Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20.6.2023 behandelt unter dem Aktenzeichen IX R 17/21 eine steuerrechtliche Fragestellung im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Es geht konkret darum, unter welchen Umständen bei der Vermietung von Immobilien mit einer Wohnfläche von mehr als 250 Quadratmetern eine sogenannte Einkünfteerzielungsabsicht angenommen werden kann. Diese Einkünfteerzielungsabsicht ist entscheidend dafür, ob Verluste aus der Vermietung steuerlich berücksichtigt werden können. Die Entscheidung ist dabei für Praxis deshalb von großer Bedeutung, weil die Rechtsprechung nun Ausnahmen von den eigentlich grundsätzlichen Leitlinien fest etabliert.
Grundsätzlich geht das Steuerrecht bei einer langfristigen Vermietung von Immobilien davon aus, dass der Vermieter die Absicht hat, Einkünfte zu erzielen, also Gewinne zu machen. Dies gilt auch dann, wenn in den ersten Jahren Verluste anfallen, beispielsweise durch hohe Abschreibungen oder Zinsaufwendungen. Die Einkünfteerzielungsabsicht wird als typisierend und grundsätzlich bei einer auf Dauer angelegten Wohnraumvermietung immer erst einmal angenommen und unterstellt. Diese Annahme ist für den Steuerpflichtigen vorteilhaft, da er die Verluste mit anderen Einkünften verrechnen kann und so seine Steuerlast mindert. Allerdings gibt es Ausnahmen, insbesondere bei Immobilien, die aufgrund ihrer Größe oder besonderen Ausstattung eine ungewöhnlich hohe Wohnqualität bieten. In solchen Fällen ist eine genauere Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich, um sicherzustellen, dass die Vermietung tatsächlich auf Gewinnerzielung und nicht auf private Motive, wie z.B. die Unterstützung von Familienangehörigen, abzielt.
In dem vorliegenden Fall ging es nun um ein Ehepaar, das in den Jahren 2011 bis 2014 drei große Einfamilienhäuser vermietete, deren Wohnflächen jeweils über 250 Quadratmeter lagen. Die Immobilien wurden vollständig fremdfinanziert und (dies ist durchaus auch von entscheidender Bedeutung) an die Kinder des Ehepaars vermietet, wobei die Mietverträge unbefristet abgeschlossen wurden. Die Mieten lagen bei mehr als 66 % der ortsüblichen Vergleichsmiete, was grundsätzlich gemäß der Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetz (EStG) dann als vollentgeltliche Vermietung gewertet wird.
Das Finanzamt erkannte zunächst die von den Klägern geltend gemachten Verluste aus Vermietung und Verpachtung an. Nach einer Außenprüfung änderte es jedoch seine Auffassung und versagte die steuerliche Anerkennung der Verluste. Die Finanzbeamten argumentierten, dass aufgrund der großen Wohnflächen der Objekte eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht zwingend erforderlich ist, da bei solchen Objekten die langfristige Gewinnerzielung entgegen dem Grundsatz immer infrage stehe.
Demgegenüber wandten die Kläger ein, dass die Vermietung zu über 66 % der ortsüblichen Miete erfolgt und damit nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG eine Einkünfteerzielungsabsicht zu unterstellen ist. Die Steuerpflichtigen verwiesen darauf, dass die vereinbarten Mieten marktüblich sind und die Vermietung daher vollentgeltlich erfolgte. Sie argumentierten weiter, dass das bloße Überschreiten der 250-Quadratmeter-Grenze nicht ausreiche, um die typisierte Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht infrage zu stellen. Zudem müsse ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, durch eine Totalüberschussprognose nachzuweisen, dass die Vermietung langfristig Gewinne abwerfen kann.
Das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg folgte jedoch der Argumentation des Finanzamts und verneinte die Einkünfteerzielungsabsicht. Es führte aus, dass bei Immobilien mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche eine solche Annahme nicht automatisch gegeben sein kann. Das Gericht verwies darauf, dass die ortsübliche Miete bei besonders großen oder luxuriös ausgestatteten Objekten häufig nicht den tatsächlichen Wohnwert widerspiegele. In solchen Fällen sei eine Totalüberschussprognose notwendig, um zu prüfen, ob die Vermietung tatsächlich mit einer Gewinnerzielungsabsicht erfolgt.
