Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) neben den ganz normalen üblichen Löhnen und Gehältern auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist es vollkommen unabhängig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt. Solche Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete einzelne Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. So bereits der Bundesfinanzhof in mehreren Entscheidungen, wie beispielsweise vom 26.6.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 94/13 oder auch mit Urteil vom 21.5.2014 unter dem Aktenzeichen I R 42/12.
Entsprechend den vorgenannten Voraussetzungen kann damit auch der verbilligte Erwerb einer Beteiligung, etwa von GmbH-Anteilen, zu Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit führen, wenn der Vorteil hieraus dem Arbeitnehmer „für“ seine Arbeitsleistung gewährt wird. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 7. Mai 2014 unter dem Aktenzeichen VI R 73/12.
Arbeitslohn kann nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ausnahmsweise auch bei der Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn die Zuwendung ein Entgelt für eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung dabei ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Diese Definition hat der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 20.5.2010 unter dem Aktenzeichen VI R 41/09 entwickelt.
Demgegenüber liegt kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird. Entsprechendes gilt, wenn die Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Dritten gründet. Solche Rechtsbeziehungen zeigen ihre Unabhängigkeit und Eigenständigkeit insbesondere dadurch, dass diese auch selbstständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis bestehen könnten. Als derartige Zuwendung aufgrund von Sonderrechtsbeziehungen kommt unter anderem die Veräußerung von Sachen oder Rechten, zum Beispiel auch eine kapitalmäßige Beteiligung am Arbeitgeber oder an einem anderen Unternehmen, in Betracht. Der Arbeitnehmer nutzt in diesem Fall sein Kapital als eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Erwerbsgrundlage zur Einkünfteerzielung. Die daraus erzielten Erträge sind daher keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, sondern solche aus Kapitalvermögen.
Ob nun eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Dies gilt auch für die Zuwendung durch einen oder an einen Dritten. Denn ob der entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nichteinkommensteuerbaren Bereich zuzuordnen ist, kann nur aufgrund einer grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles entschieden werden. Die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind insoweit unerheblich. Entscheidend sind die vorgefundenen objektiven Tatumstände, die vom Finanzgericht als Tatsacheninstanz eigenständig zu würdigen sind, wie der Bundesfinanzhof unter anderem in seiner Entscheidung vom 28.2.2013 unter dem Aktenzeichen VI R 58/11 erklärt hat.
Basierend auf den zuvor genannten Grundsätzen steht es bei der Annahme von Arbeitslohn nicht entgegen, dass die Übertragung der Gesellschaftsanteile nicht vom Arbeitgeber, sondern von den Gesellschaftern des Arbeitgebers, also von Dritten erfolgt ist. Allerdings ist bei Würdigung der Gesamtumstände im hier vorgestellten Streitfall die Zuwendung durch die Gesellschafter nicht maßgeblich durch das Dienstverhältnis veranlasst, sondern vielmehr dem nichteinkommensteuerbaren, allenfalls schenkungsteuerlich relevanten Bereich zuzuordnen. So die erstinstanzlichen Richter in einer aktuellen Entscheidung des Finanzgerichtes des Landes Sachsen-Anhalt vom 27.4.2022 unter dem Aktenzeichen 3 K 161/21.
Bezogen auf den Urteilsfall führten die Richter insoweit weiter aus: Allein der Umstand, dass der beschenkte Arbeitgeber ohne seine berufliche Tätigkeit weder die Gesellschafter der Arbeitgeberin kennengelernt hätte noch die Anteile übertragen bekommen hätte, reicht für die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn allerdings bei weitem nicht aus. Denn neben einem Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis muss sich die Zuwendung auch und gerade als Ertrag für die in der Vergangenheit oder Zukunft erbrachten oder zu erbringenden Dienste darstellen. Dies erkannte das Finanzgericht vorliegend nicht. Die Übertragung der Gesellschaftsanteile stellte sich hier bei objektiver Betrachtung gerade nicht als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit, d. h. als Gegenleistung für das Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers dar.
So enthielt beispielsweise der Geschäftsanteilsübertragungsvertrag keinerlei Ausführungen zu dem Grund der Übertragung. Es wurde keinerlei Gegenleistung vereinbart noch geregelt, dass die Übertragung etwa für in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu erwartende Dienste des Arbeitnehmers für die Gesellschaft erfolgen sollte. Es wurde auch keinerlei Haltefrist für die Anteile vereinbart oder geregelt, dass eine Veräußerung erst nach einer bestimmten Frist der Weiterbeschäftigung beim Arbeitgeber erfolgen dürfte. Die Übertragung erfolgte vielmehr vollkommen vorbehalts- und bedingungslos. Insoweit ist eine unbeschränkte Anteilsübertragung erfolgt, die es dem Arbeitnehmer ermöglicht, mit den Anteilen vollständig unabhängig von dem Bestand seines Arbeitsverhältnisses zu verfahren. Er hatte damit die Möglichkeit, entweder das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen und in Zukunft, ohne jegliche Tätigkeit im Unternehmen, Gewinnausschüttungen zu erhalten oder auch die Anteile unter Beibehaltung oder auch Kündigung des Arbeitsverhältnisses frei zu veräußern. Die vertraglich geregelte Rückfallklausel, wenn das zuständige Finanzamt die steuerliche Verschonung nicht gewährt, deutet nach Auffassung der erstinstanzlichen Richter auch eher darauf hin, dass sämtliche Beteiligten der Übertragung von einer vom Arbeitsverhältnis losgelösten Übertragung der Gesellschaftsanteile als reine Schenkung ausgingen.
