3. Für alle Steuerpflichtigen: Wie sieht es nun mit der Steuerermäßigung für Handwerkerleistung bei statischen Berechnungen aus?

Seinerzeit hatte das erstinstanzliche Finanzgericht Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 4.7.2019 unter dem Aktenzeichen 1 K 1384/19 geurteilt, dass gutachterliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel Tätigkeiten, die der Wertermittlung dienen, die Erstellung eines Energiepasses oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Finanzierung, grundsätzlich keine Handwerkerleistungen darstellen, für die man eine Steuerermäßigung im Sinne des § 35a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erhalten kann.

Davon abgrenzend stellten die erstinstanzlichen Richter jedoch auch entgegen anderen erstinstanzlichen Kollegen klar: Sollen schadhafte Holzpfosten, die das Dach des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Hauses stützen, durch Stahlstützen ersetzt werden und verlangt die beauftragte Firma eine statische Berechnung der einzusetzenden Stahlpfosten, so gehören die Aufwendungen für die von einer anderen Firma erstellten statischen Berechnungen zu den Handwerkerleistungen für den Austausch der Dachstützen. Die Tatsache, dass die mit dem Austausch der Stützen beauftragte Firma die statischen Berechnungen nicht selbst ausführen wollte oder konnte, spricht nicht gegen das Vorliegen einer aus Austausch der Stützen und statischer Berechnung bestehenden einheitlichen Handwerkerleistung. Wie eingangs schon gesagt, haben sich die Richter des Finanzgerichts Baden-Württemberg damit auch gegen ihre erstinstanzlichen Kollegen gestellt. So beispielsweise gegen eine Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 8.11.2016 unter dem Aktenzeichen 3 K 218/16 sowie gegen ein Urteil des Finanzgerichtes Berlin-Brandenburg vom 25.10.2015 unter dem Aktenzeichen 3 K 3130/17.

Tatsächlich gehen jedoch die Richter des Finanzgerichts Baden-Württemberg noch einen Schritt weiter. So war ebenfalls seinerzeit schon ihrem Leitsatz zu entnehmen: Wird ein Vorort-Termin zur Besichtigung des Daches durchgeführt, so gelten die statischen Berechnungen als „im Haushalt“ des Steuerpflichtigen im Sinne der Regelung für die Steuerermäßigung durchgeführt. Auch dies ist explizit ein Widerspruch zu der oben bereits zitierten Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts vom 8.11.2016. Nach Auffassung der Richter aus Baden-Württemberg ist jedoch eine Aufspaltung danach, an welchem Ort welcher Teil der Handwerkerleistung erbracht wurde, sehr gekünstelt. Der Gesetzeszweck würde danach konterkariert, wenn man eine Handwerkerleistung danach aufspaltet, wo die Teile der Arbeitsleistung erbracht wurden, soweit sie letztlich der Wohnung des Steuerpflichtigen zugutekommen. Auch mit dieser Auffassung stellten sich die erstinstanzlichen Richter aus Baden-Württemberg gegen ihre erstinstanzlichen Kollegen. Ganz anders hatten nämlich in dieser Frage das Finanzgericht Sachsen-Anhalt in einer Entscheidung vom 26.2.2018 unter dem Aktenzeichen 1 K 1200/17 sowie das Finanzgericht München in einer deutlich älteren Entscheidung vom 24 10.2011 unter dem Aktenzeichen 7 K 2544/09 entschieden.

Da insoweit die Entscheidung der Richter aus Baden-Württemberg durchaus schon umstritten war, war es nicht verwunderlich, dass seinerzeit die Finanzverwaltung die Revision zum Bundesfinanzhof eingelegt hat. Diese ist mittlerweile entschieden. Konkret führen die obersten Finanzrichter der Republik darin wie folgt aus:

Gemäß § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen um 20% der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 Euro. Diese Ermäßigung gilt dabei nur für den Arbeitslohn.

