Ausweislich der gesetzlichen Vorschrift in § 3 Nummer 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Leistungen des Arbeitgebers zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung steuerfrei. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist allerdings, dass diese Leistungen hinsichtlich Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit den Anforderungen des fünften Sozialgesetzbuches genügen. Ebenso sind sie nach der aktuellen Gesetzeslage nur steuerfrei, soweit sie im Kalenderjahr 600 Euro pro Arbeitnehmer nicht übersteigen.
Vor dem Hintergrund dieser Regelung muss nun aktuell der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen VI R 24/21 klären, ob unter die Steuerbefreiung zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung auch die mit der eigentlichen Präventionsleistung im Zusammenhang stehenden Verpflegungs-, Reise- und Unterkunftskosten sowie andere Nebenleistungen fallen.
Besonders erwähnenswert ist bei dieser Streitfrage, dass das erstinstanzliche Thüringer Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 14.10.2021 unter dem Aktenzeichen 1 K 655/17 die Steuerfreiheit der Nebenleistung bejaht hat. Wer daher in dieser Sache auch auf eine Nebenleistung der Gesundheitsförderung die Steuerfreiheit in Anspruch nehmen möchte, sollte sich an das Musterverfahren anhängen.
Zur Begründung des Einspruches kann dabei auf die Urteilsgründe der Thüringer Entscheidung zurückgegriffen werden. Dort heißt es beispielsweise (auszugsweise) wie folgt:
Schon ausweislich der Gesetzesbegründung zur Regelung des § 3 Nummer 34 EStG sollte die Steuerbefreiungsvorschrift dazu führen, die Bereitschaft des Arbeitgebers zu erhöhen, seinen Arbeitnehmern Dienstleistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes sowie zur betrieblichen Gesundheitsförderung anzubieten, in denen der Arbeitgeber entsprechende Barzuschüsse für die Durchführung derartiger Maßnahmen aufwendet. Dies ist zu entnehmen der Gesetzesbegründung in der Bundestagsdrucksache 16/10.189 auf Seite 47.
Eine gesetzliche Definition dieser Dienstleistung erhält das Gesetz hingegen nicht. Zur sachlichen Eingrenzung der Steuerbefreiung wurde im Einkommensteuerrecht lediglich auf die § § 20 und 20a des Fünften Sozialgesetzbuches Bezug genommen. Danach sollten insbesondere diejenigen Leistungen, die im Leitfaden Prävention der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) aufgeführt sind, gefördert werden. Die Gesetzesbegründung wiederum benennt die im Leitfaden Prävention genannten Handlungsfelder „Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes (sogenannte Primärprävention)“ sowie „betriebliche Gesundheitsförderung“. Wegen der benannten Handlungsfelder wird auf die Gesetzesbegründung insoweit im Weiteren auch in der Urteilsbegründung der Thüringer Richter verwiesen.
Ob und inwieweit Maßnahmen des Arbeitgebers im sogenannten „Leitfaden Prävention“ des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführt sein müssen, um zu einer Anwendung der Steuerbefreiung für Gesundheitsförderung nach § 3 Nummer 34 EStG gelangen zu können, ist zweifelhaft. Tatsächlich konnten dies die Thüringer Richter im vorliegenden Streitfall jedoch offenlassen.
- 20 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Sozialgesetzbuches sieht die Erbringung von Leistungen zur primären Prävention vor. Diese Leistungen sind nicht näher definiert. Eine Legaldefinition des Begriffs „primäre Prävention“ wurde erst später in das fünfte Sozialgesetzbuch aufgenommen. Danach handelt es sich bei Primärprävention um die „Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken“. Diese Definition kann auch für den vorliegenden Rechtsstreit übernommen werden.
Weiterhin sollen entsprechende Leistungen zur Primärprävention den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern. Diese Bestimmung des Leistungszwecks entspricht auch der Regelung der Befreiungsvorschriften im Einkommensteuergesetz. Weitere sachliche Anforderungen an die Leistung zur Primärprävention sind dem Fünften Sozialgesetzbuch selbst nicht zu entnehmen. Vielmehr wird für die Konkretisierung dieser allgemeinen Anforderungen für die Leistungserbringung durch die Krankenkassen und auf untergesetzliche Regelwerke verwiesen. Insoweit beschließt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gemeinsam und einheitlich unter Einbeziehung unabhängigen Sachverstandes prioritäre Handlungsfelder und Kriterien für Leistungen, insbesondere hinsichtlich des Bedarfs, der Zielgruppen, der Zugangswege, der Inhalte und der Methodik.
Der Gesetzesbegründung zur Befreiungsvorschrift im Einkommensteuergesetz ist weiter zu entnehmen, dass der „Leitfaden Prävention“ nicht ausschließlich für die Anwendung der Befreiungsvorschriften entscheidend ist. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber den Leitfaden nicht als allein maßgeblich für die Gewährung der Steuerfreiheit betrachtet. Darüber hinaus beschränkt sich der Gesetzeswortlaut des Fünften Sozialgesetzbuchs zur Bestimmung der Leistung der Krankenkassen auf den Begriff der „Primärprävention“ oben.
