4. Für alle Steuerpflichtigen: Zahlreiche Entscheidungen rund um die Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes

Im Wesentlichen sind private Veräußerungsgeschäfte dann gegeben, wenn bei Grundstücken eine Veräußerung innerhalb von zehn Jahren nach deren Anschaffung stattfindet. Ausgenommen sind dabei Immobilien, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Daneben gehören jedoch zu den Veräußerungsgeschäften auch andere Wirtschaftsgüter, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Wird aus der Nutzung dieser Wirtschaftsgüter zumindest in einem Jahr ein Einkommenstatbestand realisiert, erhöht sich auch hier der Zeitraum auf zehn Jahre.

Darüber hinaus liegen private Veräußerungsgeschäfte auch noch bei Veräußerungsgeschäften vor, bei den die Veräußerung der Wirtschaftsgüter früher als ihr Erwerb erfolgt. Dies ist aber sicherlich eher ein Exot für die meisten Steuerpflichtigen, weshalb es hier auch nicht in den Vordergrund treten soll.

Insgesamt gab es in der jüngsten Vergangenheit dennoch zahlreiche wichtige finanzgerichtliche Entscheidungen rund um die privaten Veräußerungsgeschäfte, weshalb im Folgenden einige davon genannt werden sollen.

Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei Überlassung an (Schwieger-)Mutter

Unter dem Aktenzeichen IX R 13/23 haben die obersten Finanzrichter der Republik am 14.11.2023 die Auffassung ihrer erstinstanzlichen Kollegen bestätigt, wonach die Steuerbarkeit der Veräußerung einer Eigentumswohnung nicht aufgrund der Befreiungsvorschriften für die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken entfällt, wenn die Wohnung zwischen Fertigstellung und Veräußerung unentgeltlich an die unterhaltsberechtigte Schwiegermutter des Veräußerers überlassen wird. Die den Bereich der Eigenheimförderung betreffende Regelung, wonach auch in der unentgeltlichen Überlassung an einen Angehörigen eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt, ist im Rahmen der Ausnahmetatbestände des privaten Veräußerungsgeschäftes bei der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken leider nicht entsprechend anwendbar.

Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Entscheidung zum Befreiungstatbestand bei Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ergangen, die in der Praxis unbedingt Beachtung finden müssen, damit es später kein böses Erwachen gibt.

Überlassung an Kinder

So hat der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung am 24.5.2022 unter dem Aktenzeichen IX R 28/21 entschieden, dass eine Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird und somit ein Befreiungstatbestand nicht greift, wenn die Wohnung durch den Steuerpflichtigen unentgeltlich an leibliche Kinder überlassen wird, die im Zehnjahreszeitraum des privaten Veräußerungsgeschäftes nicht mehr nach § 32 des Einkommensteuergesetzes berücksichtigungsfähig sind. Bekommt man also weder Kindergeld noch den Kinderfreibetrag für die Kinder, liegt bei der Überlassung auch keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor.

Privates Veräußerungsgeschäft nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners

Mit Datum vom 14.11.2023 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 10/22 weitergehend klargestellt, dass eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Vorschrift des privaten Veräußerungsgeschäftes auch nicht vorliegt, wenn eine Nutzungsüberlassung auch (!) an den geschiedenen Ehegatten erfolgt. Damit hat der Bundesfinanzhof seine Entscheidung vom 14.2.2023 unter dem Aktenzeichen IX R 11/21 bestätigt.

Privates Veräußerungsgeschäft nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners

In der vorgenannten Entscheidung vom 14.2.2023 ging es konkret darum, dass eine willentliche Veräußerung auch dann vorliegen kann, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung innerhalb der Behaltefrist entgeltlich auf seinen geschiedenen Ehepartner überträgt. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nämlich nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes, wenn der geschiedenen Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen.

Berücksichtigung eines Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften bei Verkauf eines Gartengrundstücksteils

Am 26.9.2023 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 14/22 klargestellt, dass der Verkauf eines Gartengrundstücks bei teils weiterhin bestehender Wohnnutzung im Übrigen nicht von der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft ausgenommen ist. Zwischen dem angeschafften bebauten Grundstück und dem veräußerten, durch Teilung erst entstandenen unbebauten Teilgrundstück besteht insoweit keine wirtschaftliche Identität. Die Besteuerungsausnahme erstreckt sich zwar nicht nur auf das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude, sondern auch auf den dazugehörigen Grund und Boden, allerdings nur, sofern ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem Gebäude und dem Grundstück besteht. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grund und Boden entfällt allerdings, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein unbebauter Teil abgetrennt wird. Die beiden dadurch entstehenden Grundstücke sind in Bezug auf ihre Nutzung zu eigenen Wohnzwecken jeweils getrennt zu betrachten.

Kein anteiliger Erwerb eines zur Erbmasse gehörenden Grundstücks bei entgeltlichem Erwerb eines Miterbenanteils

Mit Urteil vom 26.9.2023 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IX R 13/22 entschieden, dass der entgeltliche Erwerb eines Anteils an einer Erbengemeinschaft nicht zur anteiligen Anschaffung eines zum Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft gehörenden Grundstücks führt. Diese Entscheidung stellt nicht nur eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung dar, sondern wendet sich auch ganz konkret gegen die Auffassung der Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.3.2006.

Entgeltlicher Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht

Das erstinstanzliche Finanzgericht Münster hat in seiner Entscheidung vom 12.12.2023 unter dem Aktenzeichen 6 K 2489/22 G klargestellt, dass ein unentgeltlich eingeräumtes Nießbrauchsrecht ein Wirtschaftsgut im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes ist, das auch einlage- und entnahmefähig ist. Der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht stellt jedoch keine Veräußerung dar, sondern allenfalls einen veräußerungsähnlichen Vorgang. Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge hingegen fallen nicht unter die Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes in § 23 EStG. Wie zu erwarten, ist die Finanzverwaltung über eine derart positive Entscheidung nicht glücklich, weshalb sich schließlich noch der Bundesfinanzhof zu Wort melden muss. Unter dem Aktenzeichen IX R 4/24 haben die obersten Richter der Republik zu klären, ob bei einem entgeltlichen Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht steuerbare Einkünfte im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes gegeben sind.

Keine Berücksichtigung der Kosten eines Insolvenzverfahrens als Werbungskosten im Zusammenhang mit privaten Veräußerungsgeschäften

Neben der zuvor genannten positiven erstinstanzlichen Entscheidung gibt es auch eine negative erstinstanzliche Entscheidung. Das Finanzgericht Hamburg hat nämlich am 19.10.2023 unter dem Aktenzeichen 1 K 97/22 klargestellt, dass die Kosten eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners keine Werbungskosten im Zusammenhang mit der Erzielung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Grundstücks durch den Insolvenzverwalter sind.

Abschließend wird jedoch auch hier der Bundesfinanzhof die Sachlage klären müssen. Unter dem Aktenzeichen IX R 29/23 muss er die Rechtsfrage beantworten, ob Aufwendungen eines Insolvenzverfahrens als Werbungskosten bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften abgezogen werden können, wenn die betreffenden Objekte im Rahmen des Insolvenzverfahrens verwertet wurden.