Ausweislich der gesetzlichen Vorschrift in § 7 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können anstelle der Absetzung nach § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG die der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes entsprechenden Absetzungen für Abnutzung (kurz: AfA) angenommen werden.
Nutzungsdauer in diesem Zusammenhang ist dabei der Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann. Die zu schätzende Nutzungsdauer wird bestimmt durch den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstands begrenzen können. Auszugehen ist von der technischen Nutzungsdauer, also dem Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut technisch abnutzt. Sofern die wirtschaftliche Nutzungsdauer kürzer als die technische Nutzungsdauer ist, kann sich der Steuerpflichtige hierauf berufen. Ob der AfA eine die gesetzlich vorgesehenen typisierten Zeiträume unterschreitende verkürzte Nutzungsdauer zugrunde gelegt werden kann, beurteilt sich regelmäßig nach den Verhältnissen des Einzelfalls.
Insoweit ist es auch Sache des Steuerpflichtigen, im Einzelfall eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen. Die Würdigung der insoweit vom Kläger dargelegten Umstände obliegt dann im Klageverfahren dem Finanzgericht als Tatsacheninstanz. Hier liegt exakt der erste Streitpunkt mit der Finanzverwaltung. Der Fiskus hat nämlich mittels Schreiben des Bundesfinanzministeriums erheblich schwerer zu erreichende Voraussetzungen geschaffen, um tatsächlich eine kürzere Nutzungsdauer umzusetzen. Tatsächlich hat er bisher jedoch kein einziges Finanzgericht dabei auf seiner Seite. Denn auch das aktuell erkennende Finanzgericht Köln führt in seiner Entscheidung vom 20.10.2022 unter dem Aktenzeichen 6 K 1506/17 weitergehend wie folgt aus:
Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zu Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass die Darlegung des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten, zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen, geben, welche die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.
Damit und auch mit den weiteren hier nicht genannten Ausführungen des Finanzgerichts Kölns erteilt das erstinstanzliche Gericht den überbordenden Anforderungen an den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer erneut eine Absage. Dennoch wendet sich der Fiskus nun wiederum an den Bundesfinanzhof und legt dort die Rechtsfrage vor, ob das im vorliegenden Einzelfall zugrunde liegende Sachverständigengutachten tatsächlich hinreichende Einflussfaktoren aufzeigt, um eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer möglich erscheinen zu lassen.
Das Verfahren beim Bundesfinanzhof ist unter dem Aktenzeichen IX R 14/23 anhängig. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass auch die obersten Richter der Republik insoweit der Finanzverwaltung eine Absage erteilen, als dass deren überbordende Voraussetzungen in der vorliegenden Verwaltungsanweisung nicht der Maßstab sind, um eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer und damit eine höhere Abschreibung anzusetzen.
Tatsächlich hat der Bundesfinanzhof nämlich bereits mit Urteil vom 28.7.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 25/19 entschieden: Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines zur Einkünfteerzielung genutzten Gebäudes gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint. Erforderlich ist insoweit, dass aufgrund der Darlegungen des Steuerpflichtigen der Zeitraum, in dem das maßgebliche Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, mit hinreichender Sicherheit geschätzt werden kann.
Betroffene sollten daher hier nicht dem Streit mit dem Finanzamt aus dem Weg gehen und durchaus den Klageweg zum lokalen Finanzgericht beschreiten, damit die kürzere tatsächliche Nutzungsdauer durchgesetzt werden kann. Nach derzeitigem Kenntnisstand erscheint es unwahrscheinlich, dass der Bundesfinanzhof nun den überbordenden Anforderungen der Finanzverwaltung zustimmt.