Bargeschäfte, insbesondere in der Gastronomie, unterliegen steuerlich besonderen Aufzeichnungspflichten, da hier ein hohes Risiko für Manipulationen bei den Einnahmen besteht.
Wenn ein Restaurant vornehmlich Barumsätze generiert, erwartet das Finanzamt eine ordnungsgemäße Kassenführung mit lückenloser Dokumentation. Verstoßen Steuerpflichtige gegen diese Pflichten – etwa durch fehlende Z-Bons, mangelhafte Kassenberichte oder manipulierte Kassensysteme –, kann das Finanzamt die erklärten Umsätze verwerfen und eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen. Genau diese Problematik lag dem Verfahren zugrunde, über das das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht am 8.5.2024 unter dem Aktenzeichen 1 V 123/23 entschieden hat.
In dem entschiedenen Fall ging es um eine GmbH, die ein Buffet-Restaurant mit etwa 220 Sitzplätzen betreibt. Die Gesellschaft nutzte ein Kassensystem, das laut staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen vielfältige Möglichkeiten zur nachträglichen Manipulation bot. Dieses System wurde laut den Feststellungen regelmäßig dazu verwendet, bereits erfasste Umsätze zu löschen. Die Steuerfahndung stellte bei einer Prüfung zahlreiche gravierende Buchführungsmängel fest. So fehlten etwa Programmierprotokolle, Tagesabschlüsse (Z-Bons) waren unvollständig und für mehrere Jahre lagen keinerlei Kassenaufzeichnungen mehr vor. Darüber hinaus ergaben sich aus der Analyse der Kassendaten eindeutige Hinweise auf systematische Manipulationen – etwa durch das Löschen bestimmter temporärer Dateien, durch inkonsistente Zeitprotokolle und auffällige Buchungen auf einem sogenannten »virtuellen Tisch 99«.
Die Finanzverwaltung verwarf daher die Buchführung vollständig und nahm eine Schätzung auf Basis der amtlichen Richtsatzsammlung vor. Dabei setzte sie zugunsten der Antragstellerin einen Rohgewinnaufschlagsatz von 316 % an – ein Wert, der sich im oberen Bereich der für asiatische Restaurants typischen Spanne bewegte.
Die Restaurantbetreiberin wandte sich gegen diese Vorgehensweise, legte Einspruch ein und beantragte gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Steuerbescheide. Ihrer Ansicht nach war die Schätzung überzogen und die zugrunde gelegte Methode unrechtmäßig. Sie argumentierte unter anderem damit, dass aufgrund von hochwertigen Buffet-Angeboten, hohem Verderb und günstigen Preisen der tatsächliche Rohgewinnaufschlagsatz deutlich niedriger gelegen habe. Zur Untermauerung legte sie betriebsinterne Auswertungen aus den Jahren 2020 und 2021 vor, in denen sie einen deutlich niedrigeren Rohgewinnaufschlagsatz zwischen 160 % und 190 % ermittelte. Sie führte zudem eine sogenannte 30/70-Kalkulation auf Basis der Getränkeeinkäufe durch, nach der sich ebenfalls ein deutlich niedrigerer Rohgewinnaufschlagsatz ergeben hat.
Das Gericht wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung mit ausführlicher Begründung zurück. Es bestätigte zunächst, dass die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 162 Absatz 2 Abgabenordnung (AO) erfüllt waren. Die Buchführung sei so mangelhaft gewesen, dass sie weder formell noch materiell als Grundlage für die Besteuerung habe dienen können. Zudem sah das Gericht in der systematischen Manipulation der Kassendaten eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung. Die Wahl der Schätzungsmethode durch die Finanzbehörde sei nicht zu beanstanden gewesen. Die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung sei nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – etwa im Urteil vom 25.3.2015, Aktenzeichen X R 20/13 – eine anerkannte Methode zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei groben Mängeln in der Buchführung. Insbesondere bei Bargeschäften sei die Anwendung des äußeren Betriebsvergleichs regelmäßig geboten.
Das Gericht betonte weiterhin, dass auch der konkret gewählte Aufschlagsatz in Höhe von 316 % sachgerecht sei. Dieser Wert liege im oberen Rahmen der Richtsätze für asiatische Restaurants, was aufgrund der manipulativen Kassennutzung gerechtfertigt sei. Die Argumentation der Antragstellerin, wonach sich aus ihren internen Kalkulationen deutlich niedrigere Werte ergeben hätten, ließ das Gericht nicht gelten. Zum einen seien diese Daten aus Jahren nach dem Prüfungszeitraum und daher nicht ohne Weiteres übertragbar. Zum anderen seien auch diese Berechnungen teilweise selbst auf geschätzten Werten und Annahmen basiert und somit nicht geeignet, die ordnungsgemäße Schätzung der Finanzverwaltung ernsthaft in Zweifel zu ziehen.
Auch die durchgeführte Zeitreihenanalyse und der sogenannte Chi²-Test belegten nach Auffassung des Gerichts nicht die Vollständigkeit oder Authentizität der betriebsinternen Daten. Schließlich wies das Gericht darauf hin, dass selbst der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen X R 19/21 zwar die Grundlagen der amtlichen Richtsatzsammlung kritisch hinterfragt habe, sich daraus aber noch keine abweichende Rechtsprechung ergeben habe.
In der Gesamtwürdigung sah das Finanzgericht daher keine ernstlichen rechtlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide. Es bestätigte die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und die Wahl der Schätzungsmethode. Die Aussetzung der Vollziehung wurde somit abgelehnt.
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 8.5.2024 unter dem Aktenzeichen 1 V 123/23 verdeutlicht mit großer Klarheit, wie hoch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung – insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben wie Buffet-Restaurants – sind. Die Entscheidung liefert zugleich eine prägnante Mahnung: Wer ein manipulierbares Kassensystem einsetzt und keine revisionssichere Buchführung vorlegt, verliert nicht nur das Vertrauen der Finanzverwaltung, sondern auch das Recht auf eine wohlwollende Schätzung.
Aus Sicht der Praxis ist besonders relevant, dass das Gericht die Schätzung mittels der amtlichen Richtsatzsammlung selbst dann als zulässig bewertet, wenn der Bundesfinanzhof in einem laufenden Revisionsverfahren (X R 19/21) Bedenken hinsichtlich deren Zustandekommens geäußert hat. Solange keine gegenteilige höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, bleibt diese Methode in Fällen gravierender Mängel vollumfänglich anwendbar. Steuerpflichtige können sich also nicht darauf berufen, dass eine BFH-Revision allein schon Zweifel an der Schätzungsmethode begründet.