort zu erfassen, sondern sie auf eine Reinvestition zu übertragen. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 9.7.2019 unter dem Aktenzeichen X R 7/17.
Ausweislich der Regelung in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige, der ein dort genanntes Wirtschaftsgut seines Anlagevermögens veräußert, im Wirtschaftsjahr der Veräußerung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in Satz 2 bezeichneten Wirtschaftsgüter einen Betrag bis zur Höhe des bei der Veräußerung entstandenen Gewinns abziehen. Soweit ein solcher Betrag mangels einer direkten Reinvestition nicht abgezogen wird, kann der Steuerpflichtige im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage bilden. Entsprechend § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG kann der Steuerpflichtige bis zur Höhe der Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden sind, im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung ein Betrag abziehen. Die Rücklage ist in Höhe des abgezogenen Betrages gewinnmindernd aufzulösen.
Sofern eine Rücklage zum Abschluss des vierten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist, ist sie grundsätzlich in diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Werden Anlagegüter zum Zwecke der Vorbereitung oder Durchführung von städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahmen an bestimmte Erwerber übertragen, so gilt eine um drei Jahre verlängerte Reinvestitionsfrist. Diese Voraussetzungen sind dann durch eine Bescheinigung einer nach Landesrecht zuständigen Behörde nachzuweisen.
Während der Laufzeit der Reinvestitionsfrist ist der Steuerpflichtige auch befugt, die Rücklage ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen oder auf ein anderes Wirtschaftsgut ganz oder teilweise zu übertragen, wie der Bundesfinanzhof bereits in seiner Entscheidung vom 29.4.2020 unter dem Aktenzeichen XI R 39/18 klargestellt hat.
Soweit eine gebildete Rücklage gewinnerhöhend aufgelöst wird, ohne dass ein entsprechender Betrag nach § 6b Abs. 3 EStG abgezogen wird, ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrages zu erhöhen. Das Wirtschaftsjahr der Veräußerung stellt dabei kein volles Wirtschaftsjahr dar.
Mit Urteil vom 24.8.2022 kommt das erstinstanzliche Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 7 K 3764/19 G nun zu dem Schluss, dass der Gewinnzuschlag gemäß der Regelung in § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von jährlich 6 % jedenfalls für einen Zeitraum bis zum 31.12.2018 verfassungsgemäß ist.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage musste das erstinstanzliche Finanzgericht Münster die Revision zum Bundesfinanzhof zulassen. Ob der Revisionszug jedoch tatsächlich bestiegen wurde, ist derzeit noch nicht bekannt. Betroffene sollten die Entwicklung daher genau im Blick behalten.