8. Für Beschenkte: Abzugsfähigkeit von Zahlungen zur Abwendung von Ansprüchen

Mit Urteil vom 14.2.2019 hat das erstinstanzliche Finanzgericht Münster unter dem Aktenzeichen 3 K 1237/17 entschieden, dass die Abfindungszahlungen, die ein vom Vorerben Beschenkter zur Abwendung eines Herausgabeanspruchs wegen beeinträchtigender Schenkung leistet, als sogenannte Nachlassverbindlichkeit von der schenkungssteuerlichen Bemessungsgrundlage abgezogen werden kann.

Vereinfacht gesagt, verbarg sich hinter dem Streitfall folgender Sachverhalt: Ein Vorerbe hatte jemanden beschenkt. Nach dem Tod des Vorerben wendete sich der Nacherbe an den Beschenkten und forderte die Herausgabe der Schenkung. Dagegen richtete sich der Beschenkte und musste entsprechende Aufwendungen tätigen. Exakt diese Aufwendungen wollte die Finanzverwaltung nicht steuermindernd ansetzen. Selbst nachdem das Finanzamt ausweislich der oben bereits zitierten Entscheidung des Finanzgerichtes Münster auf erster Ebene im Streitfall unterlag, richtete es die Revision an den Bundesfinanzhof.

Dieser hat nun unter dem Aktenzeichen II R 24/19 am 6.5.2021 folgende Entscheidung gefällt: Zunächst einmal ordnen die Richter ein, dass als steuerpflichtiger Erwerb bei der Schenkung die Bereicherung des Erwerbes gilt. Als Bereicherung gilt dabei der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen zu ermittelndem Wert des gesamten Vermögensanfalls die abzugsfähigen Verbindlichkeiten abgezogen werden.

Nach § 10 Absatz 5 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) sind die dort aufgeführten Schulden und Lasten vom steuerpflichtigen Erwerb abzuziehen, soweit sich nicht aus den folgenden Absätzen etwas anderes ergibt. Die Vorschrift ist über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für Erwerbe von Todes wegen und sogenannte Nachlassverbindlichkeiten im engeren Sinne anwendbar. Sie gilt auch für Schenkungen unter Lebenden und dementsprechend auch für die Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs bei einer sogenannten freigebigen Zuwendung. Dies ist auch vollkommen unstrittig, da insoweit der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 8.10.2003 unter dem Aktenzeichen II R 46/01 bereits entsprechend entschieden hat.

Ausweislich der gesetzlichen Bestimmungen zählen zu den abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten unter anderem die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist dabei grundsätzlich weit auszulegen, wie der Bundesfinanzhof schon in seiner Entscheidung vom 19.6.2013 unter dem Aktenzeichen II R 20/12 klargestellt hat. Insoweit umfasst der Begriff unter anderem die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses, sowie alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. So auch die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 6.11.2019 unter dem Aktenzeichen II R 29/16.

Ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten setzt einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Ein solcher liegt vor, wenn die Kosten dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. Ausreichend ist dabei ein Entstehen der Kosten nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt.

Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten gehören auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten, die der Erbe entrichtet, damit seine Erbenstellung in einem anhängigen Verfahren nicht mehr bestritten wird, denn sie dient dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung endgültig und damit zugleich den Erwerb als Erbe zu erlangen. Entsprechend kann auch ein künftiger gesetzlicher Erbe die Abfindung, die er an einen anderen für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsergänzungsanspruch zahlt, beim Eintritt des Erbfalls als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen. Dies hatte in einem anderen Sachverhalt bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 25.1.2001 unter dem Aktenzeichen II R 22/98 herausgearbeitet.

Ebenso gehören Zahlungen des Beschenkten an einen Dritten, damit die Schenkung nach Grund und/oder Umfang nicht mehr bestritten wird, zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten und mindern so die Bereicherung. Auch bei der Schenkung kann so abziehbarer Erwerbsaufwand entstehen. Insoweit sei auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.12.2000 unter dem Aktenzeichen II R 42/99 verwiesen.

Sowohl der Nacherbe als auch der Vertragserbe, diesem gleichgestellt der durch ein Ehegattentestament begünstigte Erbe, können Ansprüche gegen den Beschenkten aus einer beeinträchtigenden Schenkung haben. Zahlungen zur Abwendung derartiger Herausgabeansprüche können Erwerbserlangungskosten sein.

Die Verfügung des Vorerben über einen Erbschaftsgegenstand, die unentgeltlich oder zum Zweck der Erfüllung eines von dem Vorerben erteilten Schenkungsversprechens erfolgt, ist im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Dies entspricht der grundsätzlichen Regelung in § 2113 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, ist er dem Berechtigten zur Herausgabe des durch die Verfügung erlangten verpflichtet. Erfolgt die Verfügung unentgeltlich, so trifft die gleiche Verpflichtung denjenigen, welcher aufgrund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt. Da sich erst bei Eintritt der Nacherbfolge herausstellt, inwieweit der Nacherbe beeinträchtigt ist, entsteht der Anspruch erst im Fall des Eintritts der Nacherbfolge, also mit dem Nacherbfall.

Hat der Erblasser in der Absicht, den Vertragserben zu beeinträchtigen, eine Schenkung gemacht, kann der Vertragserbe, nach dem die Erbschaft angefallen ist, von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Die Regelung ist auf wechselbezügliche letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des zuerst verstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist entsprechend anzuwenden. So auch bereits der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 28.9.2016 unter dem Aktenzeichen IV ZR 513/15. Der Anspruch entsteht mit dem Anfall der Erbschaft beim Vertragserben. Grundsätzlich ist dies der Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers.

In beiden Fällen dienen Zahlungen, die diese Ansprüche abwehren, dazu, dem Beschenkten das Geschenkte zu sichern. Sie können deshalb nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzugsfähig sein. Das gilt auch dann, wenn Zahlungen aufgrund eines Vergleichs erbracht werden, sofern die Ansprüche ernstlich geltend gemacht wurden. Unter diesen Umständen wird durch den Vergleich eine neue Rechtsgrundlage geschaffen, sodass nicht mehr zu prüfen ist, ob und in welchem Umfang die Ansprüche ursprünglich tatsächlich bestanden haben.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt auch der Bundesfinanzhof in seiner aktuellen Entscheidung zu dem Schluss, dass Zahlungen des Beschenkten zur Abwendung etwaiger Herausgabeansprüche des Vertragserben bzw. des Nacherben als Aufwendungen zur Erlangung und Sicherung des Erwerbs bei der Schenkung erwerbsmindernd zu berücksichtigen sind.