Wenn Gesellschafter in eine GmbH Vermögen einbringen, stellt sich bei steuerlichen Vorgängen häufig die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen solche Einlagen oder spätere Veränderungen in der Beteiligungsstruktur schenkungsteuerlich relevante Vorgänge auslösen. Besonders brisant wird dies, wenn disquotale Einlagen – also Beiträge, die nicht im Verhältnis zur Beteiligung erfolgen – geleistet werden und später ohne vollständigen Ausgleich auf andere Gesellschafter übertragen werden. Ein solcher Fall wurde durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19.6.2024 unter dem Aktenzeichen II R 40/21 entschieden.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Vater gründete gemeinsam mit seinen beiden Söhnen eine GmbH, an der alle zu je einem Drittel beteiligt waren. Die Satzung enthielt eine Öffnungsklausel, die es den Gesellschaftern ermöglichte, abweichend von der Beteiligungsquote über die Verteilung von Gewinnen und Kapitalrücklagen zu entscheiden. Die Gesellschafter beschlossen 2006, dass eingebrachtes Vermögen individuell zugeordnet werden soll. Infolge dieses Beschlusses leistete der Vater in den folgenden Jahren Bar- und Sachleistungen im Umfang von insgesamt 4,95 Millionen Euro, die als »Kapitalrücklage V« verbucht wurden.
2012 wurde das Stammkapital der GmbH erhöht – allerdings nur durch die beiden Söhne, denen der Vater zuvor unentgeltlich Unternehmensbeteiligungen übertragen hatte. Dabei wurde die ursprünglich disquotale Kapitalrücklage plötzlich den Gesellschaftern quotal, also entsprechend ihrer neuen Beteiligungsquote, zugewiesen. Dies führte zu einer massiven Reduktion der rechnerischen Beteiligung des Vaters an der Kapitalrücklage. Zwar wurde ein monatlicher Ausgleich vereinbart, doch dieser erfasste nur einen Teil des ermittelten Wertverlusts.
Das Finanzamt wertete diesen teilweisen Verzicht des Vaters auf einen vollständigen Ausgleich als freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Absatz 1 Nummer 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes. Es setzte gegen die Söhne Schenkungsteuer fest, da sie durch den Forderungsverzicht des Vaters auf Kosten von dessen Vermögen bereichert worden seien. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hatte dieser Bewertung zunächst widersprochen. Es war der Ansicht, dass durch die disquotalen Einlagen keine individuelle Bereicherung der Söhne erfolgt sei, da das Gesellschaftsvermögen und insbesondere die Kapitalrücklage stets der GmbH selbst zustehen.
Dem widersprachen die obersten Finanzrichter nun in ihrem Urteil. Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass eine disquotale Zuweisung von Kapitalrücklagen gesellschaftsrechtlich zulässig und steuerrechtlich anzuerkennen ist, wenn eine entsprechende satzungsmäßige Grundlage und ein wirksamer Gesellschafterbeschluss vorliegen – wie im vorliegenden Fall durch den Beschluss vom 1.7.2006. Dieser Beschluss wurde von allen Gesellschaftern getragen und entsprach den Anforderungen der Satzung, sodass er sowohl zivilrechtlich als auch steuerlich wirksam war.
Der Verzicht des Vaters auf einen vollständigen Ausgleich seines Wertverlusts stellt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine freigebige Zuwendung dar. Der Bundesfinanzhof betonte, dass es genügt, wenn dem Zuwendenden die teilweise Unentgeltlichkeit bewusst ist. Dies war nach den Feststellungen im notariellen Vertrag eindeutig der Fall, da die Gesellschafter darin die veränderte Zuordnung der Kapitalrücklage ausdrücklich als »verbindlich« anerkannten. Dass der Vater sich bewusst auf einen nur teilweisen Ausgleich eingelassen hat, wurde als ausreichendes Indiz für den erforderlichen subjektiven Tatbestand gewertet.
Das oberste Finanzgericht hob damit das vorherige Urteil des Finanzgerichts auf und wies die Klage des Sohnes ab. Der Bescheid über die Festsetzung der Schenkungsteuer wurde bestätigt. Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs verdeutlicht, dass der steuerliche Fokus bei Kapitalmaßnahmen innerhalb von Familiengesellschaften nicht allein auf die Einlagehandlungen, sondern auch auf spätere disquotale Umverteilungen und die daraus resultierenden Vermögensverschiebungen zu richten ist.

