In einem Verfahren vor dem Finanzgericht Münster war zwischen den Beteiligten streitig, ob durch die Zwangsversteigerung eines in der Insolvenzmasse befindlichen Grundstücks der Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäftes erfüllt ist und ob die auf diesen Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer ein Masseverbindlichkeit darstellt. Das Finanzamt beantwortete beides mit Ja. Dies sah jedoch in der Entscheidung des Finanzgerichtes Münster vom 25.1.2024 unter dem Aktenzeichen 10 K 1934/21 G schon anders aus.
Zunächst einmal konnte vom Gericht im Streitfall unentschieden bleiben, ob die Zwangsversteigerung der in der Insolvenzmasse befindlichen Immobilie eine willentliche Veräußerung im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes darstellt und damit der entsprechende Besteuerungstatbestand tatsächlich verwirklicht ist. Das Finanzamt hat nämlich schon zu Unrecht die Einkommensteuer, soweit sie aus der Verwertung der zur Insolvenzmasse gehörenden Immobilie resultiert, als Masseverbindlichkeit erfasst und dementsprechend auch rechtswidrig eine auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer gegenüber dem Kläger durch Steuerbescheid festgesetzt.
Zur Begründung führt das Gericht wie folgt aus:
Im Fall der Insolvenz ist die Einkommensteuer verschiedenen insolvenzrechtlichen Forderungskategorien zuzuordnen. Zu unterscheiden ist zwischen Insolvenzforderungen, Masseverbindlichkeiten als Forderung gegen die Insolvenzmasse sowie Forderungen gegen das Insolvenzfreivermögen.
Insolvenzforderungen sind solche Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Dagegen handelt es sich um Masseverbindlichkeiten, soweit die Verbindlichkeiten entweder durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder aber in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Die Zuordnung der Steuerforderungen bestimmt sich dabei nicht nach dem Steuerrecht, sondern nach dem Insolvenzrecht. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der gegen den Insolvenzschuldner gerichtete Anspruch begründet wird. Dabei wird die Einkommensteuerschuld für die insolvenzrechtliche Zuordnungsentscheidung schon dann begründet, wenn im Laufe des Veranlagungszeitraums die einzelnen für die Höhe des Jahreseinkommens maßgeblichen Besteuerungsmerkmale verwirklicht werden. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrecht begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, wie beispielsweise im Urteil vom 29.8.2007 unter dem Aktenzeichen IX R 4/07.
Bezogen auf die Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderungen folglich darauf an, ob der einzelne (und selbstständige) Besteuerungstatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde. Auf die Entstehung des Steueranspruchs kommt es dagegen nicht an. Sind in einem Veranlagungszeitraum mehrere insolvenzrechtliche Forderungskategorien betroffen, so ist die einheitlich ermittelte Einkommensteuerschuld aufzuteilen. Der Insolvenzverwalter ist Alleinadressat der Steuerbescheide über Ansprüche, die Masseverbindlichkeiten darstellen. Hingegen ist er nicht Adressat der Verwaltungsakte, die das insolvenzfreie Vermögen des Insolvenzschuldners betreffen. Diese sind dem Insolvenzschuldner bekanntzugeben. Bei Eröffnung des Verfahrens begründete Steuerforderungen sind beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden.
Nach diesen Maßstäben (und die Begründung des erstinstanzlichen Finanzgerichts Münster enthält noch weitere Argumente) stellte im vorliegenden Streitfall die Einkommensteuer, soweit sie auf den Gewinn aus privaten Veräußerungsgeschäften entfällt, keine Masseverbindlichkeit dar. Tatsächlich hat sich das Finanzamt mit dieser Entscheidung nicht zufriedengegeben und die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt.
Unter dem Aktenzeichen IX R 6/24 müssen die obersten Finanzrichter der Republik nun klären, ob die Zwangsversteigerung eines zur Insolvenzmasse gehörenden Grundstücks den Tatbestand des privaten Veräußerungsgeschäftes erfüllt und (wenn dies zu bejahen ist) die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Einkommensteuer ein Masseverbindlichkeit ist, wenn die Beschlagnahme vor und die Versteigerung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.