7. Für Unternehmer: Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übertragung auf eine Vielzahl von Erwerbern

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Unternehmensverkäufen kann erhebliche finanzielle Auswirkungen für die beteiligten Parteien haben. Eine besondere Rolle spielt dabei die sogenannte Geschäftsveräußerung im Ganzen nach § 1 Absatz 1a Umsatzsteuergesetz (UStG). Wird ein Unternehmen oder ein gesondert geführter Unternehmensteil im Ganzen an einen anderen Unternehmer übertragen, ist dieser Vorgang nicht umsatzsteuerbar – mit der Folge, dass keine Umsatzsteuer entsteht. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings streng und insbesondere dann zweifelhaft, wenn die Übertragung nicht an einen einzigen Erwerber erfolgt, sondern auf mehrere Parteien aufgeteilt wird.

Diese steuerliche Problematik stand im Mittelpunkt eines Urteils des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 14.3.2024 unter dem Aktenzeichen 4 K 75/23.

Im entschiedenen Fall betrieb die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, seit dem Jahr 2011 ein auf gepachteten Flächen errichtetes Photovoltaikkraftwerk mit einer Leistung von mehreren Megawatt. Die Anlage umfasste neben Solarmodulen und Wechselrichtern auch eine umfangreiche technische Infrastruktur wie Trafostationen, eine Übergabestation mit Netzzugangspunkt, ein Sicherheitssystem sowie Einrichtungen zur Fernüberwachung. Der erzeugte Strom wurde auf Basis bestehender Einspeiseverträge in das öffentliche Netz eingespeist, wofür die Klägerin eine gesetzlich festgelegte Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erhielt.

In den Jahren 2014 und 2015 wurden die Anteile an der Klägerin neu strukturiert: Zunächst übernahm ein ausländischer Anbieter von Kapitalanlagen die Anteile und veräußerte diese im Anschluss an zehn neu gegründete Gesellschaften, die jeweils einzelne Teilbereiche der Photovoltaikanlage erhielten. Die zentrale Infrastruktur, wie etwa die Übergabestation und die Trafostationen, verblieb im Eigentum der Klägerin und wurde den Erwerbergesellschaften lediglich zur Nutzung überlassen. Auch die Einspeisung des erzeugten Stroms in das öffentliche Netz erfolgte weiterhin ausschließlich durch die Klägerin, die dafür mit den zehn Subgesellschaften Einspeise- und Abrechnungsverträge abschloss.

Die Klägerin war der Auffassung, bei der Übertragung der Solaranlagenteile auf die zehn Subgesellschaften habe es sich um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Absatz 1a UStG gehandelt. Ihrer Ansicht nach reiche es aus, dass wesentliche Betriebsgrundlagen nicht übertragen, sondern langfristig zur Nutzung überlassen worden seien. Das wirtschaftliche Ziel der Klägerin sei gewesen, den Betrieb auf die Erwerber zu übertragen, während sie selbst lediglich als technische Betreiberin der zentralen Infrastruktur und als Abrechnungsstelle fungiere.

Das Finanzamt lehnte diese Sichtweise ab und unterwarf die Veräußerungserlöse der Umsatzsteuer. Es begründete dies damit, dass die Klägerin ihre wirtschaftliche Tätigkeit nach außen unverändert fortgesetzt habe und die Erwerber nicht in der Lage gewesen seien, den erzeugten Strom eigenständig zu vermarkten, da sie über keine Einspeiseverträge oder Netzzugang verfügten. Die Erwerber seien somit wirtschaftlich von der Klägerin abhängig und hätten kein eigenständiges Unternehmen im umsatzsteuerlichen Sinne fortgeführt.

Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht folgte in seiner Entscheidung vom 14.3.2024 unter dem Aktenzeichen 4 K 75/23 der Argumentation des Finanzamts. Es stellte klar, dass eine Geschäftsveräußerung im Ganzen voraussetzt, dass die übertragenen Wirtschaftsgüter einem Erwerber die Fortführung der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit ermöglichen. Maßgeblich ist dabei, ob der Erwerber auf Grundlage des übernommenen Vermögens ein eigenes Unternehmen fortführt, das mit dem des Veräußerers hinreichend vergleichbar ist.

Das Gericht betonte dabei ausdrücklich, dass jede der zehn Übertragungen separat zu betrachten sei, da jeweils ein anderer Erwerber beteiligt war. Zwar sei es unschädlich, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen nicht übereignet, sondern lediglich langfristig überlassen würden. Entscheidend sei aber unter dem Strich, dass die Erwerber in der Lage sind, ein eigenständiges Unternehmen zu betreiben, das in Art und Umfang mit dem des Veräußerers vergleichbar ist.

Diese Vergleichbarkeit verneinte das Gericht im vorliegenden Fall. Die Klägerin habe ihre Tätigkeit im Bereich der Stromvermarktung vollständig beibehalten. Die Einspeiseverträge bestanden weiterhin mit ihr, nicht mit den Subgesellschaften. Auch nach außen hin trat nur die Klägerin als Verkäuferin des Stroms auf. Die Subgesellschaften produzierten den Strom lediglich und lieferten ihn der Klägerin, die ihn vermarktete. Eine eigenständige Marktteilnahme der Erwerbergesellschaften habe nicht stattgefunden.

Auch in Bezug auf die Stromproduktion verneinte das Gericht eine Vergleichbarkeit: Die einzelnen Subgesellschaften verfügten jeweils nur über rund ein Zehntel der ursprünglichen Produktionskapazität. Der Umfang der wirtschaftlichen Tätigkeit sei damit so stark reduziert gewesen, dass keine Fortführung des ursprünglichen Unternehmens anzunehmen sei. Eine zergliederte Übertragung eines ehemals einheitlichen Unternehmens auf mehrere Erwerber könne nicht als Geschäftsveräußerung im Ganzen anerkannt werden.

Die Finanzrichter verwiesen in ihrer Begründung auf zahlreiche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs, unter anderem auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 3.12.2015 unter dem Aktenzeichen V R 36/13 sowie auf die Entscheidungen vom 26.6.2019 unter dem Aktenzeichen XI R 3/17 und vom 24.2.2021 unter dem Aktenzeichen XI R 8/19. Dabei stellten sie klar, dass die Aufspaltung eines Unternehmens auf eine Vielzahl von Erwerbern nicht den Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen entspricht.

Die Klage der Klägerin wurde daher abgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass die Veräußerung der einzelnen Anlagenteile an die zehn Subgesellschaften steuerbar und steuerpflichtig ist.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung jedoch zugelassen. Das entsprechende Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen XI R 12/24 anhängig. Auch wenn wir die erstinstanzliche Entscheidung für sachgerecht halten, wird sich der Bundesfinanzhof mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob bei Veräußerung an eine Vielzahl von Erwerbern, also bei einer Aufsplitterung eines zuvor einheitlichen Unternehmens, noch von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgegangen werden kann. Bis zu einer anderslauteten höchstrichterlichen Entscheidung sollte man sich daher auch in der Praxis der Finanzamtsauffassung anschließen.