8. Für Unternehmer: Zum Vorsteuerabzug einer Funktionsholding

Mandantenbrief WBS Gruppe

Mit Urteil vom 19.04.2018 hatte das Niedersächsische Finanzgericht unter dem Aktenzeichen 5 K 285/16 entschieden, dass das Erbringen von Sachleistungen als Gesellschaftsvertrag Teil der unternehmerischen Tätigkeit der aktiven Beteiligungsverwaltung einer Funktionsholding ist und hatte somit den Vorsteuerabzug auf Ebene der Holding zugelassen. Diese Entscheidung ist nun Jahre später durch den Bundesfinanzhof leider gekippt worden.

Zum Hintergrund: Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetz (UStG) kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Diese Vorschrift beruht auf Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft (MwStSystRL), wonach der Steuerpflichtige berechtigt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung ist eine Holdinggesellschaft, deren einziger Zweck der Erwerb von Beteiligungen an anderen Unternehmen ist, ohne dass sie (unbeschadet ihrer Rechte als Aktionärin oder Gesellschafterin) unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, keine Mehrwertsteuerpflichtige im Sinne von Art. 9 MwStSystRL und somit nicht zum Vorsteuerabzug nach Art. 167 ff. MwStSystRL berechtigt. Der bloße Erwerb und das bloße Halten von Aktien stellen für sich genommen keine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der MwStSystRL dar, die den Erwerber bzw. Inhaber zum Steuerpflichtigen machen würde, da diese Vorgänge nicht die Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen beinhalten, weil das einzige Entgelt aus ihnen in einem etwaigen Gewinn beim Verkauf dieser Aktien liegt.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die finanzielle Beteiligung an einem anderen Unternehmen unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner in seiner Eigenschaft als Aktionär oder Gesellschafter zustehen, mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaft einhergeht, an der die Beteiligung begründet worden ist. Der Begriff »Eingriff einer Holding in die Verwaltung ihrer Tochtergesellschaft« ist dahin zu verstehen, dass er alle Umsätze umfasst, die eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Mehrwertsteuerrichtlinie darstellen und von der Holding für ihre Tochtergesellschaft erbracht werden, soweit ein solcher Eingriff als Umsatz gemäß Art. 2 MwStSystRL der Mehrwertsteuer unterliegt, wie beispielsweise die entgeltliche Erbringung von administrativen, buchführerischen, finanziellen, kaufmännischen, der Informatik zuzuordnenden oder technischen Dienstleistungen.

Insoweit hat das erstinstanzliche Finanzgericht nach Auffassung des Bundesfinanzhofs zu Unrecht angenommen, dass die Erbringung von Sachleistungen als Gesellschafterbeitrag Teil der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin sei. Die streitigen Eingangsleistungen der Klägerin stehen weder in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen der Klägerin noch gehören sie zu den allgemeinen Aufwendungen der Klägerin und sind als solche Kostenelemente der von ihr erbrachten Dienstleistungen. Sie stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu den überwiegend steuerfreien Umsätzen der Tochtergesellschaften. Aus diesen Gründen kommt der Bundesfinanzhof zu dem Schluss, dass die Vorentscheidung aufzuheben ist.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein Vorsteuerabzug unter anderem voraus, dass die Eingangsleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht werden. Diese Zweckbestimmung erfordert grundsätzlich einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen. Zugunsten des Steuerpflichtigen wird aber nach ständiger Rechtsprechung auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen ein Vorsteuerabzug auch dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und als solche Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen.

Der Europäische Gerichtshof hat im Urteil vom 8.9.2022 unter dem Aktenzeichen C-98/21 in Rz 47 bis 49 allgemein zum Zusammenhang zwischen den Eingangsleistungen und Ausgangsleistungen des Steuerpflichtigen ausgeführt:

»In beiden Fällen [Bestehen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zum Ausgangsumsatz/zu den Ausgangsumsätzen bzw. Zugehörigkeit zu den allgemeinen Aufwendungen] ist es erforderlich, dass die Kosten der Eingangsgegenstände oder -leistungen jeweils Eingang in den Preis bestimmter Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit liefert bzw. erbringt […].

Wenn hingegen von einem Steuerpflichtigen bezogene Gegenstände oder Dienstleistungen mit steuerbefreiten Umsätzen zusammenhängen oder nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen.

Der Gerichtshof hat außerdem klargestellt, dass das Bestehen von Zusammenhängen zwischen Umsätzen anhand des objektiven Inhalts dieser Umsätze zu beurteilen ist. Dies bedeutet insbesondere, dass alle Umstände zu berücksichtigen sind, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen sind, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen […]. Maßgebend sind nach der Rechtsprechung dementsprechend die tatsächliche Verwendung der vom Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände und Dienstleistungen […] und der ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes, da dieser als ein Kriterium für die Bestimmung des objektiven Inhalts anzusehen ist […].«

Auf Basis des vorgenannten Urteils hat daher der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 15.2.2023 unter dem Aktenzeichen XI R 24/22 leider klargestellt, dass einer Holdinggesellschaft der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen zu versagen ist, die

  • nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit von der Holding erbrachten steuerpflichtigen Dienstleistungen, sondern mit von ihr als Gesellschafterbeitrag geschuldeten unentgeltlichen Dienstleistungen stehen,
  • nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den Umsätzen Dritter (der Tochtergesellschaften) stehen,
  • in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und
  • nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören.