7. Für Vermieter: Abfindungszahlungen an den Mieter als Herstellungskosten

Aufwendungen, die durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, stellen grundsätzlich im Zeitpunkt ihres Abflusses Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung dar. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall können die Aufwendungen nur im Rahmen der Abschreibung als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt werden.

Auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestimmt sich die Zuordnung von Aufwendungen zu dem Begriff der Herstellungskosten in erster Linie nach den handelsrechtlichen Vorschriften in § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuches (HGB). Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 14.6.2016 unter dem Aktenzeichen IX R 22/15 manifestiert. Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 1 Nummer 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes darüber hinaus auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 50 % der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen. Man spricht in diesem Zusammenhang von den sogenannten anschaffungsnahen Herstellungskosten.

Als Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder durch die das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen in diesem Sinne gehören daher sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Zu den Aufwendungen in diesem Sinne zählen insbesondere Aufwendungen für die Instandsetzung oder Erneuerung vorhandener Sanitär-, Elektro- und Heizungsanlagen, der Fußbodenbeläge, der Fenster und der Dacheindeckung sowie sogenannte Schönheitsreparaturen. Nicht zu den Aufwendungen gehören entsprechend des gesetzlichen Wortworts ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen im Sinne von § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen.

Das Finanzgericht Münster vertritt nun in seiner Entscheidung vom 12.11.2021 unter dem Aktenzeichen 4 K 1941/20 F die Auffassung, dass nicht nur die Kosten der üblichen Baumaßnahmen im engeren Sinne als Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den anschaffungsnahen Herstellungskosten anzusehen sind. Vielmehr sind die erstinstanzlichen Richter der Meinung, dass auch die damit in engem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden sonstigen Aufwendungen, die durch die Durchführung der Maßnahme veranlasst werden und dieser dienen sollen, ebenso zu berücksichtigen sind. Dazu können neben Aufwendungen für die Planung der jeweiligen Baumaßnahme auch die Kosten zählen, die für die Entmietung aufgewendet werden müssen. Entscheidend ist für den erstinstanzlichen Senat der jeweilige Veranlassungszusammenhang der Kosten. Daher vertritt der Senat weitergehend die Auffassung, dass insoweit sonstige Kosten aufgewendet werden, um eine Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahme im Sinne der anschaffungsnahen Herstellungskosten erst durchzuführen, diese den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen sind.

Stehen solche Kosten hingegen im Zusammenhang mit sonstigen, sofort abziehbaren Erhaltungs- oder Reparaturaufwendungen oder Erhaltungsaufwendungen, die jährlich üblicherweise anfallen, und die damit nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten zählen, stellen diese sofort abzugsfähige Werbungskosten dar. Entsprechendes gilt, wenn Aufwendungen als „sonstige Werbungskosten” in jedem Fall (zwingend) anfallen und nur beiläufig (bei Gelegenheit) im Zusammenhang mit einer Instandsetzungs- oder Modernisierungsmaßnahme stehen, nicht aber durch die jeweilige Baumaßnahme veranlasst sind (etwa Kosten zur Ermittlung oder Beseitigung der Kontaminierung eines Grundstücks).

 

Das erstinstanzliche Finanzgericht hat jedoch trotz seiner anscheinend felsenfesten Überzeugung die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, da der Frage, ob Abfindungszahlungen an Mieter zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten gehören können, grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die obersten Richter der Republik werden daher unter dem Aktenzeichen IX R 29/21 eine abschließende Entscheidung zu treffen haben. Betroffene sollten bis dahin etwaige Einkommensteuerbescheide, die die Meinung des erstinstanzlichen Finanzgerichtes Münster widerspiegeln, angreifen und auf das anhängige Musterverfahren beim Bundesfinanzhof verweisen.