Entsprechend der gesetzlichen Regelungen im Einkommensteuergesetz wird für ein Kind, welches das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, Kindergeld unter anderem dann gewährt, wenn das Kind für einen Beruf ausgebildet wird. Ebenso wird Kindergeld gewährt, wenn eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht begonnen oder fortgesetzt werden kann oder aber das Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
In einer Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind.
Dabei werden Ausbildungsmaßnahmen zwar einerseits durch eine Einschreibung an einer Schule oder Hochschule oder einen Ausbildungsvertrag mit einem Ausbildungsbetrieb indiziert. Andererseits genügt aber das rein formale Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses nicht, wenn es an einer ernsthaften und nachhaltigen Ausbildungsmaßnahme fehlt. So auch bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 18.1.2018 unter dem Aktenzeichen III R 16/17. Soweit nämlich Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, liegt keine Berufsausbildung vor. Auch dies hat bereits einmal der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 3.7.2014 unter dem Aktenzeichen III R 52/13 klargestellt.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 15.7.2003 unter dem Aktenzeichen VIII R 47/02 für den Fall zugelassen, dass die Ausbildung infolge einer Erkrankung oder wegen der Schutzfristen vor und nach der Entbindung entsprechend dem Mutterschutzgesetz unterbrochen wird. Gleiches hat der Bundesfinanzhof für den Fall angenommen, dass das Kind während eines Ausbildungsverhältnisses in Untersuchungshaft genommen oder wegen eines laufenden Strafverfahrens im Ausland mit einem Ausreiseverbot belegt wird. Letzteres geht aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.7.2006 unter dem Aktenzeichen III R 69/04 hervor.
Vorausgesetzt wurde insoweit jedoch, dass das Kind einen Ausbildungsplatz hat und auch ausbildungswillig ist. Wurde das Ausbildungsverhältnis hingegen beendet, indem das Kind beispielsweise von der Schule abgemeldet wurde oder der Ausbildungsvertrag einvernehmlich aufgehoben oder einseitig gekündigt wurde, fehlt es schon am formalen Fortbestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Die tatsächliche Durchführung von Ausbildungsmaßnahmen ist dann nicht mehr wegen der Erkrankung oder der Mutterschutzfristen, sondern wegen des Wegfalls des Ausbildungsverhältnisses ausgeschlossen. Dementsprechend kommt eine Berücksichtigung entsprechend den einkommensteuerlichen Vorschriften in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr in Betracht, soweit eine Ausbildung infolge einer Erkrankung nicht unterbrochen, sondern abgebrochen wurde.
Auch die Alternative des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c EStG, wonach die Berücksichtigung als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, noch möglich ist, hat weitere Voraussetzungen. So ist es hier unabdingbar, dass der Beginn der Ausbildung nicht an anderen Umständen als dem Mangel eines Ausbildungsplatzes scheitert. Es ist zwar grundsätzlich jeder Ausbildungswunsch des Kindes zu berücksichtigen, seine Verwirklichung darf jedoch nicht an den persönlichen Verhältnissen des Kindes scheitern. Das Kind muss die Ausbildungsstelle im Fall des Erfolges seiner Bemühungen antreten können. In der Person des Kindes liegende Gründe, welche der Aufnahme einer Berufsausbildung entgegenstehen, liegen hingegen vor, wenn ein Kind nicht die Voraussetzung für den angestrebten Studiengang erfüllt oder wenn ausländerrechtliche Gründe einer Berufsausbildung entgegenstehen. Ein Kind ist auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn es seine Ausbildung wegen Übergewichts nicht antreten kann, wie bereits der Bundesfinanzhof in einem Beschluss vom 8.11.1999 unter dem Aktenzeichen VI B 322/98 klargestellt hat. Dagegen ist es für den Bezug von Kindergeld ausnahmsweise unschädlich, wenn das Kind die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz unterbricht.
Ist ein Kind also aus Krankheitsgründen gehindert, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben oder diesen im Falle der erfolgreichen Bewerbung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn anzutreten, kommt eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung nur unter eingeschränkten Voraussetzungen in Betracht.
Zunächst muss es sich regelmäßig um eine vorübergehende Krankheit handeln. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Notwendigkeit, die von der gesetzlichen Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe c EStG erfassten Fälle von denen unter Nummer 3 der Regelung fallenden Fälle abzugrenzen. Letztere Bestimmung erfordert zum einen eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung, die nach den maßgeblichen Legaldefinitionen eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate dauernde Beeinträchtigung voraussetzt. Zweck dieses Kriteriums ist es, vorübergehende Gesundheitsstörungen aus dem Behindertenbegriff auszuschließen und damit nur Beeinträchtigungen eines bestimmten Schweregrades zu erfassen. Zum anderen werden Kinder mit einer Behinderung nur dann berücksichtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten, was eine Prüfung des Bedarfs des Kindes und der diesem zur Verfügung stehenden Mittel erfordert. Insoweit lässt sich der gesetzgeberische Wille erkennen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Erkrankung des Kindes eine typische Unterhaltssituation, die zur steuerlichen Berücksichtigung des Kindes führt, nicht allein aufgrund der Erkrankung angenommen werden darf, sondern darüber hinaus die Feststellung eines konkreten Unterhaltsbedarfs erforderlich ist. Die Wertung des Gesetzgebers würde aber umgegangen, wenn längerfristig erkrankte Kinder auch erfasst werden könnten, ohne dass eine solche Bedarfsprüfung stattfindet. Gerade bei längerfristig erkrankten Kindern ist nicht ausgeschlossen, dass Sozialleistungen in Anspruch genommen werden, die einen Unterhaltsbedarf ausschließen.
