6. Für Immobilieneigentümer: Zur Wahl der Wertermittlungsmethode bei der Aufteilung eines Gesamtkaufpreises einer Immobilie in Grund- und Bodenanteil sowie Gebäude

Werbungskosten sind entsprechend der gesetzlichen Definition in § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Diese Werbungskosten können bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung steuermindernd abgezogen werden, wenn sie durch die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung veranlasst sind. Zu den bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbaren Werbungskosten gehört entsprechend § 9 Absatz 1 Satz 3 Nummer 7 EStG auch die Abschreibung für Abnutzung für ein zur Einkünfteerzielung genutztes Gebäude. Bemessungsgrundlage der Abschreibung sind dabei die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Ist in der Praxis für die Anschaffung eines Immobilienobjektes ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Abschreibung aufzuteilen. Zunächst sind Boden- und Gebäudewert gesondert zu ermitteln und sodann die Anschaffungskosten nach dem Verhältnis der beiden Wertanteile in Anschaffungskosten für den Grund und Boden sowie den Gebäudeanteil aufzuteilen. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 21.7.2020 unter dem Aktenzeichen IX R 26/19 ausgeführt.
In der vorgenannten Entscheidung ging es dabei jedoch wesentlich um die Frage, ob das Finanzgericht die vertragliche Kaufpreisaufteilung durch eine Kaufpreisaufteilung, welche mittels der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums ermittelt wurde, ersetzen darf. Dies hatten die obersten Finanzrichter der Republik seinerzeit ganz klar verneint und somit der Finanzverwaltung eine schallende Ohrfeige erteilt. Eine vertragliche Kaufpreisaufteilung auf Grund und Boden sowie Gebäude, die die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint, darf nämlich nicht durch die unter Verwendung der Arbeitshilfe des Bundesfinanzministeriums ermittelte Aufteilung ersetzt werden. Ganz klar entschieden die Richter seinerzeit, dass die Arbeitshilfe die von der Rechtsprechung geforderte Aufteilung nach den realen Verkehrswerten von Grund und Boden im Hinblick auf die Verengung der zur Verfügung stehenden Bewertungsverfahren auf das vereinfachte Sachwertverfahren und die Nichtberücksichtigung eines sogenannten Orts- oder Regionalisierungsfaktors bei der Ermittlung des Gebäudewerts nicht gewährleistet.
Mit einer neuen Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.9.2022 klärt dieser nun unter dem Aktenzeichen IX R 12/21, dass für die Schätzung des Werts von Grund und Boden sowie des Gebäudeanteils die Immobilienwert-Verordnung herangezogen werden kann, denn sie enthält anerkannte Grundsätze für die Schätzung von Verkehrswerten von Grundstücken. Nach deren Bestimmungen ist der Verkehrswert mithilfe des Vergleichswertverfahrens (einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung), des Ertragswertverfahrens, des Sachwertverfahrens oder mehrerer dieser Verfahren zu ermitteln. Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjektes unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten unter sonstigen Umständen des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen. Die Wahl muss dabei begründet sein. Dabei stehen die nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu wählenden Wertermittlungsverfahren einander gleichwertig gegenüber. Der Verkehrswert ist dann aus dem Ergebnis des oder der herangezogenen Verfahren unter Würdigung seines oder ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln.
Die Ermittlung der Verkehrswertrelation ist zwar Teil der Sachverhaltsfeststellung des Finanzgerichtes, die für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend ist. Der Bundesfinanzhof als Revisionsgericht muss allerdings bei Heranziehung der Immobilienwert-Verordnung durch die Vorinstanz prüfen, ob dabei die rechtlichen Vorgaben der maßgeblichen Bestimmungen beachtet worden sind.
Insbesondere im Hinblick auf die Wahl des Bewertungsverfahrens zur Ermittlung der Verkehrswerte von Grund und Boden sowie Gebäude hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die nachfolgenden Grundsätze aufgestellt:
Zum einen hat die Rechtsprechung bei Mietwohngrundstücken im Privatvermögen im Regelfall eine Kaufpreisaufteilung unter Anwendung des Sachwertverfahrens mit der Erwägung für angebracht gehalten, dass für den Erwerb einer solchen Immobilie neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend sein könnte. So beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 29.5.2008 unter dem Aktenzeichen IX R 36/06 und in einem Beschluss vom 23.6.2005 unter dem Aktenzeichen IX B 132/04. Ferner hat der Bundesfinanzhof stets betont, dass nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden ist, welches Wertermittlungsverfahren anzuwenden ist.
Zum anderen hat die Rechtsprechung bei der Bewertung von Mietwohngrundstücken im Privatvermögen auch eine Anwendung des Ertragswertverfahrens für möglich erachtet, wenn dieses zum zutreffenderen Wert geführt und die tatsächlichen Wertverhältnisse besser abgebildet hat. Überdies hat der Bundesfinanzhof in anderem materiell-rechtlichen Zusammenhang schon früher entschieden, dass die zur Aufteilung des gebäudebezogenen Aufwands zu bestimmenden Verkehrswerte des eigengenutzten sowie des fremdvermieteten Teils eines Gebäudes nach dem Ertragswertverfahren ermittelt werden können, wenn eine Bewertung im Sachwertverfahren der zur Vermietung genutzten Flächen und der eigengenutzten Flächen wegen der unterschiedlichen Nutzbarkeit der jeweiligen Bereiche zu einem ersichtlich sachwidrigen Ergebnis führt. So beispielsweise der Bundesfinanzhof im Urteil vom 25.5.2005 unter dem Aktenzeichen IX R 46/04 mit weiteren Nennungen.
Das Vergleichswertverfahren hat die frühere Rechtsprechung zur Ermittlung des Verkehrswerts des Boden- und des Gebäudeanteils einer privaten Eigentumswohnung als nicht brauchbar angesehen, da diese Bewertungsmethode nur erlaube, die Eigentumswohnung als eine Einheit von Miteigentumsanteil und Sondereigentum zu bewerten. Daher ist das Vergleichswertverfahren mit dem Gebot der Einzelbewertung nicht vereinbar, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 15.1.1985 unter dem Aktenzeichen IX R 81/83 bereits herausgearbeitet hat.
Von diesen vorgenannten Grundsätzen ausgehend hat sich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs dahingehend fortentwickelt, dass einerseits bei umfassend sanierten, denkmalgeschützten Mietwohngebäuden die Wertanteile für Grund und Boden sowie Gebäude auf der Grundlage des Sachwertverfahrens ermittelt werden können, wenn anderweitig ermittelte Ertrags- und Vergleichswerte die tatsächlichen, an einem angemessenen Kaufpreis zu messenden Wertverhältnisse nicht einmal annähernd abbilden können. Andererseits kann aber bei Mietwohngebäuden auch das Ertragswertverfahren anzuwenden sein, wenn es sich im Einzelfall, etwa mit Blick auf den Renovierungszustand oder die begehrte innerstädtische Lage, um Renditeobjekte handelt und das Sachwertverfahren nicht in gleicher Weise zur Wertfindung geeignet erscheint, weil der mit dieser Methode ermittelte Wert ganz erheblich von dem zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten und tatsächlich gezahlten Kaufpreis abweicht.
Insoweit hält der Bundesfinanzhof in seiner aktuellen Entscheidung vom 20.9.2022 an den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises durch getrennte Ermittlung des Verkehrswertes von Grund und Boden sowie Gebäude unter Rückgriff auf die gleichwertigen Wertermittlungsverfahren der Immobilienwert-Verordnung fest.
Die genannten Grundsätze haben weiterhin ihre Berechtigung und werden (soweit ersichtlich) weder in der Rechtsprechung, noch in der Finanzverwaltung oder in der Literatur grundsätzlich infrage gestellt.
Insoweit betont der hier erkennende IX. Senat ganz ausdrücklich, dass er die vorliegende Entscheidung zum Anlass nehmen möchte besonders hervorzuheben, dass sich aus der bisherigen Rechtsprechung kein steuerrechtlicher (insbesondere kein typisierender) Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten ergibt. Das bedeutet auch, dass sich die Wahl der Ermittlungsmethode einer Verallgemeinerung schon dem Grunde nach entzieht und auch nicht auf ein fallgruppenspezifisch vorrangiges Wertermittlungsverfahren beschränkt werden kann. Denn einen von der Beurteilung im Einzelfall unabhängigen Vorrang einzelner Bewertungsmethoden bei bestimmten Objektarten kann es, entgegen der immer wieder bei der Finanzverwaltung und in der erstinstanzlichen Rechtsprechung auftretenden Meinung, schon von Gesetzes wegen nicht gegeben.
