Unter dem Aktenzeichen IX R 27/22 wird sich der Bundesfinanzhof mit der Frage der Besteuerung von Kryptowährungen beschäftigen müssen. Hintergrund ist ein Urteil des Finanzgerichtes Baden-Württembergs vom 11.6.2021 unter dem Aktenzeichen 5 K 1996/19. Im zugrunde liegenden Streitfall hatten die Steuerpflichtigen die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von sogenannten Kryptowährungen aufgrund von unterschiedlichen Argumenten angezweifelt.
Zunächst einmal geht es dabei um die Frage, unter welcher Einkunftsart Gewinne aus der Veräußerung einer Kryptowährung, wie zum Beispiel dem wohl am bekanntesten Bitcoin, zu versteuern sind. Dazu führt das erstinstanzliche Finanzgericht wie folgt aus: Entsprechend der Regelung in § 22 Nummer 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind sonstige Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG. Ausweislich § 23 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG liegt ein privates Veräußerungsgeschäft auch bei der Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern vor, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die Regelung betrifft dabei alle Wirtschaftsgüter des Privatvermögens, wie der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 22.4.2008 unter dem Aktenzeichen IX R 29/06 herausgearbeitet hat.
Hervorzuheben ist dabei, dass der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes durchaus weit zu fassen ist und auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen ist. Dies hatte der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 12.3.2020 unter dem Aktenzeichen IV R 9/17 herausgearbeitet, bei der das Gericht sogar festgestellt hat, dass sich Wärmeenergie zu einem Wirtschaftsgut verselbstständigen kann. Insgesamt umfasst der Begriff des selbstständigen Wirtschaftsgutes daher neben Sachen und Rechten im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auch tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, d. h. in der Summe sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einem früheren Urteil vom 21.9.2004 unter dem Aktenzeichen IX R 36/01 mit einigen weiteren Nennungen zur Thematik. Weitere Voraussetzung ist, dass eine selbstständige Bewertung möglich ist, wie auch aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 29.6.2004 unter dem Aktenzeichen IX R 26/03 hervorgeht. Das Merkmal der selbstständigen Verwertbarkeit wird üblicherweise weiter dahingehend konkretisiert, dass ein Erwerber eines gesamten Betriebes in dem Vorteil einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde. Jemand anderes muss es sich also etwas kosten lassen. Der Begriff des Wirtschaftsgutes setzt hingegen nicht voraus, dass es dem Betrieb einen Nutzen für mehrere Jahre bringt.
Nach diesen Grundsätzen erkennt das erstinstanzliche Finanzgericht (aus unserer Sicht durchaus nachvollziehbar) in gehandelten Kryptowährungen ein anderes Wirtschaftsgut im Sinne der Regelung des privaten Veräußerungsgeschäftes. Auch die ganz herrschende Meinung in der Literatur vertritt insoweit die Auffassung, dass es sich bei Kryptowährungen um immaterielle Wirtschaftsgüter und damit um andere Wirtschaftsgüter im Sinne der Regelung von § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 EStG handelt. Damit ist eine erste Frage im gesamten Streitfall geklärt.
Neben der Frage, in welchem Bereich denn der Gewinn aus der Veräußerung von Kryptowährungen zu versteuern ist, werfen die Kläger jedoch auch die Frage auf, ob eine Besteuerung überhaupt möglich ist. Der Grund für die Frage: Die Kläger wollen strukturelle Vollzugsdefizite der Finanzverwaltung erkennen. Definitiv verlangt nämlich Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlichen auch tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichbelastung durch die rechtliche Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt (es besteht also ein normatives Defizit), kann dies zu einem Gleichheitsverstoß führen. Dagegen bedeutet die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen noch keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, wie das Bundesverfassungsgericht bereits in einer Entscheidung vom 9.3.2004 unter dem Aktenzeichen 2 BvL 17/02 herausgearbeitet hat.
Ein normatives Defizit, also ein widersprüchlich auf Ineffektivität angelegtes Recht, liegt im Streitfall nach Aussage des Gerichts nicht vor. Eine strukturell gegenläufige Erhebungsregel zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist nicht ersichtlich. Auch die Tatsache, dass sich die meisten Handelsplattformen für Kryptowährungen im Ausland befinden, ändert nichts an diesem Ergebnis. Die Finanzverwaltung ist bei Sachverhalten mit Auslandsberührung – wie auch die Vorschrift des § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zeigt – generell auf eine erhöhte Mitwirkung der Steuerpflichtigen angewiesen. Auch kann sie zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe in Anspruch nehmen, wie sogar die Vorschriften der Abgabenordnung hergeben.
