9. Für GmbH-Gesellschafter: Gestaltungsmöglichkeiten aus einer gespaltenen Gewinnverwendung

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Gemäß einer viel beachteten Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 28.9.2021 unter dem Aktenzeichen VIII R 25/19 ist ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerrechtlich anzuerkennen. Das Besondere an dieser Entscheidung, was auch insbesondere in der Praxis durchaus zu erheblichem Gestaltungspotenzial führen kann, ist, dass eine solche Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen auch beim beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nummer 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) führt.

Zukünftig ist es also ohne Probleme möglich, dass bei einer mehrgliedrigen Kapitalgesellschaft ein Ausschüttungsbeschluss getroffen wird, wobei nur derjenige die Ausschüttung tatsächlich erhält (und nur der diese auch versteuern muss), der dies wünscht. Die anderen Gesellschafter können ihren Gewinnanteil in einer gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage sozusagen parken und ersparen sich damit die Ausschüttungsbelastung. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes und auch der Meinung des erstinstanzlichen Gerichtes subsumiert der Bundesfinanzhof diese Auffassung wie folgt:

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören insbesondere auch Gewinnanteile, sogenannte Dividenden, und sonstige Bezüge aus Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (kurz GmbH). Gewinnanteil in diesem Sinne ist der Anteil an dem offen ausgeschütteten Gewinn der Gesellschaft, der dem Gesellschafter aufgrund seines Gewinnbezugsrechts zugewendet wird. Erfasst werden durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste ausgeschüttete Leistungen, also weder thesaurierte Anteile am Gewinn noch Leistungen, die zu einer Minderung der Anschaffungskosten der Beteiligung führen. Eine offene Gewinnausschüttung ist daher gegeben, wenn und insoweit der Ausschüttung ein Gewinnverwendungsbeschluss zugrunde liegt.

Während die Gesellschafter im Gewinnverwendungsbeschluss darüber entscheiden, ob bzw. inwieweit der Gewinn der GmbH thesauriert oder ausgeschüttet wird, bestimmen sie im Rahmen der Gewinnverteilung, ob der auszuschüttende Gewinn den Gesellschaftern gemäß ihren Geschäftsanteilen zusteht oder ob er anteilsabweichend verteilt wird. Dabei spricht man von der sogenannten disquotalen bzw. inkongruenten Gewinnverteilung.

Entscheiden die Gesellschafter im Rahmen der Gewinnverwendung, dass der Gewinn insgesamt oder zum Teil thesauriert wird, kann dieser in eine (allgemeine) Gewinnrücklage eingestellt oder als Gewinn vorgetragen werden. So sieht es das GmbH-Gesetz in § 29 Abs. 2 GmbHG vor. Die Gesellschafter einer GmbH können im Rahmen der Gewinnverwendung auch beschließen, dass nur die Anteile bestimmter Gesellschafter am Gewinn ausgeschüttet werden, während die Anteile anderer Gesellschafter am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern in gesellschafterbezogene Gewinnrücklagen eingestellt werden. Dabei spricht man von der sogenannten gespaltenen bzw. inkongruenten Gewinnverwendung.

Für spätere Ausschüttungen aus einer solchen gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage, die als Unterkonto der Gewinnrücklagen geführt wird, ist erneut ein Beschluss über die Gewinnverwendung zu fassen. Der Gewinn wird in diesem Fall regelmäßig an denjenigen Gesellschafter verteilt, dem die betreffende Rücklage zuzurechnen ist. Auf diesem Weg ist es möglich, den Anteil eines Gesellschafters am Gewinn in der Gesellschaft zu belassen und erst in späteren Jahren an diesen Gesellschafter auszuschütten. Kurz könnte man dies als zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung bezeichnen. Der zunächst entstehende Effekt der „zeitlich disquotalen“ Gewinnausschüttung wird bei einer späteren inkongruenten Ausschüttung aus der gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage gegebenenfalls ganz oder teilweise ausgeglichen.

Derart gespaltene Gewinnverwendungen sind gesellschaftsrechtlich zulässig, wenn sie nach der Satzung der GmbH möglich sind und die Gesellschafter wirksam einen entsprechenden Beschluss fassen.

Ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nachdem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, ist (ebenso wie eine zivilrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommene inkongruente Gewinnausschüttung in Gestalt einer anteilsabweichenden Verteilung des Gewinns) grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen. Wie bei einer vollständigen Thesaurierung besteht kein Grund, den Beschluss der Gesellschafter über eine partielle, nach Gesellschaftern differenzierende Thesaurierung steuerlich nicht anzuerkennen. Ein solcher Grund ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass keine allgemeine, sondern eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage gebildet wird.

Besonders erfreulich an der Entscheidung ist weiter, dass die obersten Finanzrichter der Republik auch direkt erwähnen, dass ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten aufgrund der Regelung des § 42 der Abgabenordnung (AO) nicht vorliegt. Die Tatsache, dass Ausschüttungen an alle Gesellschafter möglich gewesen wären, genügt nicht, um den zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschlüssen die steuerrechtliche Anerkennung zu versagen, so der Bundesfinanzhof wortwörtlich in der vorliegenden Entscheidung.

Die partiellen Gewinnthesaurierungen dienen der Innenfinanzierung bzw. der Selbstfinanzierung und beruhen auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen. Es ist weder untypisch noch unangemessen, dass Gesellschafter unterschiedliche Interessen an der Ausschüttung von Gewinnen haben und die Gesellschafterversammlung demgemäß entscheidet, dass nur bestimmte Gesellschafter Ausschüttungen erhalten, während der Gewinn im Übrigen vorerst einbehalten wird.

Danach führt ein gesellschaftsrechtlich zulässiger und steuerlich anzuerkennender Beschluss über die gespaltene bzw. inkongruenten Gewinnverwendung nicht zu Gewinnausschüttungen an den Gesellschafter, dessen Anteil am Gewinn thesauriert wird, und insoweit auch nicht zum Zufluss eines Gewinnanteils.

Der Bundesfinanzhof sieht die Sache daher für spruchreif und für vollkommen eindeutig an. Die Gesellschafter der GmbH haben jeweils eine gespaltene Gewinnverwendung und damit in zeitlicher Hinsicht inkongruente Gewinnausschüttungen beschlossen. Sie haben im Einklang mit ihrer Satzung (und damit zivilrechtlich wirksam) ausdrücklich eine „vom Verhältnis der Geschäftsanteile der Gesellschafter abweichende Gewinnausschüttung“ bestimmt und entschieden, dass die Minderheitsgesellschafter an der Gewinnausschüttung teilnehmen, während der jeweilige Anteil des Klägers am Gewinn nicht ausgeschüttet, sondern der personenbezogenen Rücklage zugeführt wird. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist den Gesellschafterbeschlüssen nicht zu entnehmen, dass das Jahresergebnis insgesamt zur Auszahlung kommen soll. Soweit eine Thesaurierung im Wege der Einstellung in eine personenbezogene Gewinnrücklage erfolgt ist, ist der Gewinn im Eigenkapital der jeweiligen Gesellschaft verblieben, wie der entsprechende finanzielle Ausweis bestätigt.

Damit lässt das oberste Finanzgericht der Republik keinen Zweifel daran, dass die zivilrechtlich wirksamen Gesellschafterbeschlüsse auch steuerlich anzuerkennen sind. Auch die Tatsache, dass es sich im vorliegenden Fall um einen beherrschenden Gesellschafter handelte, steht nach Ansicht des Bundesfinanzhofs der Anerkennung nicht entgegen.

Die Einstellung des auf den beherrschenden Gesellschafter entfallenden Anteils am Gewinn in seiner gesellschafterbezogenen Gewinnrücklage führt nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen. Dies folgt bereits daraus, dass auch bei einem beherrschenden Gesellschafter der Beschluss, den Gewinn in Eigenkapital in eine gesellschafterbezogen Gewinnrücklage zu thesaurieren, zur Folge hat, dass er insoweit keinen Gewinnanteil bezieht.

Zum Abschluss seiner Urteilsgründe führt der Bundesfinanzhof sogar noch aus, dass die Ausschüttung eines Gewinnanteils oder eines sonstigen Bezugs auch nicht fingiert werden kann, auch wenn der Fiskus dies sicherlich gerne hätte. Zum einen widerspreche dies der steuerlichen Anerkennung der vorliegenden Beschlüsse über die gespaltene bzw. inkongruente Gewinnverwendung. Zum anderen ist in Höhe des dem jeweiligen Rücklagenkonto zugewiesenen Betrags kein konkreter, auszahlbarer Gewinnanspruch des Klägers entstanden. Der Auszahlungsanspruch entsteht vielmehr erst durch den auf Ausschüttung gerichteten Gewinnverwendungsbeschluss. Da ein solcher nicht gefasst wurde, hat der Gesellschafter gegen die Gesellschaft keine Forderung erlangt, die er aufgrund seiner beherrschenden Stellung jederzeit hätte realisieren können. Der Anteil des Klägers am Gewinn wurde in den Jahresabschlüssen daher zu Recht nicht als Fremdkapital, sondern als Eigenkapital in Form einer Gewinnrücklage ausgewiesen.

Nicht zuletzt erkennt der Bundesfinanzhof die Vorgehensweise an, weil in der Praxis natürlich auch ein Problem damit verbunden ist. Trotz der Stellung als beherrschende Gesellschafter und obgleich für einen erneuten Gewinnverwendungsbeschluss über die Ausschüttung des thesaurierten Betrags nur eine einfache Stimmenmehrheit erforderlich ist, kann der beherrschende Gesellschafter nicht sicher sein, dass er die Ausschüttung der in seinen Rücklagen thesaurierten Gewinne zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich durchsetzen kann. So kann die Realisierung der Ausschüttung aus der personenbezogenen Rücklage im Verlustfall schlimmstenfalls zur Gänze unmöglich werden.

Trotz der Problematik der zukünftigen Verluste bildet die Entscheidung den Boden für in der Praxis wertvolle Gestaltungen. Mit Blick auf die Verluste wird es dabei häufig so sein, dass der beherrschende Gesellschafter auch der Geschäftsführer ist und er sehr gut überblicken kann, ob die Gefahr von Verlusten überhaupt besteht oder in welchem Maße sie besteht. Insoweit kann dieses Risiko klein gehalten werden.

Auf der anderen Seite bietet die Regelung jedoch erhebliche Vorteile. So kann die Ausschüttungsbelastung verhindert werden und zudem durch die Einstellung in die personenbezogene Gewinnrücklage die Bilanz gestärkt werden.

Wir gehen daher davon aus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von entsprechenden Gestaltungen reger Gebrauch gemacht wird.