Ganz konkret ergibt sich aus den Bestimmungen der Immobilienwert-Verordnung kein Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren. Die Wertermittlungsverfahren sind vielmehr nach der Art des Wertermittlungsobjektes unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und den sonstigen Umständen des Einzelfalls zu wählen. Die Immobilienwert-Verordnung ist auch nicht abschließend. Es besteht daher die Möglichkeit, Wertermittlungsverfahren weiterzuentwickeln oder neue Verfahren zu entwickeln. Dies ist schon einem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.1.1996 unter dem Aktenzeichen 4 B 69/95 zum Baurecht zu entnehmen. Diese baurechtliche Ausgangslage schließt es aus, dass die finanzgerichtliche Rechtsprechung ein bestimmtes Verfahren zur Ermittlung des Verkehrswertes eines bebauten Grundstücks bindend vorgibt. Eine Rechtfertigung, von dem baurechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit der Bewertungsverfahren aus steuerrechtlichen Gründen abzuweichen, besteht nicht. Nach Ansicht des Senats verbietet es insbesondere der Grundsatz der Einzelbewertung nicht, einen einheitlichen Kaufpreis nach dem Verhältnis der Ertragswerte auf Grund und Boden einerseits sowie Gebäude andererseits aufzuteilen. Obwohl der Ertragswert des Gebäudes nur in der Weise ermittelt werden kann, dass von dem für die Vermietung des gesamten Grundstücks erzielten Reinertrag der Verzinsungsbetrag des Bodenwerts abgezogen wird, handelt es sich doch um eine Methode, mit der der Wert des Gebäudes als solcher ausreichend sicher geschätzt werden kann. Dabei darf die Ertragswertmethode nicht mit dem von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verworfenen Restwertverfahren verglichen werden, bei dem vom gezahlten Kaufpreis zunächst der Grundstückswert abgezogen und lediglich der verbleibende Rest der Anschaffungskosten des Gebäudes zugerechnet wird.
Soweit der Bundesfinanzhof bislang schwerpunktmäßig eine Bewertung von Geschäftsgrundstücken im Ertragswertverfahren für angezeigt gehalten und dabei auf deren Charakter als Renditeobjekte abgestellt hat, ist darauf hinzuweisen, dass im Kontext der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklung auch reine Wohnimmobilien als Renditeobjekte angesehen werden können. Dafür spricht beispielsweise die dynamische Entwicklung des Immobilienmarktes in der Vergangenheit und des (jedenfalls bis vor kurzem) noch sehr niedrigen Zinsniveaus. Dementsprechend liegen auch dem Erwerb von zur Vermietung bestimmtem Wohneigentum regelmäßig Ertragsüberlegungen zugrunde. Die Verhältnisse unterscheiden sich damit von denen in früheren Jahren, für die der Bundesfinanzhof davon ausgegangen ist, dass für den Erwerb von Mietwohngrundstücken neben Ertragsgesichtspunkten und dem Aspekt der sicheren Kapitalanlage vor allem die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend war. Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, das Ertragswertverfahren außerhalb der Bewertung von Geschäftsgrundstücken von vornherein für weniger geeignet oder auch nur für nachrangig zu halten.
Neben diesen dogmatischen Erwägungen kommt in rechtsstaatlicher Hinsicht hinzu, dass in der Praxis der Immobilienbewertung das Sachwertverfahren keineswegs überwiegt. Vielmehr entspricht es den Gepflogenheiten des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs, sowohl das Vergleichswertverfahren bei der Ermittlung von Bodenwerten und auch bei bebauten Grundstücken anzuwenden, als auch auf das Ertragswertverfahren zurückzugreifen, wenn vergleichbare Objekte üblicherweise mit der Absicht erworben werden, Erträge zu erzielen und/oder den Wert des eingesetzten Kapitals zu vermehren, sowie eine Anwendung des Sachwertverfahrens in Betracht zu ziehen, wenn es sich um Sonderobjekte (beispielsweise denkmalgeschützte Immobilien) handelt oder wenn vergleichbare Objekte regelmäßig durch Käufe erworben werden, deren Alternative im Neubau eines entsprechendes Objektes besteht, was am ehesten bei eigengenutzten Wohnimmobilien der Fall sein dürfte.
In der Praxis der Immobilienbewertung wird dem Ertragswertverfahren die weiteste Verbreitung zugesprochen. Dies soll für nahezu alle Gebäudearten gelten, auch für Wohn- und Teileigentum. Zum Teil wird aber auch eine Dominanz des Vergleichswertverfahrens gesehen. Ganz deutlich betonen die Richter in der vorliegenden Entscheidung jedoch, dass der Bundesfinanzhof dem nicht weiter nachzugehen braucht.

Insoweit kann nur abschließend wiederholt werden, dass für die Schätzung des Wertes des Grund und Bodens sowie des Gebäudeanteils die Immobilienwert-Verordnung herangezogen werden kann. Welches Wertermittlungsverfahren dabei anzuwenden ist, ist nach den tatsächlichen Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden. Die Wahl der Ermittlungsmethode entzieht sich einer Verallgemeinerung. Ein Vorrang bestimmter Wertermittlungsverfahren für bestimmte Gebäudearten besteht nicht, sodass sogar auch Wertermittlungsverfahren außerhalb der Immobilienwert-Verordnung Anwendung finden können.

Für die Praxis sollte damit entgegen der häufig fiskalischen Auffassung der Finanzverwaltung eine weitere, erhebliche Vereinfachung geschaffen worden sein. Das Urteil ist daher zu begrüßen und zeigt, dass man in etwaigen Streitigkeiten hinsichtlich der Aufteilung des Gesamtkaufpreises gegenüber dem Finanzamt nicht unbedingt nachgeben sollte.