1. Für alle Steuerpflichtigen: Kosten für die Überwinterung in Thailand als außergewöhnliche Belastungen?

Mandantenbrief WBS Gruppe

Um die schlechte Nachricht direkt vorwegzunehmen: Die Angabe „in tropischem Klima“ in einem amtsärztlichen Attest reicht zur Bestimmung des Kurortes nicht aus. Dies hat schlicht zur Folge, dass die Kosten für die Überwinterung in Thailand nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind. So die nicht verwunderliche Entscheidung der erstinstanzlichen Richter des Finanzgerichtes Münster vom 23.2.2022 unter dem Aktenzeichen 7 K 2261/20 E.

Der Entscheidung, die sich zunächst etwas merkwürdig anhört, lag jedoch ein durchaus realitätsnaher Sachverhalt zugrunde. Ein 70 Jahre alter Kläger hatte im Sachverhalt einen Grad der Behinderung von 90 %. Er litt unter einer Krankheit im fortgeschrittenen Stadium, zudem unter rheumatischen Beschwerden mit starken Schmerzattacken und einer Erkrankung, bei welcher Kältereize als Schmerz empfunden werden.

Ausweislich einer amtsärztlichen Bescheinigung war klargestellt, dass ein Aufenthalt des Klägers in den Wintermonaten in tropischem Klima aus gesundheitlichen Gründen vorteilhaft ist. Die Vermeidung von Kälte und Feuchtigkeit sowie die vermehrte Sonnenbestrahlung führen nämlich zur Linderung der Beschwerden des Klägers. Auch andere Fachärzte bescheinigten insoweit, dass ein Aufenthalt in tropischem Klima im Winter für die Gesundheit des Klägers förderlich ist.

Auf Basis dieser ärztlichen Ratschläge reiste der Kläger im Oktober nach Thailand und überwinterte dort. Die dadurch entstandenen Kosten für auf Miete, Flug, Zug und eine Haushaltshilfe wollte er als außergewöhnliche Belastung in seiner Steuererklärung berücksichtigt wissen. Dabei ist es nicht schwer vorstellbar, dass das Finanzamt nicht ohne weiteres die Kosten für einen winterlichen Thailand-Aufenthalt steuermindernd berücksichtigt. Ebenso wenig ist es nicht überraschend, dass die hiergegen erhobene Klage keinen Erfolg hatte.

Der siebte Senat des Finanzgerichts Münsters hat insoweit ausgeführt, dass Aufwendungen für eine der Behandlung einer Krankheit dienende Reise nur dann als zwangsläufige außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn die Reise zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgsversprechend ist. Diese Voraussetzung muss insoweit formalisiert nachgewiesen werden, als dass die Zwangsläufigkeit einer hier helfenden Klimakur durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen ist.

Der vom Kläger eingereichte amtsärztliche Nachweis entspricht allerdings diesen Anforderungen nicht. Insoweit führt das Gericht weiter aus, dass es gerade in Fällen einer Klimakur unbedingt erforderlich ist, dass ein bestimmter medizinisch angezeigter Kurort und die voraussichtliche Dauer der Kurmaßnahme bescheinigt werden, um eine Abgrenzung zu Erholungsreisen zu gewährleisten und Missbrauch entgegenzuwirken. Die Angabe „in tropischem Klima“ ist für die Bezeichnung des Kurortes hingegen vollkommen unzureichend und zu wenig konkret. Die pauschale Benennung einer Region der Erde reicht insoweit nicht aus, um den strengen formellen Anforderungen für den Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu genügen.

Weiter führt das Gericht aus, dass die Kosten für eine Haushaltshilfe nicht als außergewöhnliche Belastung abgesetzt werden können, weil auch deren Notwendigkeit bzw. die Notwendigkeit einer Begleitperson nicht amtsärztlich bescheinigt worden sind. Zudem stellte das Gericht in einem Nebensatz fest, dass eine Haushaltshilfe keine Begleitperson ist.

Nur nachrichtlich sei insoweit erwähnt, dass die steuermindernde Berücksichtigung der Haushaltshilfe bei den haushaltsnahen Dienstleistungen daran scheitert, dass nur in der Europäischen Union gelegene Haushalte begünstigt sind und es sich hierbei um eine Haushaltshilfe in Thailand handelt. Zudem hat der Kläger die Haushaltshilfe (wie vermutlich in Thailand üblich) in bar bezahlt, was jedoch selbst beim inländischen Haushalt der steuermindernden Berücksichtigung entgegengestanden hätte.

De facto bedeutet dies nicht, dass nicht auch eine Überwinterung in Thailand als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden kann. Allerdings müssen im Vorfeld die formalisierten Spielregeln beachtet werden. So hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nachzuweisen. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung entsprechend der Regelung in § 275 des fünften Sozialgesetzbuches. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist auch bei Klimakuren erforderlich. Zudem ist schon ausweislich der Regelungen in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung erforderlich, dass der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Dauer der Kur bescheinigt werden.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, gelingt auch der vom Fiskus gesponserte Winteraufenthalt in Thailand. Mit Blick auf die hohen Kosten eines solchen Aufenthaltes und die bei Erreichung der Abzugsfähigkeit mögliche Steuerminderung müssen Betroffene daher unbedingt im Vorfeld tätig werden!