Dem Verweis auf das Fünfte Sozialgesetzbuch im Einkommensteuergesetz zur Bestimmung der Anforderung an Qualität, Zweckbindung und Zielgerichtetheit der Gesundheitsleistungen können jedoch in Ermangelung unmittelbar im Gesetz bestimmter materieller Anforderungen an die Leistung der Gesundheitsförderung keine weiteren Einschränkungen für die Begrenzung der Steuerfreiheit entnommen werden. Insoweit kann also nicht auf den Leitfaden zurückgegriffen werden. Dies wäre mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nicht zu vereinbaren.
Vielmehr ist es für die Anwendung der Steuerbefreiung für Gesundheitsförderung ausreichend, wenn die Maßnahmen zur Förderung der Gesundheit, die der Arbeitgeber bezuschusst hatte, Mindestanforderungen an Qualität und Zielgerichtetheit erfüllten. Die gesetzlichen Mindestanforderungen können jedenfalls dann als erfüllt angesehen werden, wenn die betreffenden Maßnahmen durch Physiotherapeuten, Heilpraktiker und qualifizierte Fitnesstrainer erbracht werden. In diesem Sinne hat doch bereits das erstinstanzliche Finanzgericht Bremen in einer Entscheidung vom 11.2.2016 unter dem Aktenzeichen 1 K 80/15 entschieden. Diese Voraussetzungen erfüllen die für die Durchführung der Veranstaltung engagierten Trainer im Entscheidungsfall unstreitig.
Soweit das Finanzamt argumentiert, dass die Steuerfreistellung für Gesundheitsförderung ausscheidet, weil keine (vollständige) Förderung der Veranstaltung durch die Krankenkasse erfolgt, ist diese Gesetzesauslegung nach Auffassung der Thüringer Richter nicht haltbar. Würden nämlich die jeweiligen Aufwendungen für betriebliche Gesundheitsmaßnahmen vollständig von den Krankenkassen übernommen, würde sich die Frage der Steuerfreistellung lediglich noch in Einzelfällen stellen. Die Vorschrift würde ihres wesentlichen Anwendungsbereichs beraubt und wäre weitgehend überflüssig. Denn die Frage der Kostenerstattung durch den Arbeitgeber würde sich im Regelfall nicht stellen, wenn zuvor die Krankenkassen die Aufwendungen entsprechender Gesundheitstage übernehmen würden.
Weiter hat die Finanzverwaltung im vorliegenden Streitfall geltend gemacht, dass die Förderung von Übernachtungs- und Verpflegungsaufwendungen nach dem Leitfaden Prävention ausgeschlossen sei. Eine Steuerbefreiung könne daher nicht im Rahmen des § 3 Nummer 34 EStG stattfinden. Allerdings ist dieser Argumentation entgegenzuhalten, dass der Leitfaden Prävention jeweils die Förderung einer Gesundheitsmaßnahme durch eine Krankenkasse beschreibt. Wie zuvor dargestellt, richtet sich jedoch die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift für Gesundheitsförderung nach anderen Maßstäben. Weder verweist das Gesetz auf den jeweiligen gültigen Leitfaden Prävention in Form einer Rechtsgrundverweisung noch sind die Kriterien des GKV-Spitzenverbandes für die steuerliche Begünstigung nach § 3 Nummer 34 EStG allein ausschlaggebend. Gewährt der Arbeitgeber Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung darüber zu befinden, ob ein Leistungspaket vorliegt, das lediglich einer einheitlichen Behandlung zugänglich ist. Das Thüringer Finanzgericht wendet insoweit die Grundsätze an, die die Rechtsprechung zur Aufteilung von Zuschüssen in Arbeitslohn bzw. einer Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse entsprechend der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 21.11.2018 unter dem Aktenzeichen VI R 10/17 entwickelt hat. Danach ist entscheidend, ob sich der Charakter einer Sachzuwendung nur einheitlich (oder auch unterschiedlich) beurteilen lässt
Vorliegend kommt das Thüringer Finanzgericht zu dem Schluss, dass eine einheitliche Maßnahme gegeben ist, und Positionen wie Übernachtungskosten, Verpflegungskosten und Seminarkosten insoweit nicht einer unterschiedlichen Betrachtung zugänglich sind. Zu den nach § 3 Nummer 34 EStG steuerbefreiten Leistungen zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der betrieblichen Gesundheitsförderung gehören daher auch die mit der eigentlichen Präventionsleistung im Zusammenhang stehenden Verpflegungs-, Reise- und Unterkunftskosten sowie natürlich auch andere Nebenleistungen.