Bei der Erbschaftsteuer spielt die steuerliche Begünstigung bestimmter Vermögenswerte eine zentrale Rolle, insbesondere wenn es um Betriebsvermögen, vermieteten Wohnraum oder das selbstgenutzte Familienheim geht.
Diese Vergünstigungen können unter bestimmten Voraussetzungen auch auf Miterben übertragen werden. Fraglich ist jedoch, ob und in welchem Zeitraum nach dem Erbfall eine solche Übertragung erfolgen muss, damit die steuerlichen Vorteile erhalten bleiben. Genau mit dieser Frage hatte sich der Bundesfinanzhof am 15.5.2024 unter dem Aktenzeichen II R 12/21 zu befassen.
Im vorliegenden Fall verstarben die Eltern des Klägers im Dezember 2015 kurz nacheinander. Der Kläger und sein Bruder beerbten sowohl die Mutter als auch den Vater zu gleichen Teilen. Zum Nachlass der Mutter gehörten Grundstücke, während der Nachlass des Vaters neben weiteren Grundstücken auch eine 20-prozentige Kommanditbeteiligung an einer gewerblich tätigen GmbH & Co. KG sowie eine gleich hohe Beteiligung an deren Komplementärgesellschaft, einer GmbH, umfasste. Die restlichen 80 Prozent der Gesellschaftsanteile hielt bereits der Kläger.
Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 2.3.2018 die Erbschaftsteuer für den Erwerb nach dem Vater auf 30.668 Euro fest. Dabei gewährte es für den KG-Anteil die steuerliche Begünstigung nach § 13a Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), teilweise auch für einige Grundstücke gemäß § 13c ErbStG sowie für das vom Kläger selbst bewohnte Familienheim eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Erst mit notarieller Urkunde vom 19.2.2018 regelten der Kläger und sein Bruder die Erbauseinandersetzung. Im Rahmen dieser Teilung übertrug der Bruder seinen 10-prozentigen Anteil an der KG unentgeltlich auf den Kläger. Für die Übertragung der GmbH-Beteiligung zahlte der Kläger eine Abfindung an seinen Bruder. Ergebnis der Erbauseinandersetzung war, dass der Bruder ein Grundstück erhielt, während der Kläger sämtliche Gesellschaftsbeteiligungen sowie die verbleibenden Grundstücke übernahm.
Daraufhin beantragte der Kläger am 19.11.2019 eine Änderung des Erbschaftsteuerbescheids, um die steuerlichen Begünstigungen neu zuzuordnen. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass eine Erbauseinandersetzung steuerlich nur dann berücksichtigt werden könne, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolge. Eine derart lange Verzögerung von drei Jahren sei nicht akzeptabel. Auch der Umstand, dass beide Elternteile kurz hintereinander verstorben seien, stelle keinen ausreichenden Grund für die späte Auseinandersetzung dar.
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der Klage des Erben statt und verpflichtete das Finanzamt zur Änderung des Bescheids. Es gewährte die steuerliche Begünstigung des Wohnraums in Höhe von 28.942 Euro, des Betriebsvermögens in Höhe von 312.256 Euro und des eigengenutzten Familienheims in Höhe von 41.935 Euro. Dagegen legte das Finanzamt Revision ein und verwies auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28.5.2019 unter dem Aktenzeichen II R 37/16, in dem die Sechs-Monats-Regel bekräftigt wurde. Zudem sei der Erwerb des Bruders nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nicht begünstigt gewesen, weil er das Familienheim nicht zu eigenen Wohnzwecken nutzen wollte, sodass auch keine Begünstigung auf den Kläger übertragen werden könne.
Der Bundesfinanzhof wies die Revision jedoch als unbegründet zurück. Die Richter stellten klar, dass die steuerliche Begünstigung für das Betriebsvermögen, den Wohnraum und das Familienheim gemäß § 13a, § 13b, § 13c sowie § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG im Wege des sogenannten Begünstigungstransfers gewährt werden kann. Eine feste Frist für die Teilung des Nachlasses sieht das Gesetz nicht vor. Maßgeblich ist vielmehr, ob ein innerer Zusammenhang zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung besteht. Die Finanzverwaltung hatte in ihren Richtlinien eine Sechs-Monats-Frist als Voraussetzung für den steuerlichen Begünstigungstransfer aufgestellt. Dies sei jedoch nicht mit der gesetzlichen Regelung vereinbar. Entscheidend ist, ob die Auseinandersetzung auf einer neuen Willensbildung der Miterben beruht oder im Rahmen der ursprünglichen Erbteilung erfolgt.
Das Gericht stellte fest, dass die Miterben von Anfang an die Absicht hatten, das Betriebsvermögen sowie das Familienheim entsprechend zu verteilen. Die Verzögerung war durch die komplexen steuerlichen und bewertungsrechtlichen Fragen begründet, die zunächst geklärt werden mussten. Es gab keine Anzeichen dafür, dass der Nachlass willentlich ungeteilt belassen wurde. Daher sei die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Die steuerlichen Begünstigungen waren somit entsprechend zu gewähren.
Diese Entscheidung bestätigt, dass eine Erbauseinandersetzung auch über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus erfolgen kann, ohne dass die steuerlichen Vorteile verloren gehen. Entscheidend bleibt die Gesamtwürdigung der Umstände, insbesondere ob eine bewusste Verzögerung vorliegt oder ob sachliche Gründe für eine spätere Teilung bestehen. Damit setzt der Bundesfinanzhof seine bisherige Rechtsprechung fort und stellt klar, dass starre Fristen, wie es das Bundesfinanzministerium setzt, nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.