Der Bundesfinanzhof hob das Urteil des Finanzgerichts zwar auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück. Er bestätigte allerdings auch direkt, dass bei Immobilien mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche eine Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erforderlich ist. Die Zurückverweisung fand lediglich deshalb statt, weil die vom erstinstanzlichen Finanzgericht getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um die Frage aus Sicht der obersten Richter abschließend und beurteilen und zu klären.
Der Bundesfinanzhof stellte insoweit klar, dass die Einkünfteerzielungsabsicht eine subjektive Absicht des Steuerpflichtigen darstellt, auf die prognostizierte Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Diese Absicht wird bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich angenommen, was der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, beispielsweise durch Urteil vom 06.10.2004 unter dem Aktenzeichen IX R 30/03, entspricht.
Der Bundesfinanzhof erläuterte, dass die 250-Quadratmeter-Grenze aus der Rechtsprechung entwickelt wurde und darauf basiert, dass für solche großen Objekte oft keine aussagekräftigen Mietspiegel existieren. So bereits der Bundesfinanzhof in der bereits genannten Entscheidung vom 06.10.2004. Die Ausnahme von der typisierten Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei solchen Objekten ist keine unwiderlegbare Vermutung, sondern erfordert eine detaillierte Prüfung im Einzelfall.
Weiterhin stellte der Bundesfinanzhof fest, dass die Neuregelung in § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 die bisherige Rechtsprechung zur Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht außer Kraft setzt. Diese Regelung betrifft lediglich die Frage, ob eine Vermietung als vollentgeltlich zu behandeln ist, wenn die Miete mindestens 66 % der ortsüblichen Miete beträgt. Die subjektive Einkünfteerzielungsabsicht bleibt davon aber unberührt und ist weiterhin zu prüfen, insbesondere in den Fällen, in denen eine Ausnahme von der typisierten Annahme vorliegt, wie bei Objekten mit mehr als 250 Quadratmetern Wohnfläche. Insoweit verwiesen die obersten Finanzrichter der Republik auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 17.04.2018 unter dem Aktenzeichen IX R 9/17.
Im vorliegenden Fall bemängelte der Bundesfinanzhof konkret, dass das erstinstanzliche Finanzgericht bei seiner Überprüfung der Einkünfteerzielungsabsicht nicht alle relevanten Faktoren ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere fehle es an einer genauen Analyse, ob die in den Streitjahren vorgenommenen Mietanpassungen und Zinsänderungen bereits objektiv vorhersehbar waren und ob die Gebäudekosten korrekt in die Totalüberschussprognose einbezogen wurden. Der Bundesfinanzhof wies darauf hin, dass die Totalüberschussprognose stets aus der Sicht des jeweiligen Veranlagungszeitraums erstellt werden müsse, um eine realistische Einschätzung der Gewinnerzielungsabsicht zu ermöglichen.
Insgesamt verdeutlicht die Entscheidung, dass bei der Vermietung von Immobilien mit einer Wohnfläche von mehr als 250 Quadratmetern besondere Anforderungen an den Nachweis der Einkünfteerzielungsabsicht gestellt werden. Auch wenn die Vermietung zu mehr als 66 % der ortsüblichen Miete erfolgt, genügt dies nicht automatisch als Nachweis für die Gewinnerzielungsabsicht. Einen Automatismus gibt es bei solchen Immobilien an keiner Stelle mehr. Eine detaillierte Totalüberschussprognose ist erforderlich, um die steuerliche Anerkennung von Verlusten sicherzustellen. Diese Prognose muss alle relevanten Faktoren, einschließlich Mietanpassungen und Finanzierungskosten, berücksichtigen und auf einer realistischen Einschätzung der zukünftigen Einnahmen und Ausgaben basieren.