Zugegeben, der Sachverhalt des hier zugrunde liegenden Streitfalls ist tatsächlich schon ein wenig außergewöhnlich. Dennoch zeigt die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, wie grundsätzlich bei der Ermittlung eines Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft zu verfahren ist.
Zunächst aber einmal kurz zum Sachverhalt. Im Streitfall haben Kinder von ihrem Vater im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge ein Grundstück erhalten, welches sie fortan zur Vermietung und Verpachtung nutzten. Das Grundstück befand sich beim Vater im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen. Im Zeitpunkt der Entnahme wurde zwar der Zeitwert des Grundstückes angegeben, dennoch wurden bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft keine weiteren Konsequenzen aus der Entnahme gezogen. Insbesondere wurde kein Entnahmegewinn angesetzt, indem der Zeitwert des Grundstückes dem Buchwert des Grundstückes gegenübergestellt wurde.
Innerhalb von zehn Jahren nach der Entnahme veräußerten die Kinder nun die Immobilie im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäftes. Dabei kommt nun die Streitfrage auf, welcher Wert denn von dem Veräußerungserlös abgezogen werden kann. Kann der damalige Zeitwert im Zeitpunkt der Entnahme mindernd abgezogen werden, auch wenn dieser tatsächlich nicht bei der Entnahme versteuert wurde? Oder kann wegen der unterlassenen Versteuerung der Entnahme daher nur der seinerzeitige Buchwert im Betriebsvermögen des Vaters mindernd berücksichtigt werden?
Der Bundesfinanzhof führt in seiner Entscheidung vom 6.12.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 3/21 dazu wie folgt aus:
Zum privaten Veräußerungsgeschäft gehören Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Als Anschaffung gilt dabei gemäß gesetzlicher Fiktion in § 23 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme oder Betriebsaufgabe. Bei einem unentgeltlichen Erwerb ist dem Einzelrechtsnachfolger für Zwecke dieser Vorschrift die Anschaffung oder die Überführung des Wirtschaftsgutes des Privatvermögens des Rechtsvorgängers zuzurechnen, wie es in § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG ausdrücklich geregelt ist.
Fraglich ist nun, wie im vorgenannten Sachverhalt der Gewinn aus dem privaten Veräußerungsgeschäft zu ermitteln ist. Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ist der Gewinn oder Verlust aus Veräußerungsgeschäften der Unterschied zwischen Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. In den Fällen einer vorherigen Entnahme aus dem Betriebsvermögen tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der bei der Entnahme oder der Betriebsaufgabe angesetzte Wert.
Soweit zumindest der Grundsatz. An die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten tritt der bei der Entnahme angesetzte Wert nur insoweit, als er der Steuerfestsetzung des Steuerpflichtigen, der das Wirtschaftsgut entnommen hat, zugrunde gelegen hat. Wird hingegen ein Wirtschaftsgut ohne Aufdeckung der stillen Reserven (also erfolgsneutral) aus dem Betriebsvermögen entnommen, ist der bis zum Zeitpunkt der Entnahme erfasste Buchwert der angesetzte Wert im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG.
Dies folgt nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik bereits aus dem Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift in § 23 Abs. 3 Satz 3 EStG. Danach tritt an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der „angesetzte“ Entnahmewert. Ein Wert ist nur im Sinne der Norm „angesetzt“, wenn er einer Steuerfestsetzung zugrunde gelegen hat. Wird ein Wirtschaftsgut erfolgsneutral entnommen, entspricht der angesetzte Wert dem Buchwert des Wirtschaftsguts im Zeitpunkt der Entnahme. Denn bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich entsteht durch die Ausbuchung des Wirtschaftsgutes in Höhe des Buchwertes eine Vermögensminderung. Die Erfolgsneutralität dieser Buchung kann daher nur durch den Ansatz einer Entnahme in derselben Höhe erreicht worden sein. Nichts anderes gilt, soweit das Wirtschaftsgut bei der Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung aus dem laufend zu führenden Verzeichnis „entnommen“ worden ist.
Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung, auch wenn sie vorliegend natürlich zu einem nachteiligen Ergebnis führt. Durch den Ansatz des Entnahmewertes, der der Steuerfestsetzung des Rechtsvorgängers zugrunde gelegen hat, wird sichergestellt, dass Wertsteigerungen (also die stillen Reserven), die in dem Zeitraum zwischen Anschaffung oder Herstellung und Entnahme entstanden sind und der Entnahmebesteuerung unterlegen haben, bei der späteren Veräußerung nicht erneut steuerlich erfasst und damit doppelt besteuert werden. Sind aber stille Reserven tatsächlich nicht erfasst worden, so kann es zu keiner Doppelbesteuerung kommen. Zudem soll durch die Bezugnahme auf den angesetzten Entnahmewert sichergestellt werden, dass im Falle einer steuerbaren Veräußerung alle bis zur Veräußerung entstandenen stillen Reserven einmal der Besteuerung unterworfen werden. Denn es ist von den angesetzten und nicht von dem anzusetzenden Entnahmewert auszugehen. Der angesetzte Entnahmewert tritt daher auch dann an die Stelle der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn er fehlerhaft zu hoch oder zu niedrig angesetzt worden ist.
Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die Gesetzeshistorie bestätigt. Mit der Neuregelung durch das seinerzeitige Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurde erstmals auch die Veräußerung eines zuvor aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführten Grundstücks innerhalb der zehnjährigen Frist der Besteuerung unterworfen. In dem seinerzeitigen Gesetzentwurf wird zur Begründung angeführt: „Nicht selten kommt es vor, dass Steuerpflichtige bei der Entnahme von Wirtschaftsgütern aus dem Betriebsvermögen einen Wert angeben, der sich dann im Rahmen einer späteren steuerfreien Veräußerung aus dem Privatvermögen heraus als zu niedrig erweist. Die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, derartigen Praktiken durch genauere Prüfung des Entnahmewertes entgegenzuwirken, sind angesichts der sachtypischen Beweisnot gering. Daher wird die Veräußerung zukünftig nach § 23 EStG besteuert, wenn die Entnahme bei Grundstücken und ähnlichen Rechten weniger als zehn Jahre zurückliegt.“
Hintergrund der Neuregelung war damit jedenfalls auch, dass im Fall einer steuerbaren Veräußerung innerhalb von zehn Jahren auch die stillen Reserven nachträglich besteuert werden, die bereits im Zeitpunkt der der Veräußerung vorgehenden Entnahme hätten aufgedeckt und besteuert werden müssen. Dieser Besteuerungsansatz fußt damit auch auf der Annahme, dass eine rückwirkende Änderung des Steuerbescheids, in dem der zutreffende Entnahmegewinn zu erfassen gewesen wäre, nicht (mehr) in Betracht kommt. Auf Vorschlag des Finanzausschusses wurde seinerzeit zur Konkretisierung der maßgebenden Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei einer vorherigen Entnahme auf den anzusetzenden Wert abgestellt. Da unter dem anzusetzenden Wert im Sinne der Regelung auch der im Zeitpunkt der Entnahme zutreffende Wert subsumiert werden konnte, drohte das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel, bisher nicht erfasste Entnahmegewinne im Zeitpunkt der Veräußerung nachträglich der Besteuerung zuzuführen, verfehlt zu werden. Deshalb wurde durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 in Satz 3 der Vorschrift das Wort „anzusetzende“ durch das Wort „angesetzte“ ersetzt, um dem vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Willen besser Rechnung zu tragen.
Im Ergebnis bleibt daher der Einwand der hier klagenden Steuerpflichtigen, im Rahmen der Berechnung des Veräußerungsgewinns sei der „angesetzte Wert“ erstmals zu ermitteln, wenn (im Streitfall) im Zeitpunkt der Entnahme des Grundstücks kein Wert angesetzt worden sei, ohne Erfolg. Die Normen des § 23 Abs. 3 EStG lässt keine Auslegung zu, einen der Besteuerung nicht zugrunde gelegten Teilwert nachträglich (fiktiv) zu ermitteln und bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen. Ein Steuerpflichtiger, der keinen Entnahmegewinn erklärt hatte, darf nicht bessergestellt sein als ein Steuerpflichtiger, der einen solchen zu niedrig erklärt hat.
Ausgehend von diesen Grundsätzen muss daher bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der gegenzurechnende Wert dem Buchwert entsprechen, da bei der seinerzeitigen Entnahme kein anderer Wert aufgrund der Erfolgsneutralität angesetzt worden ist.