6. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber: Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit

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Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10.8.2023 unter dem Aktenzeichen VI R 11/21 befasst sich mit der Fragestellung zur Berechnung des Grundlohns für die Bemessung der Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Diese Frage ist von erheblicher Bedeutung, da Zuschläge für Arbeit zu diesen besonderen Zeiten nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Der Grundlohn bildet dabei die Bemessungsgrundlage, und es stellt sich die Frage, welche Lohnbestandteile in diesen Grundlohn einzubeziehen sind.

Im konkreten Sachverhalt gewährte die Klägerin, ein Unternehmen, ihren Arbeitnehmern in den Jahren 2012 bis 2015 steuerfreie Zuschläge für Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie für Nachtarbeit. Bei der Berechnung des Grundlohns, der nach § 3b Abs. 2 EStG maßgeblich für die Steuerfreiheit dieser Zuschläge ist, berücksichtigte die Klägerin auch Beiträge, die sie aufgrund einer Gehaltsumwandlung an eine zugunsten der Arbeitnehmer eingerichtete Unterstützungskasse entrichtete. Diese Kasse diente der Alters- und Hinterbliebenenversorgung der Arbeitnehmer. Allerdings vermittelten weder die Leistungszusage der Klägerin noch der Leistungsplan der Unterstützungskasse den Arbeitnehmern einen eigenen Anspruch gegenüber der Kasse.

Das Finanzamt, welches eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin durchführte, vertrat die Ansicht, dass die Beiträge an die Unterstützungskasse nicht zum Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 EStG gehören. Grundlohn sei der laufende Arbeitslohn, und dieser umfasse lediglich das tatsächlich zugeflossene Arbeitsentgelt, nicht jedoch das arbeitsvertraglich geschuldete Entgelt. Da die Beiträge an die Unterstützungskasse den Arbeitnehmern keinen eigenen Anspruch auf Versorgungsleistungen vermittelten und somit kein tatsächlicher Zufluss an die Arbeitnehmer erfolgte, sah das Finanzamt diese Beiträge nicht als Bestandteil des laufenden Arbeitslohns an. Folglich minderte es die als steuerfrei behandelten Zuschläge entsprechend und erließ einen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid.

Die Klägerin legte nach einem erfolglosen Einspruch gegen diesen Bescheid Klage beim Finanzgericht Baden-Württemberg ein. Das erstinstanzliche Finanzgericht entschied jedoch im Urteil vom 19.4.20221 unter dem Aktenzeichen 10 K 1865/20 zugunsten des Finanzamts und wies die Klage ab. In seiner Begründung folgte das Gericht der Auffassung des Finanzamts, dass der Grundlohn nach § 3b Abs. 2 EStG nur das tatsächlich ausgezahlte Arbeitsentgelt umfasst und die Beiträge an die Unterstützungskasse somit nicht einzubeziehen sind.

Die Klägerin ließ diese Entscheidung erfreulicherweise nicht auf sich beruhen und legte Revision beim Bundesfinanzhof in München ein. Sie rügte eine Verletzung materiellen Rechts und argumentierte, dass die Beiträge an die Unterstützungskasse sehr wohl Bestandteil des Grundlohns sein müssten, da sie auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung basierten und somit dem Arbeitnehmer arbeitsrechtlich zustanden.

Der Bundesfinanzhof entschied tatsächlich zugunsten der Klägerin und hob das Urteil des erstinstanzlichen Finanzgerichts Baden-Württemberg auf. Er stellte klar, dass der Grundlohn im Sinne von § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG der laufende Arbeitslohn ist, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum arbeitsvertraglich zusteht. Es ist dabei unerheblich, ob und in welchem Umfang der Grundlohn tatsächlich an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird. Die obersten Finanzrichter betonten, dass der Wortlaut des Gesetzes eindeutig ist: Maßgeblich ist, was dem Arbeitnehmer zusteht, nicht das, was ihm tatsächlich zufließt. Diese Auslegung folgt dem Zweck der Vorschrift, dem Arbeitnehmer einen finanziellen Ausgleich für die besonderen Erschwernisse durch Arbeit zu ungünstigen Zeiten zu gewähren. Dieser Ausgleich könne nur dann effektiv und transparent erfolgen, wenn die Steuerfreiheit der Zuschläge nach dem vereinbarten, arbeitsvertraglich geschuldeten Grundlohn bemessen wird und nicht nach dem tatsächlich ausgezahlten Lohn.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Bundesfinanzhof weiter aus, dass sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift nichts Gegenteiliges ergebe. Bereits die Vorgängerregelung habe den Begriff »zustehen« verwendet, und auch in späteren Fassungen des § 3b EStG sei dieser Wortlaut beibehalten worden. Die Gesetzgebungsgeschichte zeige somit, dass keine Änderung hinsichtlich des Begriffs »Grundlohn« beabsichtigt war, die auf das tatsächlich ausgezahlte Entgelt abstellen würde.

Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs hat immer den laufenden Arbeitslohn von sonstigen Bezügen abgegrenzt und dabei klargestellt, dass laufender Arbeitslohn das regelmäßig zufließende Entgelt ist. Diese Rechtsprechung rechtfertigt jedoch nicht die Schlussfolgerung, dass der Grundlohn nach § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG nach dem tatsächlich zugeflossenen Entgelt zu bemessen ist. Der Bundesfinanzhof stellte insoweit klar, dass diese Abgrenzung nur für die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen relevant ist, nicht aber für die Bestimmung des Grundlohns im Sinne des § 3b EStG. Entscheidend ist vielmehr die Regelmäßigkeit der Zahlungen, unabhängig vom tatsächlichen Zufluss.

Des Weiteren betonte der Bundesfinanzhof, dass auch die Finanzverwaltung in Richtlinie 3b der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) davon ausgeht, dass bei der Ermittlung des Grundlohns auf den arbeitsvertraglich geschuldeten und nicht auf den zugeflossenen Lohn abzustellen ist. Dies zeigt sich zum Beispiel daran, dass die Finanzbehörden den Begriff des »Basisgrundlohns« nach dem vereinbarten Lohn für den jeweiligen Zahlungszeitraum bestimmen.

Auf Grundlage dieser Überlegungen entschied der Bundesfinanzhof, dass die Beiträge der Klägerin an die Unterstützungskasse in den Grundlohn einzubeziehen sind. Die Klägerin hatte die Beiträge laufend geleistet, und diese standen den Arbeitnehmern aufgrund einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung zu. Somit sind die von der Klägerin gewährten Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit in der geltend gemachten Höhe steuerfrei.

Diese Entscheidung ist im Ergebnis für Arbeitgeber von großer Bedeutung, da sie die Berechnung der Steuerfreiheit von Zuschlägen beeinflusst und mögliche Risiken bei der Lohnsteuerveranlagung minimiert.