Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind private Veräußerungsgeschäfte bei anderen Wirtschaftsgütern als Immobilien, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt, steuerpflichtig.
Die Regelung betrifft dabei alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen, dies bedeutet Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vermögenswerte oder Vorteile jeder Art. So bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.10.2019 unter dem Aktenzeichen IX R 10/18. Ausgenommen sind lediglich Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist nicht zu prüfen, sie wird durch die Jahresfrist in typisierender Weise objektiviert, wie bereits der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 25.8.2009 unter dem Aktenzeichen IX R 60/07 herausgearbeitet hat.
Der Begriff des anderen Wirtschaftsgutes im Sinne der gesetzlichen Regelung ist dabei weit zu fassen. Insbesondere ist er auf Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.11.2012 unter dem Aktenzeichen IV R 47/09. Mithin umfasst der Begriff des Wirtschaftsgutes nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechtes wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die nach der Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre bringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können. Das Merkmal der selbstständigen Bewertung wird dabei von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dahingehend gedeutet, dass ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde. Das bedeutet, dass zum jeweiligen Stichtag ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen muss, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann.
Mit Blick auf dieses Begriffsverständnis kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare Rechtsposition im Einzelfall steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerziell realisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und dadurch wirtschaftlich zu verwerten. So auch bereits ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.12.2009 unter dem Aktenzeichen I R 97/08.
Vor diesem Hintergrund können nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu den Wirtschaftsgütern grundsätzlich auch solche objektiv werthaltigen Positionen gerechnet werden, bei deren Übertragung es auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlen könnte, sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbstständiger Wert beigelegt wird und sie verkehrsfähig sind. Insoweit ist maßgeblich auf die Verkehrsanschauung der an diesen Geschäften beteiligten Kreisen abzustellen.
Nach diesen Grundsätzen kommt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 14.2.2023 unter dem Aktenzeichen IX R 3/22 zu dem Schluss, dass es sich bei Kryptowährungen um Wirtschaftsgüter handelt, die bei einer Anschaffung und Veräußerung innerhalb eines Jahres der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegen.
Virtuelle Währungen stellen insoweit ein anderes Wirtschaftsgut im Sinne der gesetzlichen Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes dar, weil (wie oben schon gesagt) der Begriff des Wirtschaftsgutes weit zu fassen ist. Insbesondere sind virtuelle Währungen wirtschaftlich betrachtet als Zahlungsmittel anzusehen. Sie werden auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt, haben einen Kurswert und können für direkt zwischen Beteiligten abzuwickelnde Zahlungsvorgänge verwendet werden. Technische Details virtueller Währungen sind dabei für die Eigenschaft als Wirtschaftsgut nicht von Bedeutung.
Erfolgen Anschaffung und Veräußerung oder Tausch der Token innerhalb eines Jahres, unterfallen daraus erzielte Gewinne oder Verluste der Besteuerung. Entgegen der Auffassung der hier klagenden Steuerpflichtigen liegt insoweit auch kein normatives Vollzugsdefizit vor. Insoweit sind weder gegenläufige Erhebungsregelungen vorhanden, die einer Besteuerung entgegenstehen. Ebenso ist das oberste Finanzgericht der Auffassung, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, dass seitens der Finanzverwaltung Gewinne und Verluste aus Geschäften mit Kryptowährungen nicht ermittelt und erfasst werden können. Folglich weisen die obersten Richter darauf hin, dass ein strukturelles Vollzugsdefizit nicht damit zu begründen ist, dass es in Einzelfällen einigen Steuerpflichtigen trotz aller Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörden gelingt, sich der Besteuerung zu entziehen.
Der Umkehrschluss der Entscheidung ist natürlich auch der, dass, wenn die Kryptowährungen länger als ein Jahr gehalten werden, ein gewinnbringender Verkauf nicht mehr der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft unterliegt. Insoweit könnte sich folgende Gestaltung anbieten: Sofern man aktuell einen Buchverlust hat und sich die Jahresfrist dem Ende neigt, könnte dieser Verlust realisiert werden und am gleichen Tag eine neue identische Position wieder aufgebaut werden. Sofern später dann einmal Gewinne aus Kryptowährungen entstehen, könnte dieser Verlust damit verrechnet werden. Bis auf die Spesen bei An- und Verkauf ist die Situation ansonsten wirtschaftlich damit vergleichbar, als wenn eine Verlustrealisierung nicht stattgefunden hätte und man dementsprechend aufgrund des Ablaufes der Jahresfrist auch keinen Gewinn steuermindernd verrechnen kann.
Auf der anderen Seite gilt natürlich auch: Sofern die Jahresfrist bereits abgelaufen ist und man einen ausreichenden Buchgewinn hält, könnte auch dieser realisiert werden, damit man im Falle eines eventuellen Kurssturzes nicht doch auf nicht steuerlich verrechenbaren Verlusten sitzen bleibt.