1. Für alle Steuerpflichtigen: Müllabfuhr und Schmutzwasserentsorgung sind keine haushaltsnahen Dienstleistungen

Mandantenbrief WBS Gruppe

Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 35a Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer für bestimmte im Gesetz aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Abs. 3 sind, auf Antrag um 20 %, höchstens jedoch um 4.000 Euro, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Dabei ist zu beachten, dass der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nur für Arbeitskosten gilt.

Der Begriff „haushaltsnahe Dienstleistungen“ ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltsführung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden. Hauswirtschaftliche Tätigkeiten diesem Sinne sind solche, die üblicherweise zur Versorgung der dort lebenden Familien in einem Privathaushalt erbracht werden. Dazu gehören beispielsweise Einkaufen von Verbrauchsgütern, Kochen, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen.

Haushaltsnahen Leistungen sind solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit in Zusammenhang stehen. Das sind Tätigkeiten, die gewöhnlich durch die Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechende Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Insoweit sind die Begriffe haushaltsnah und hauswirtschaftlich sinnverwandt, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 1.2.2007 unter dem Aktenzeichen VI R Ziffer 77/05 herausgearbeitet hat.

In diesem Sinne bilden handwerkliche Tätigkeiten im Haushalt, die im Regelfall nur von Fachkräften durchgeführt werden, keine haushaltsnahen Dienstleistungen. So auch das zuvor genannte Urteil des Bundesfinanzhofs.

Bestätigt wird diese Auffassung durch die teleologische Auslegung des § 35a EStG. Nach der Gesetzesbegründung sollen mit der Steuerermäßigung Dienstleistungen in privaten Haushalten gefördert werden, um einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen. Die Steuerermäßigung soll für haushaltsnahe Tätigkeiten gewährt werden, die nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Haushaltsnahe Tätigkeiten, so die Gesetzesbegründung, sind: die Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, die Reinigung der Wohnung des Steuerpflichtigen, die Gartenpflege und die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen. So geht es exakt aus der seinerzeitigen Bundestagsdrucksache zur Gesetzesbegründung hervor.

Diese Gesetzesbegründung macht daher nach Auffassung des Finanzgerichtes Münsters deutlich, dass nach der Intention des Gesetzgebers nur hauswirtschaftliche Arbeiten begünstigt werden sollen. Mit der politisch motivierten Steuerermäßigung soll die Erledigung typischer hauswirtschaftlicher Dienstleistungen durch Dritte gefördert werden. Nicht gefördert werden sollen hingegen sonstige Dienstleistungen, die regelmäßig nicht von Haushaltsangehörigen, sondern von Dritten erledigt werden.

Unter Berücksichtigung dieser grundsätzlichen Einordnung liegen in Bezug auf die Entsorgung von Müll und die Ableitung von Schmutzwasser nach Auffassung des erstinstanzlichen Finanzgerichtes Münster mit Urteil vom 24.2.2022 unter dem Aktenzeichen 6 K 1946/21 E keine haushaltsnahen Dienstleistungen vor. Denn im Zusammenhang mit der Entsorgung von Müll und Abwasser erbrachte Dienstleistungen werden typischerweise nicht von Haushaltsangehörigen erledigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von der Stadt erhobenen Abgaben gerade nicht die Eigenleistung des Steuerpflichtigen auf seinem Grundstück betreffen, sondern die originär von der Stadt zu erbringenden Leistungen, die im Rahmen kommunaler Satzungen geregelt und diesen durch die Abfall- und Wassergesetze des Landes zugewiesen sind. Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die auch aufgrund ihres Umfangs und der dafür erforderlichen Infrastruktur typischerweise von Städten und Gemeinden und nicht von Haushaltsangehörigen übernommen werden.

Darüber hinaus setzt die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung voraus, dass das Beschäftigungsverhältnis oder die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder den Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht wird. Der Leistungsort befindet sich dann im Haushalt, wenn die Leistung in dessen räumlichen Bereich erbracht wird. Der Begriff „im Haushalt“ ist insofern räumlich-funktional auszulegen, wie bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 20.3.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 56/12 dargelegt hat. Zahlreiche weitere Entscheidungen sind mittlerweile auf dieser Linie ergangen. Danach werden die Grenzen des Haushaltes zwar nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von haushaltsnahen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und haushaltsnahen Dienstleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, begünstigt sein. So beispielsweise die Schneeräumung auf Gehwegen. Allerdings muss es sich dabei um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen. Leistungen außerhalb des Haushaltes sind demgegenüber nicht begünstigt, selbst wenn sie für den Haushalt erbracht werden.

Bei Anwendung all dieser Grundsätze sind Aufwendungen für Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen zu berücksichtigen. So zumindest die aktuelle Entscheidung des Finanzgerichts Münster vom 24.2.2022.

Erfreulicherweise ist der hier klagende Steuerpflichtige wegen der negativen Entscheidung des Finanzgerichts Münster in Revision gezogen. Beim Bundesfinanzhof wird das Verfahren unter dem Aktenzeichen VI R 8/22 geführt. Unseres Erachtens sind die Erfolgschancen zwar gering, dennoch muss gesagt werden: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Wer daher ein in der Regel relativ unaufwändiges Einspruchsverfahrens nicht scheut, kann sich durchaus unter Verweis auf das Musterverfahren daran anhängen.