Der folgende Beitrag zeigt, wie wichtig es ist, gerade im Steuerrecht beim Streit mit dem Finanzamt auch die verfahrensrechtlichen Regeln zu kennen. Dies gilt insbesondere auch in Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten, wenn gegen den Bescheid vorgegangen werden soll. Wie eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 14.12.2021 unter dem Aktenzeichen VIII R 16/20 zeigt, sind dabei nämlich besondere Knackpunkte zu beachten.
So hat der Bundesfinanzhof in seiner oben zitierten Entscheidung geurteilt: Erhebt im Falle einer Zusammenveranlagung nur ein Ehegatte Klage gegen den Einkommensteuerbescheid und wird der Bescheid gegenüber dem anderen Ehegatten bestandskräftig, kann dem klagenden Ehegatten nicht allein deswegen die Klagebefugnis und das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden, weil die festgesetzte Steuer schon entrichtet ist und ein Aufteilungsbescheid nicht mehr beantragt werden kann.
Was genau hinter dieser Entscheidung steckt, zeigt sich in der Begründung der obersten Finanzrichter der Republik. Werden nämlich Steuerpflichtige zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, sind sie Gesamtschuldner. Dies geht aus der gesetzlichen Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) hervor. Schulden mehrere Steuerpflichtige eine Steuer als Gesamtschuldner, kann gegen sie ein zusammengefasster Steuerbescheid erlassen werden. Ein in der Form des zusammengefassten Steuerbescheids ergangener Zusammenveranlagungsbescheid enthält jedoch zwei inhaltlich und verfahrensrechtlich selbstständige, nur der äußeren Form nach zusammengefasste Steuerverwaltungsakte, die ein unterschiedliches verfahrensrechtliches Schicksal haben können. Dies haben die obersten Richter des Bundesfinanzhofs bereits in einer Entscheidung vom 28.7.2005 unter dem Aktenzeichen III R 48/03 herausgearbeitet, und es gilt auch allgemein als vollkommen unstrittig.
Vereinfacht gesagt kann man es sich schlicht so vorstellen, dass man zwar nur ein Papier erhält, auf diesem Papier befinden sich jedoch mehrere Bescheide bzw. verfahrensrechtlich korrekt gesagt mehrere Verwaltungsakte. Verfahrensrechtlich sind zusammen veranlagte Ehegatten daher zwei getrennte Steuerschuldner. Auch dies hat bereits der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 20.11.2013 unter dem Aktenzeichen X R 7/11 erarbeitet, und es ist vollkommen unstrittig.
Aus der Eigenständigkeit jedes einzelnen Ehegatten in verfahrensrechtlicher Hinsicht folgt, dass ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs hat. Auch wenn man annehmen könnte, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er legt den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein. So zu entnehmen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 20.12.2006 unter dem Aktenzeichen X R 38/05.
Auf Basis dieser Grundsätze ist bei dem vorliegend entschiedenen Streitfall die Auslegung korrekt, wonach die Klage nur im eigenen Namen des Klägers nicht zugleich im Namen seines Ehegatten erhoben wurde.
Im vorliegenden Fall war es zwar sogar so, dass sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau Einspruch gegen die Einkommensteuerbescheide für die maßgeblichen Streitjahre eingelegt haben. Dementsprechend wurden bei der Einspruchsentscheidung auch beide Eheleute als Inhaltsadressaten aufgeführt. Vorliegend kam es nun jedoch so, dass der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz ausdrücklich nur im Namen des Klägers (vorliegend des Ehemannes) Klage erhoben hat. Tatsächlich hat er zwar in der Klagebegründung auch den Namen der Ehefrau des Klägers in der Betreffzeile genannt und auch eine von der Ehefrau unterschriebene Prozessvollmacht bei Gericht eingereicht. Demgegenüber hatte er jedoch auf Nachfrage des Finanzgerichtes einwandfrei klargestellt, dass die Klage von dem Kläger geführt werde, und dabei darauf hingewiesen, dass in der Streitsache ausschließlich die Einkünfte des Klägers, nicht auch die seiner Ehefrau, betroffen sind.
Ein großes Problem dieses Sachverhaltes war daher, dass diese Aussage nicht von einem steuerlich nichtkundigen Bürger getroffen wurde, sondern von dem Prozessbevollmächtigten der Steuerpflichtigen. Vor dem Hintergrund, dass es ein Gebot der Rechtssicherheit darstellt, Rechtskundige, wie Angehörige der steuerberatenden Berufe (also Steuerberater) oder Rechtsanwälte mit ihren Verfahrenserklärungen grundsätzlich beim Wort zu nehmen, ist das Finanzgericht deshalb vollkommen zu Recht davon ausgegangen, dass die Klage nicht im Namen der Ehefrau des Klägers erhoben wurde. Insoweit hatte bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 14.6.2016 unter dem Aktenzeichen IX R 11/15 wiederholt klargestellt, dass man bei der Aussage eines Steuerberaters oder Anwalts nicht davon auszugehen braucht, dass dieser sich irrt, sondern dass dieser vielmehr genau das meint, was er sagt.
