6. Für GmbH-Gesellschafter: Option zur tariflichen Besteuerung – Wie lange müssen die Voraussetzungen bestehen?

Meist ist es so, dass die Voraussetzungen für einen steuerlichen Antrag auch in der gesamten Zeit des Antrags bzw. in der Zeit der Wirkung des Antrags vorliegen müssen. Dies ist allerdings dann anders, wenn das Gesetz die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen für die folgenden Zeiträume nach der Antragstellung fingiert. So soll es ausweislich einer Entscheidung des Finanzgerichtes Köln vom 15.12.2020 unter dem Aktenzeichen 11 K 1048/17 mit dem Antrag auf Option zur tariflichen Besteuerung nach § 32 d Abs. 2 Nummer 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sein. Aber zunächst zur Einordnung des Streitfalls und zu den konkreten Hintergründen:

Bei Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nummer 1 Satz 1 EStG aus Anteilen einer GmbH handelt es sich um Kapitaleinkünfte, welche (sofern sie nicht unter das Subsidiaritätsprinzip des § 20 Abs. 8 EStG fallen) ausweislich von § 32 d Abs. 1 EStG grundsätzlich nach dem gesonderten Tarifeinkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 25% (zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventuell Kirchensteuer) abgeltend besteuert werden. Mit anderen Worten, die sogenannte Abgeltungsteuer kommt zum Zuge. Soweit der Grundsatz der Besteuerungsregeln.

Eine Abwandlung vom vorgenannten Grundsatz findet insbesondere nach der Regelung des § 32 d Abs. 2 Nummer 3 Buchstabe b Satz 1 EStG auf Antrag des Steuerpflichtigen statt. Diese Vorschrift ist immer dann einschlägig, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist. Entsprechend der gesetzlichen Regelung kommen dann die Verlustverrechnungsverbote innerhalb der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie auch das Werbungskostenabzugsverbot nicht mehr zum Einsatz. Insoweit kann es für Steuerpflichtige von erheblicher Bedeutung sein, dass die entsprechenden Einkünfte aus den Anteilen an der GmbH tatsächlich tariflich besteuert werden, da nur dann entsprechend damit zusammenhängende Werbungskosten auch steuermindernd berücksichtigt werden können.

Ein Blick auf die konkreten Voraussetzungen ist daher unabdingbar. So schreibt das Gesetz beispielsweise vor, dass der Antrag für die jeweilige GmbH-Beteiligung erstmals für den Veranlagungszeitraum gilt, für den er gestellt worden ist. Von zentraler Bedeutung ist jedoch auch die Regelung des § 32 d Abs. 2 Nummer 3 Satz 4 EStG. Danach ist der Antrag spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzung erneut zu belegen sind.

Exakt um diesen Satz vier ist nun ein Streit ausgebrochen, wobei es konkret um das Wort „zu belegen“ geht. Rein sprachlich ist insoweit nämlich nicht zu entnehmen, wie verfahren werden soll, wenn die Voraussetzungen nachweislich nicht mehr gegeben sind. Das Gesetz sagt hingegen nur, dass die Voraussetzungen nicht mehr neu bewiesen werden müssen. Dementsprechend vertritt die Finanzverwaltung natürlich die Auffassung, dass in den Fällen, in denen man schlicht erfahren hat, dass die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind, auch keine Option zur tariflichen Besteuerung mehr vorgenommen werden kann. Entgegen dieser Rechtsansicht des Finanzamtes hat jedoch das erstinstanzliche Finanzgericht Köln mit der oben bereits zitierten Entscheidung anders entschieden. So hat das Gericht klargestellt, dass die Möglichkeit für eine tarifliche Besteuerung der Kapitalerträge des Klägers aus seiner Beteiligung an der GmbH auch in Folgejahren vorliegt, in denen nicht mehr alle Voraussetzungen für die Option erfüllt werden. Mit anderen Worten: Der Steuerpflichtige kann auch dann noch die tarifliche Besteuerung inklusive Werbungskostenabzug in Anspruch nehmen.

Deutlich wird der Kernpunkt des vorliegenden Streitfalls an den Details des Sachverhalts. Der Kläger hatte vorliegend einen entsprechenden Antrag nach § 32 d Abs. 2 Nummer 3 Buchstabe b EStG für das Kalenderjahr 01 gestellt. Zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung war es insoweit unstrittig, dass die Voraussetzungen im Kalenderjahr 01 gegeben waren und der Steuerpflichtige seinen entsprechenden Antrag zur Ausübung des Optionsrechts für die tarifliche Besteuerung der Kapitalerträge aus seiner Beteiligung an der GmbH wirksam gestellt hatte. Insbesondere war er im Jahr 01 zu mehr als einem Prozent an der GmbH beteiligt, er war im Jahr 01 für die GmbH beruflich tätig und er hatte den erstmaligen Antrag für diese Beteiligung innerhalb der Antragsfrist gestellt. Insoweit gibt es hier noch keinen Streit.

Ebenso unstrittig ist, dass der Kläger im Jahr 02 und den Folgejahren nicht mehr für die GmbH beruflich tätig war. Weiterhin war er jedoch zu mehr als einem Prozent an der GmbH beteiligt. Das Finanzgericht sieht hierin jedoch kein Grund, dass das Optionsrecht zur tariflichen Besteuerung widerrufen werden muss. Denn das erstinstanzliche Gericht interpretiert die Gesetzesvorschrift so, dass danach die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anwendung des Optionsrechts auch für die dem Antragsjahr (Jahr 01) folgenden vier Veranlagungszeiträume fingiert werden. Der Wegfall der beruflichen Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft in einem der dem Antragsjahr folgenden vier Veranlagungszeiträume ist somit für die Fortgeltung der Option unerheblich.

Die Frage, ob die Voraussetzungen jedoch lediglich im Antragsjahr (Erstjahr 01) oder auch in den jeweiligen vier folgenden Veranlagungszeiträumen vorliegen müssen, ist durchaus streitbefangen. Dabei ist insbesondere ungeklärt, ob § 32 d Abs. 2 Satz 4 EStG für die dem Erstjahr folgenden vier Veranlagungszeiträume lediglich eine Nachweiserleichterung beinhalten. So sieht es beispielsweise das Bundesministerium der Finanzen in seinem Erlass vom 18.1.2016. Entgegen der Verwaltungsauffassung des Fiskus geht das Gericht jedoch davon aus, dass die Vorschrift im Wege der Auslegung zu handhaben ist und widerspricht dem Fiskus.

Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den er hineingestellt ist. Um den objektiven Willen des Gesetzgebers zu erfassen, können alle herkömmlichen Auslegungsmethoden herangezogen werden. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Die Gesetzesmaterialien dürfen jedoch nicht dazu führen, die Vorstellung des Gesetzgebers dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen. Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes daher nur insoweit berücksichtigt werden, als er in seinem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die gesetzliche Regelung dahin zu verstehen ist, dass die Voraussetzungen für das Optionsrecht lediglich im Antragsjahr vorliegen müssen und der Wegfall der beruflichen Tätigkeit für die Kapitalgesellschaft in einem der dem Antrag folgenden vier Veranlagungszeiträume für die Fortgeltung der Option unerheblich ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die vorliegende Option werden in den vier auf das Erstjahr folgenden Veranlagungszeiträumen fingiert, sodass auch in diesen Jahren die tarifliche Einkommensteuer samt der (in der Praxis meist wichtigeren) Möglichkeit des Werbungskostenabzugs gegeben sind.

Weil die höchstrichterliche Rechtsprechung gerade dies jedoch bisher noch nicht geklärt hat, war die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Wie nicht anders zu erwarten, hat die Finanzverwaltung auch den Revisionszug bestiegen, sodass unter dem Aktenzeichen VIII R 2/21 schließlich die obersten Finanzrichter der Republik zu entscheiden haben, ob vorliegend die tarifliche Besteuerung (inklusive sämtlicher Folgen) auch für Folgejahre gilt, in denen die Voraussetzungen für den Antrag selber nicht mehr gegeben sind.

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Aus unserer Sicht ist die Entscheidung des Finanzgerichtes Köln durchaus logisch und zudem auch zielführend. Betroffene sollten daher in ähnlich gelagerten Fällen unbedingt den Streitfall offenhalten und auf das Musterverfahren vor dem Bundesfinanzhof sowie auf die positive Entscheidung der Kölner Richter verweisen.