Verbleibende Vollzugsdefizite bei steuerlichen Sachverhalten mit Auslandsberührung folgen aus den Grenzen der nationalstaatlichen Souveränität. Dies vermag der deutsche Gesetzgeber nicht zu verändern; es kann ihm deswegen auch nicht als Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichmäßigkeit der Steuererhebung angelastet werden, wie der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 18.2.1997 unter dem Aktenzeichen VIII R 33/95 entschieden hat. Bereits in mehreren Urteilen hat der Bundesfinanzhof ebenso herausgearbeitet, dass die aus der Auslandsberührung eines steuerlichen Sachverhalts folgenden Vollzugsdefizite nicht dazu führen, dass im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden kann. In diesem Sinne ist beispielsweise das Bundesfinanzhof-Urteil vom 9.4.2008 unter dem Aktenzeichen II R 39/06 zu nennen, sowie auch der Beschluss der obersten Finanzrichter vom 18.11.2005 unter dem Aktenzeichen II B 23/05.
Auch der Umstand, dass die Veräußerung der Kryptowährungen bei den Internetbörsen möglicherweise erfolgt, genügt nicht, um ein strukturelles, in der gesetzlichen Regelung selbst angelegtes Vollzugsdefizite zu begründen. Von Bedeutung ist insoweit vielmehr, dass für Finanzbehörden regelmäßig unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit besteht, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte auch bei Internethandelsplattformen einzuholen. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof mit Entscheidung vom 19.6.2019 unter dem Aktenzeichen IX R 10/18 und mit Urteil vom 16.5.2013 unter dem Aktenzeichen II R 15/12 entschieden. Vorliegend wäre insoweit ein Sammelauskunftsersuchen möglich. Die Steuerbelastung beim privaten Veräußerungsgeschäft mit Kryptowährungen beruht somit nicht nahezu allein auf der Erklärungsbereitschaft des Steuerpflichtigen.
Kryptowährungen sind als multilaterales Handelssystem ein Finanzdienstleistungsinstitut. Als solches unterliegen sie der Identifizierungspflicht nach § 11 Geldwäschegesetz (GWG). Damit sind zumindest die Namen, die Anschrift, der Geburtsort, das Geburtsdatum und die Staatsangehörigkeit der Kunden der Kryptowährungen bekannt. Die Daten können die Finanzverwaltung bei inländischen Börsen erheben.
Sollten die Kryptowährungen zudem Finanzkommissionsgeschäfte betreiben, sind sie ein Kreditinstitut. Dann unterliegen sie sogar dem Kontoabruf. Insoweit stimmt das erstinstanzliche Gericht dem Kläger zwar zu, dass sich private Veräußerungsgeschäfte mit Kryptowährungen durch die Finanzverwaltung nur schwer aufdecken lassen. Jedoch reicht dies allein noch nicht aus, um ein strukturelles Vollzugsdefizite zu begründen.
Kryptowährungen gab es im Streitjahr erst seit ca. 8 Jahren. Der Bitcoin wurde als erste erfolgreiche Kryptowährung im Jahr 2009 der Öffentlichkeit präsentiert. Erst im Jahr 2012 setzte ein Aufwärtstrend ein und das streitgegenständliche Jahr 2017 war das Jahr mit dem bislang höchsten Kapitalzufluss, wie das Gericht unter https://de.wikipedia.org/wiki/Bitcoin selbst recherchiert hat. Kryptowährungen waren somit in den Jahren bis 2017 zunächst eine Randerscheinung.
Der Gesetzgeber ist weder verpflichtet noch dazu in der Lage, auf jede (technische) Neuerung sofort regulatorisch zu reagieren. Er hat einen weiten Ermessenspielraum und darf zunächst die erste Entwicklung abwarten. Er muss im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung erst dann reagieren, wenn sich gravierende Missstände zeigen. Solche bestanden nach Ansicht des Senats bis zum Streitjahr jedoch noch nicht.