Auch eine Beschränkung der Fruchtziehung im Sinne der Vereinbarung eines Nießbrauchsrechtes wurde nicht vereinbart. Motiv der Übertragung war insoweit für alle Beteiligten erkennbar die Regelung der Unternehmensnachfolge. Die Gründungsgesellschafter wollten zwar eine Nachfolgeregelung innerhalb der Familie herbeiführen, sahen aber eine alleinige Übertragung an den Sohn aufgrund dessen anderweitiger berufliche Erfahrung und insbesondere fehlenden unternehmerischen Erfahrungen als kritisch an. Sie hegten die Hoffnung, dass die Unternehmensnachfolge bei der Übertragung der wesentlichen Anteile auf den Sohn nur dann wirtschaftlich erfolgreich sein können, wenn der Arbeitnehmer als leitender Angestellte ebenfalls einen Anteil an der GmbH übertragen bekommt.
Letztlich handelt es sich damit um eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge, die den Fortbestand des Unternehmens sichern sollte und sich daher aufgrund der gewählten Vertragsgestaltung aus objektiver Sicht nicht als Arbeitslohn darstellt. Gesellschaftsrechtliche strategische Überlegungen standen bei der Übertragung im Vordergrund.
Allein die selbstverständlich gehegte Hoffnung der Altgesellschafter auf eine fortdauernde Tätigkeit des Angestellten für die Gesellschaft auch nach der Anteilsübertragung reicht hingegen für die Annahme von Arbeitslohn nicht aus. Der Übertragung lag vielmehr durch die gesellschaftsrechtlich motivierte Schenkung eine Sonderrechtsbeziehung zugrunde, die auch selbstständig und losgelöst vom Arbeitsverhältnis stehen kann. Dies zeigte sich im vorliegenden Fall insbesondere daran, dass der Arbeitnehmer auch bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses noch Gesellschafter in der GmbH bleibt und in dieser Funktion in den abzuholenden Gesellschafterversammlungen dem Sohn des Altgesellschafter als neuen Mehrheitsgesellschafter noch beratend zur Seite steht und Entscheidungen zum Wohle des Unternehmens beeinflussen kann.
Zudem ist das Finanzgerichtes des Land Sachsen-Anhalt aufgrund von Kontrollüberlegungen der Meinung, dass das von ihnen gefundene Ergebnis richtig ist. Denn wäre die Übertragung der Gesellschaftsanteile in der hier vorliegenden Form auf eine Person mit Leitungserfahrung erfolgt, die nicht zugleich auch Arbeitnehmer der GmbH ist, wäre wohl kein Arbeitslohn anzunehmen gewesen und allenfalls schenkungsteuerrechtliche Überlegungen anzustellen. Allein der Umstand, dass der Betroffene auch Arbeitnehmer der GmbH ist, kann aber ohne Hinzutreten andere Umstände nicht zu der Beurteilung führen, dass es dann den Gründungsgesellschaftern aufgrund der nicht im Verhältnis zur Übertragung stehenden Einkommensteuerbelastung der Arbeitnehmer wirtschaftlich verwehrt wäre, Arbeitnehmer im Rahmen der Unternehmensnachfolge zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls dann nach Auffassung des erstinstanzlichen Gerichtes, wenn nicht, was hingegen bei Arbeitnehmerbeteiligung durchaus üblich sein dürfte, vertraglich bestimmte auflösende oder aufschiebenden Bedingungen, Haltefristen oder Weiterbeschäftigungszeiten für die endgültige Übertragung oder für eine Veräußerung vereinbart werden.
Nach alledem fassen die Richter aus Sachsen-Anhalt in ihrer Entscheidung zusammen: Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer ohne seine berufliche Tätigkeit weder die Gesellschafter der Arbeitgeberin kennengelernt noch die Anteile übertragen bekommen hätte, reicht für die Annahme von steuerpflichtigem Arbeitslohn nicht aus. Im geschilderten Streitfall lag vielmehr eine Übertragung der Anteile im Rahmen der Unternehmensnachfolge vor, die den Fortbestand des Unternehmens sichern sollte, bei der gesellschaftsrechtliche und strategische Überlegungen im Vordergrund standen und die sich daher aufgrund der gewählten Vertragsgestaltung aus objektiver Sicht nicht als Arbeitslohn darstellen.