Die Schenkungsteuer erfasst nicht nur offensichtliche unentgeltliche Zuwendungen zwischen Privatpersonen, sondern auch komplexe Vorgänge im Gesellschaftsrecht, bei denen durch Umstrukturierungen oder gezielte Transaktionen mittelbare Vermögensverschiebungen stattfinden. Ein solcher Fall liegt dann vor, wenn Anteile an einer Kapitalgesellschaft unter Wert an die Gesellschaft selbst veräußert werden und dies zu einer Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter führt. Die zentrale steuerliche Fragestellung in diesen Konstellationen ist, ob und inwieweit eine solche Werterhöhung bei den Gesellschaftern eine Schenkung im Sinne des § 7 Absatz 8 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) darstellt.
Im nun entschiedenen Streitfall waren mehrere Erben, darunter der Kläger, durch Erbanfall zu je einem Zehntel Miteigentümer eines GmbH-Anteils geworden. Der Geschäftsanteil hatte einen Nennwert von 9.000 Euro und gehörte zur T GmbH, deren übrige Anteile von der H KG gehalten wurden. Der Kläger war selbst über diese H KG mittelbar an der T GmbH beteiligt. Im Jahr 2013 veräußerten alle Miterben den geerbten Anteil an der T GmbH gemeinschaftlich zurück an die Gesellschaft für einen Kaufpreis von 300.000 Euro. Grundlage der Kaufpreisvereinbarung waren Bewertungen aus dem Jahr 2009, die den Unternehmenswert auf 1.000.000 Euro schätzten. Das zuständige Finanzamt stellte allerdings später einen tatsächlichen gemeinen Wert des veräußerten Anteils auf 1.819.176 Euro zum Verkaufszeitpunkt fest.
Auf dieser Grundlage sah das Finanzamt in dem erheblichen Missverhältnis zwischen dem gezahlten Kaufpreis und dem tatsächlichen Wert eine teilweise unentgeltliche Leistung der Miterben an die T GmbH. Daraus leitete es eine steuerpflichtige Schenkung nach § 7 Absatz 8 Satz 1 ErbStG ab – und zwar zugunsten der Kommanditisten der H KG, zu denen auch der Kläger zählt. Es setzte daraufhin Schenkungsteuerbescheide über jeweils 50.639 Euro fest, wogegen sich der Kläger im Klageverfahren wehrte. Seine Argumentation stützte sich unter anderem darauf, dass durch den Erwerb eigener Anteile durch die T GmbH kein Vermögenszuwachs bei der Gesellschaft eingetreten sei, sodass auch keine Leistung im Sinne des Gesetzes vorliege. Ferner verwies er darauf, dass § 272 Absatz 1a und 1b Handelsgesetzbuch (HGB) den Erwerb eigener Anteile handelsbilanziell als Kapitalherabsetzung behandle, was gegen eine Wertsteigerung der Gesellschaft spreche. Darüber hinaus sah der Kläger eine Doppelbesteuerung mit Einkommen- und Schenkungsteuer, da der Vorgang auch eine verdeckte Einlage darstelle. Schließlich machte er geltend, dass es sich um eine Veräußerung unter fremdüblichen Bedingungen gehandelt habe und – falls doch eine steuerbare Schenkung angenommen werde – die Begünstigungsvorschriften der §§ 13a und 13b Erbschaftsteuergesetz zur Anwendung kommen müssten.
Das Finanzgericht Sachsen hatte die Klage unter dem Aktenzeichen 8 K 34/21 abgewiesen. Es bestätigte folglich die Auffassung des Finanzamts, dass eine steuerbare Schenkung nach § 7 Absatz 8 Satz 1 ErbStG vorlag und verneinte zudem die Anwendung der Steuerbegünstigungsvorschriften. Dagegen legte der Kläger Revision beim Bundesfinanzhof ein.
Der Bundesfinanzhof entschied mit Urteil vom 10.4.2024 unter dem Aktenzeichen II R 22/21 zugunsten des Klägers. Das oberste Finanzgericht stellte klar, dass § 7 Absatz 8 Satz 1 ErbStG eine eigenständige Fiktionstatbestand darstellt, der – anders als § 7 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG – keine freigebige Zuwendung voraussetzt.
Eine Leistung im Sinne der Vorschrift liegt bereits dann vor, wenn durch das Tun, Dulden oder Unterlassen des Leistenden eine Vermögenshingabe an die Gesellschaft erfolgt. Im vorliegenden Fall erkannten die Richter in der Anteilsabtretung eine solche Leistung, unabhängig davon, dass sie bilanziell als Kapitalherabsetzung zu bewerten ist.
Allerdings verwarf der Bundesfinanzhof die vom Finanzgericht vorgenommene pauschale Gleichsetzung des Wertes der unentgeltlich übertragenen Anteile mit der Werterhöhung der Anteile der verbleibenden Gesellschafter. Die Wertsteigerung stellt lediglich die theoretische Obergrenze dar. Ob tatsächlich eine Werterhöhung eingetreten ist, muss für jeden Fall individuell geprüft und durch entsprechende Feststellungen belegt werden. Eine solche Feststellung hatte das Finanzgericht im vorliegenden Fall nicht getroffen. Eine bloße Wertverschiebung auf dem Papier reicht nicht aus. Entscheidend ist, ob sich der gemeine Wert der Gesellschaftsanteile durch die Leistung tatsächlich erhöht hat – zum Beispiel durch einen höheren Ertragswert oder eine veränderte Beteiligungsstruktur, etwa infolge ruhender Rechte der eigenen Anteile.
Darüber hinaus stellte der Bundesfinanzhof klar, dass die Anwendung der Begünstigungsvorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG im Rahmen von § 7 Absatz 8 Satz 1 ErbStG nicht in Betracht kommt. Der Gegenstand der Zuwendung ist hier nicht ein Gesellschaftsanteil selbst, sondern die Werterhöhung eines solchen Anteils. Diese wird nicht als begünstigtes Vermögen im Sinne der genannten Vorschriften erfasst. Eine analoge Anwendung lehnten die Richter ebenfalls ausdrücklich ab, da es sich nicht um eine planwidrige Gesetzeslücke handelt, sondern um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers.
Da somit nicht geklärt war, ob überhaupt eine steuerbare Werterhöhung der Anteile des Klägers vorliegt, hob der Bundesfinanzhof das Urteil des Finanzgerichts auf und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurück.