6. Für Personengesellschaften: Transparente Betrachtung bei der Grunderwerbsteuer

Bei der Grunderwerbsteuer kommt es immer wieder zu Streitfällen, wenn Anteile an Gesellschaften übertragen oder vereinigt werden. Das liegt daran, dass das Gesetz nicht nur den direkten Erwerb von Grundstücken besteuert, sondern auch bestimmte gesellschaftsrechtliche Vorgänge, die wirtschaftlich einem Grundstückskauf gleichkommen (sollen).

Besonders kompliziert wird es, wenn es um Personengesellschaften geht. Hier stellt sich die Frage, wie Befreiungsvorschriften anzuwenden sind, wenn Gesellschafter miteinander verwandt sind. Genau mit diesem Problem befasste sich das Finanzgericht Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 5.7.2024 unter dem Aktenzeichen 5 K 2326/22.

Im entschiedenen Fall war ein Vater zusammen mit seinen beiden Söhnen Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft. Zunächst hielt der Vater 50 Prozent und die Söhne jeweils 25 Prozent. Später erhöhte sich der Anteil des Vaters auf 52,5 Prozent, die der Söhne verringerten sich entsprechend. Schließlich brachte der Vater ein ihm allein gehörendes Grundstück in die Gesellschaft ein. Im Gegenzug erhielt er neue Gesellschaftsrechte, sodass er nunmehr zu 97 Prozent beteiligt war, während die Söhne nur noch 1,5 Prozent hielten.

Zum Vermögen der Gesellschaft gehörten mehrere Eigentumswohnungen. Das Finanzamt behandelte diesen Vorgang als steuerbaren Erwerb nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Es setzte Grunderwerbsteuer fest und gewährte nur teilweise eine Steuerbefreiung, da nach seiner Auffassung nur 50 Prozent der Anteile unter die Befreiungsvorschriften fallen konnten.

Das Finanzamt argumentierte, dass der Vater durch den Vorgang 97 Prozent der Anteile an der Gesellschaft in seiner Hand vereinigt habe. Nur der Anteil, den er bereits zuvor besessen hatte, könne nach § 6 Absatz 2 GrEStG steuerfrei bleiben. Neu geschaffene Anteile aus der Kapitalerhöhung seien hingegen nicht von den Söhnen auf den Vater übertragen worden, sondern entstanden unmittelbar beim Vater selbst. Daher fehle es an einer Übertragung, die für die Steuerbefreiung nach § 3 Nummer 6 GrEStG erforderlich sei. Diese Vorschrift befreit Grundstücksübertragungen zwischen Verwandten in gerader Linie von der Steuer. Aus Sicht des Finanzamts war eine solche Übertragung hier aber nicht gegeben.

Der Vater hielt dem entgegen, dass es sich bei § 1 Absatz 3 GrEStG um einen Ersatztatbestand handle, der den wirtschaftlichen Erwerb von Grundstücken fingiert. Entscheidend sei nicht, ob rechtlich ein neuer Anteil gebildet worden sei, sondern dass er die Grundstücke wirtschaftlich von der Gesamthandgesellschaft erworben habe. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Personengesellschaften eine transparente Betrachtung geboten. Das bedeutet, dass persönliche Eigenschaften der Gesellschafter, wie ein Verwandtschaftsverhältnis, der Gesellschaft zugerechnet werden. Da die Söhne insgesamt zu 47,5 Prozent beteiligt waren, müsse dieser Anteil zusätzlich zur bereits anerkannten Befreiung steuerfrei gestellt werden. Der Vater ist schließlich in gerader Linie mit den Söhnen verwandt. Somit sei der gesamte Erwerb bis auf einen geringen Rest steuerfrei.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab dem Vater im Wesentlichen recht. Es stellte klar, dass ein steuerbarer Erwerb nach § 1 Absatz 3 GrEStG oder nach § 1 Absatz 3a GrEStG vorliegt. Beide Vorschriften erfassen Vorgänge, bei denen jemand mindestens 90 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft hält. Das Gericht sah jedoch die Steuerbefreiung in viel größerem Umfang als das Finanzamt gegeben. Nach § 6 Absatz 2 GrEStG sei der Erwerb des Vaters insoweit steuerfrei, wie er bereits zuvor beteiligt war. Das waren 50 Prozent. Zusätzlich müsse aber § 3 Nummer 6 GrEStG berücksichtigt werden. Diese Vorschrift gelte auch bei fingierten Grundstückserwerben von einer Personengesellschaft, wenn Gesellschafter in gerader Linie miteinander verwandt sind. Da die Söhne des Vaters mit zusammen 47,5 Prozent beteiligt waren, sei auch dieser Anteil steuerfrei. Insgesamt seien daher 97,5 Prozent des Erwerbs von der Steuer ausgenommen. Nur für die restlichen 2,5 Prozent blieb die Steuer bestehen.

Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit der besonderen Rechtsnatur von Personengesellschaften. Bei ihnen sind die Gesellschafter gesamthänderisch am Vermögen beteiligt. Deshalb ist es gerechtfertigt, persönliche Eigenschaften wie das Verwandtschaftsverhältnis auf Gesellschaftsebene zu berücksichtigen. Das Gericht verwies dabei auch auf die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, zum Beispiel das Urteil vom 11.6.2008 unter dem Aktenzeichen II R 58/06, in dem die obersten Finanzrichter die Zurechnung von persönlichen Eigenschaften bei Personengesellschaften bestätigt hatten.

Ebenso betonte das Gericht, dass § 1 Absatz 3 GrEStG keine gesellschaftsrechtlichen Vorgänge besteuern will, sondern wirtschaftliche Grundstückserwerbe, wie es der Bundesfinanzhof schon in seinem Urteil vom 26.7.1995 unter dem Aktenzeichen II R 68/92 herausgestellt hatte.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg kam deshalb zu dem Ergebnis, dass der Erwerbsvorgang zu 97,5 Prozent steuerfrei ist. Damit korrigierte es die Auffassung des Finanzamts, das lediglich eine hälftige Befreiung zugelassen hatte.