Handwerkerleistungen sind einfache und auch qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. Dies hatte der Bundesfinanzhof bereits in einer Entscheidung vom 21.2.2018 unter dem Aktenzeichen VI R 18/16 definiert. Begünstigt werden insoweit handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden.

Bei Anwendung dieser grundsätzlichen Voraussetzungen kommt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine Steuerermäßigung für die vorliegenden statischen Berechnungen nicht in Betracht. Der Grund: Ein Tragwerksplaner, also ein sogenannter Statiker, ist grundsätzlich nicht handwerklich tätig, sondern erbringt Leistungen im Bereich der Planung und rechnerischen Überprüfung von Bauwerken sowie der Beurteilung der baulichen Gesamtsituation. Dies geht beispielsweise aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 31.5.2011 unter dem Aktenzeichen I-24 U 164/10 hervor.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz in Form des Finanzgerichtes Baden-Württembergs stellen die statischen Berechnungen auch nicht deshalb eine Handwerkerleistung dar, weil diese für den Austausch von schadhaften Pfosten unerlässlich waren, wobei der Austausch unstreitig eine Handwerkerleistung darstellt. Die vom Finanzgericht Baden-Württemberg angenommene sachliche Verzahnung der Leistungen des Statikers mit den Handwerkerleistungen mag zwar in den Augen des Bundesfinanzhofs in der Sache zutreffen, führt aber im Weiteren nicht dazu, dass die Leistung des Statikers als anteilige Handwerkerleistungen im Sinne des § 35a EStG anzusehen sind.

Vielmehr sind beide Leistungen nach wie vor jeweils getrennt zu betrachten und hinsichtlich ihrer Eigenschaft als Handwerkerleistung eigenständig zu beurteilen. Diese Betrachtungsweise entspricht im Übrigen auch dem Rechtsgedanken der Urteile des Bundesfinanzhofs vom 13.5.2020 unter dem Aktenzeichen VI R 4/18 sowie der Entscheidung unter dem Aktenzeichen VI R 7/18. Danach ist für eine von einem Unternehmer erbrachte Handwerkerleistung, die teilweise in der Werkstatt des Handwerkers an einem Gegenstand des Haushalts erbracht wird, nur insoweit die Steuerermäßigung nach § 35a EStG zu gewähren, als die Leistung tatsächlich einen unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Haushalt aufweist, für den sie erbracht wird. Ist schon eine von einem Unternehmer erbrachte Leistung hinsichtlich der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 35a EStG gegebenenfalls aufzuteilen, so sind erst recht zwei getrennte und von unterschiedlichen Unternehmern erbrachte Leistung jeweils für sich daraufhin zu überprüfen, ob die Voraussetzungen einer Steuerermäßigung vorliegen.

Diese Beurteilung steht auch dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6.11.2014 unter dem Aktenzeichen VI R 1/13 nicht entgegen. Dort hatte der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Erhebung des unter Umständen noch mangelfreien Ist-Zustandes, beispielsweise die Überprüfung der Funktionsfähigkeit einer Anlage durch einen Handwerker, ebenso eine Handwerkerleistung sein kann wie die Beseitigung eines bereits eingetretenen Schadens oder eine vorbeugende Maßnahmen zur Schadensabwehr. Im Streitfall unterhält der Statiker jedoch weder ein Handwerksbetrieb noch liegt eine handwerkliche Leistung vor. Der Zusammenhang mit der Handwerkerleistung reicht insoweit schlicht nicht aus, die statische Berechnung als Handwerkerleistung einzustufen.

Vor diesem Hintergrund kommen die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 4.11.2021 unter dem Aktenzeichen VI R 29/19 zu dem Schluss, dass für die Leistung eines Statikers, die in der statischen Berechnung besteht, die Steuerermäßigung nach § 35a EStG auch dann nicht gewährt werden kann, wenn sie für die Durchführung einer Handwerkerleistung unbedingt erforderlich war.