Im vorliegenden Sachverhalt konnte auch nicht angenommen werden, dass der Kläger im eigenen Namen Klage gegen die seiner Ehefrau gegenüber ergangenen Steuerfestsetzungen erhoben hat. Für eine solche Prozessstandschaft, bei der der Kläger als Sachverwalter die Rechte seiner Ehefrau im eigenen Namen geltend machen könnte, ist im Finanzgerichtsprozess kein Raum. Auch dies haben bereits die obersten Richter in einer Entscheidung vom 11.4.1991 unter dem Aktenzeichen V R 86/85 herausgearbeitet, wobei der vorliegend nicht einschlägige Sonderfall des § 48 Abs. 1 Nummer 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) davon ausgenommen ist. Der Grund für diese strenge Auslegung ist, dass die Klagebefugnis ausschließlich an die Verletzung eigener, gesetzlich begründeter Rechte durch den angefochtenen Verwaltungsakt anknüpft.
Insoweit kann als Zwischenfazit gezogen werden, dass bei Erhebung der Klage Vorsicht geboten ist, für wen tatsächlich geklagt wird!
Im vorliegenden Fall ging der Steuerstreit jedoch noch ein wenig weiter. So ging das erstinstanzliche Finanzgericht sogar davon aus, dass aufgrund der Bestandskraft bei der Ehefrau (mangels Klageerhebung) auch die Klagebefugnis des Ehemanns verwirkt sei. Dies ist jedoch vollkommen falsch, wie der Bundesfinanzhof in der vorliegenden Entscheidung erfreulicherweise darlegt.
Die hier vorliegende Anfechtungsklage ist nämlich nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Verletzung eigener Rechte muss auf der Grundlage des Klagevorbringens möglich erscheinen. Dies ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Klägers verletzt sein können, wie der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 10.10.2007 unter dem Aktenzeichen VII R 36/06 geurteilt hat.
Danach ist folglich die Klagebefugnis des Klägers gegeben, denn dieser hatte geltend gemacht, die Einkommensteuer sei in den Streitjahren aufgrund des unzutreffenden Ansatzes seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen rechtswidrig zu hoch festgesetzt worden, wodurch er in seinen Rechten verletzt werde. Anhaltspunkte dafür, dass die von dem Kläger angestrebte Minderung der Einkommensteuer offensichtlich und von vornherein ausscheidet, konnte der Bundesfinanzhof nicht erkennen. Die Klagebefugnis des Ehemanns entfällt auch nicht deshalb, weil die gegenüber der Ehefrau des Klägers ergangene Einkommensteuerfestsetzung bereits bestandskräftig geworden ist und der Kläger für die hieraus resultierende Einkommensteuer gesamtschuldnerisch haftet. Denn ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger und seine Ehefrau gemeinsam als Steuerpflichtige behandelt werden, bleiben sie verfahrensrechtlich unterschiedliche Rechtssubjekte. Steuerschuldner und Adressat der Einkommensteuerfestsetzung ist immer noch jeder Ehegatte für sich allein. Ob eine Verletzung eigener Rechte im Sinne der Anfechtungsklage möglich erscheint, beurteilt sich daher ausschließlich nach der gegenüber dem jeweiligen Ehegatten festgesetzten Einkommensteuer, bei der es sich insoweit um einen verfahrensrechtlich selbstständigen Steuerverwaltungsakt handelt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Klagebefugnis entfällt, wenn eine geänderte Einkünfteaufteilung zwischen zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten keine steuerrechtliche Auswirkung mehr haben kann, weil ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld wegen vollständiger Tilgung der rückständigen Steuer nicht mehr in Betracht kommt. Denn die Zuerkennung der Klagebefugnis beruht in einem solchen Fall darauf, dass der Ehegatte bei einer Aufteilung der Einkommensteuerschuld allein durch die fehlerhafte Zurechnung der Einkünfte beschwert sein kann, auch wenn sich dadurch die Höhe der festgesetzten Gesamtsteuerschuld nicht ändert. Dementsprechend kommt es zum Wegfall der Beschwer, wenn eine Aufteilung der Einkommensteuerschuld nicht mehr zulässig ist, weil dann nicht mehr die Möglichkeit besteht, aufgrund der Festsetzung der Einkommensteuerschuld einen irgendwie denkbaren Nachteil zu erleiden. Aus dieser Tatsache kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Klagebefugnis des allein gegen den Einkommensteuerbescheid klagenden Ehegatten auch dann fehlt, wenn er eine Verminderung der ihm gegenüber festgesetzten Einkommensteuer begehrt und dies damit begründet, dass seine eigenen Einkünfte zu hoch angesetzt worden seien.
Zu guter Letzt führt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung noch aus, dass vorliegend auch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben war.
Alles in allem zeigte die Entscheidung, dass die kleinen Formalien bei Erhebung eines Rechtsbehelfes häufig extrem wichtig sind, damit dieser (wie vorliegend im Fall der Ehefrau) nicht an Kleinigkeiten scheitert.