Werden die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder die Aufnahme einer Ausbildung daher durch eine Krankheit verhindert, darf die berücksichtigungsfähige gesundheitliche Beeinträchtigung regelmäßig mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern. Dabei ist nicht die rückblickend seit Beginn der Erkrankung oder gar seit ihrer erstmaligen Feststellung tatsächlich abgelaufene Zeit, sondern die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung maßgebend.
Des Weiteren ist erforderlich, dass die Ausbildungsfähigkeit des Kindes für den entsprechenden Anspruchszeitraum nachgewiesen wird. So setzt der Berücksichtigungszeitraum bei einem gesunden Kind voraus, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist zudem glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungswillig gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als Auszubildender gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungsfähigkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Kinder, die bereits volljährig sind, haben dabei mitzuwirken. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungsinhalte des Kindes zu treffen.
Obwohl das Kindergeld monatlich entsteht und deshalb die Anspruchsvoraussetzungen in jedem Monat gegeben sein müssen, braucht nicht zwingend für jeden Monat ein erneuter Nachweis vorgelegt zu werden, der das Bemühen um einen Ausbildungsplatz dokumentiert. Es ist daher nicht erforderlich, dass sich das Kind jeden Monat erneut um eine Ausbildungsstelle bewirbt, solange über die bisherigen Bewerbungen noch nicht entschieden ist. Allerdings wird spätestens nach Ablauf von drei Monaten eine Parallelbewerbung erforderlich, wenn das Kind innerhalb dieses Zeitraums keine Absage erhalten hat.
Auch die Ausbildungswilligkeit eines wegen vorübergehender Erkrankung an Bemühungen um einen Ausbildungsplatz oder an der Aufnahme einer Ausbildung gehinderten Kindes ist ebenfalls für die Monate, für die der Kinderanspruch geltend gemacht wird, zu belegen. Als Nachweis kommt etwa die von der Verwaltung geforderte schriftliche Erklärung, sich unmittelbar nach Wegfall der gesundheitlichen Hinderungsgründe um eine Berufsausbildung zu bemühen, sie zu beginnen oder fortzusetzen in Betracht. Allerdings muss auch betont werden, dass der sogenannte Untersuchungsgrundsatz keine Beschränkung auf dieses Beweismittel zulässt. Denkbar sind daher auch alle anderen Nachweise, etwa dergestalt, dass das Kind während der Erkrankung mit der früheren Ausbildungseinrichtung in Kontakt getreten ist und sich konkret über die Wiederaufnahme der Ausbildung nach dem voraussichtlichen Ende der Krankheit informiert hat. Ebenso ist denkbar, dass das Kind sich an eine neue Ausbildungseinrichtung oder die Ausbildungsvermittlung der Agentur für Arbeit mit dem Ziel gewandt hat, eine Ausbildung zwar noch nicht zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn, aber doch jedenfalls am Ende der Erkrankung aufzunehmen.
Regelmäßig nicht ausreichend für eine Kindergeldberechtigung wird es dagegen sein, wenn der Kindergeldberechtigte die Familienkasse zunächst unter Verstoß gegen seine Mitwirkungspflicht nicht über den krankheitsbedingten Abbruch einer Ausbildung oder der Bemühungen um eine Ausbildungsstelle informiert, der Familienkasse damit die Möglichkeit der zeitnahen Anforderung eines Nachweises der Ausbildungswilligkeit nimmt und die Ausbildungswilligkeit des volljährigen Kindes erst im Nachhinein rückwirkend pauschal behauptet wird. Denn in einem solchen Fall kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kind während der Erkrankung seinen Ausbildungswillen aufgegeben und sich beispielsweise für die Aufnahme einer regulären Erwerbstätigkeit oder eines freiwilligen Dienstes entschieden hat. In den letztgenannten Fällen wäre die Wartezeit bis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit oder des freiwilligen Dienstes im Gegensatz zur Wartezeit bis zur Aufnahme der Ausbildung nicht von den zum Kindergeld berücksichtigenden Tatbeständen erfasst.
Wie wichtig es ist, sich an dieser Stelle an die Spielregeln der Finanzverwaltung zu halten, zeigt insoweit die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 31.8.2021 unter dem Aktenzeichen III R 41/19. In diesem Streitfall konnten nämlich keine genaueren Feststellungen dazu getroffen werden, welcher Art die Erkrankung des Kindes ist. Auch fehlten nähere Feststellungen dazu, ob die nach der Art der Krankheit zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht länger als sechs Monate andauern würde. Schließlich lassen sich die tatsächlichen Feststellungen zur Frage der Ausbildungswilligkeit nicht dahingehend deuten, dass eine solche tatsächlich bestanden hat. Im Ergebnis hat daher der Bundesfinanzhof die Kindergeldberechtigung für die fraglichen Zeiträume verworfen.