Das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in seiner Entscheidung vom 25.1.2022 unter dem Aktenzeichen 3 K 348/17 eine nicht erfreuliche Entscheidung für Steuerpflichtige getroffen. Grob gesagt, soll danach bei Steuerstundungsmodellen ein entsprechender Verlust auch dann nicht steuerlich berücksichtigungsfähig sein, wenn beispielsweise durch einen Wegfall der Einkommensquelle die Verluste definitiv werden und so nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen verrechnet werden können.
Zunächst zum Hintergrund: Was unter einem Steuerstundungsmodells verstehen ist, hat der Gesetzgeber in § 15 b Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geregelt. Danach liegt ein sogenanntes Steuerstundungsmodell vor, wenn aufgrund einer modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund eines vorgefertigten Konzeptes die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investitionen Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dabei ist es ohne Belang, auf welchen Vorschriften die negativen Einkünfte beruhen. Ob in der Sache ein Steuererstattungsmodell gegeben ist, ist im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung der entsprechenden Einzelfallumstände zu ermitteln. Dies hat bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 6.2.2014 unter dem Aktenzeichen IV R 59/10 herausgearbeitet.
Für die Annahme einer modellhaften Gestaltung ist dabei zunächst ein vorgefertigtes Konzept erforderlich. Dieses muss bezogen auf den Geschäftsgegenstand der Gesellschaft sowie auch auf ihre Konstruktion bereits vor der eigentlichen Investitionsentscheidung durch den oder die Initiatoren festgelegt worden sein. Es wird typischerweise, wenn auch nicht zwingend, mittels eines Anlegerprospektes oder in ähnlicher Form vertrieben.
Weiterhin setzt die Annahme eines Steuerstundungsmodells voraus, dass aufgrund der modellhaften Gestaltung steuerliche Vorteile in Form negativer Einkünfte erzielt werden sollen. Dies ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen aufgrund des vorgefertigten Konzeptes die Möglichkeit geboten werden soll, zumindest in der Anfangsphase der Investitionen Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Dazu muss der Initiator das vorgefertigte Konzept auf die Erzielung negativer Einkünfte ausrichten, sodass der wirtschaftliche Erfolg des Konzeptes auf entsprechenden Steuervorteilen aufbaut. Im Vordergrund muss die Erzielung negativer Einkünfte allerdings nicht stehen. Nicht erforderlich ist es auch, dass der Anbieter im Rahmen des Konzeptvertriebs mit den entsprechenden Steuervorteilen werbend tätig wird.
Fraglich ist nun, ob die Beschränkung des Verlustabzugs aus entsprechenden Steuerstundungsmodellen auch gilt, wenn der verrechenbare Verlust definitiv wird, also nicht mehr die Möglichkeit besteht, dass dieser mit zukünftigen Gewinnen verrechenbar ist. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers hält der Senat des Finanzgerichtes Mecklenburg-Vorpommern eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Regelung dergestalt, dass die lediglich verrechenbaren Verluste im Falle des Definitivwerdens als abzugsfähige Verluste zu behandeln sind, nicht für möglich. Die Verlustverrechnung soll also verloren gehen.
Die Beschränkung der Anwendung der gesetzlichen Regelung des § 15b EStG in der Weise, dass die Norm bei Eintritt eines definitiven Verlustes nicht zur Anwendung kommt, lässt sich nach Auffassung des Senats nicht im Wege verfassungskonformer Auslegung erreichen.
Tatsächlich heißt es sogar in der Gesetzesbegründung zur gesetzlichen Regelung in § 15b EStG, dass die anfänglichen Verluste nicht endgültig verloren gehen, sondern ihre Berücksichtigung lediglich zeitlich gestreckt wird, soweit für die Investitionen ein Totalüberschuss erzielt wird. Hieraus soll sich jedoch nicht schließen lassen, dass § 15b EStG im Falle von definitiven Verlusten nach dem Willen des Gesetzgebers keine Anwendung finden soll.
So hat der Gesetzgeber in § 15b EStG keinerlei Ausnahmetatbestände für den Eintritt von Definitivverlusten – entweder generell für alle Fälle von Definitivverlusten oder nur partiell für bestimmte Sachverhaltskonstellationen – aufgenommen. Hiervon ausgehend unterliegt es keinem Zweifel, dass Definitivverluste, z. B. bei Eintritt der Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft, nicht ausgeschlossen werden sollten. Zwar zielt § 15b EStG nach der Gesetzesbegründung unmittelbar (nur) auf die zeitliche Streckung der Anfangsverluste, dennoch fällt auch der endgültige Ausschluss der Verlustnutzungsmöglichkeit in den Fällen, in denen die Einkunftsquelle durch Insolvenz, Verkauf oder Liquidation wegfällt, unter die Norm.
Ebenfalls ist nach Auffassung des Finanzgerichtes Mecklenburg-Vorpommern die Beschränkung des Verlustabzugs bei Steuerstundungsmodellen auch bei Eintritt von definitiven Verlusten nicht verfassungswidrig. Wohlgemerkt ist dies nur die Meinung des erstinstanzlichen Gerichts.
Die Rechtsfrage, ob die Verlustabzugsbeschränkung bzw. Verlustausgleichsbeschränkung des § 15b EStG nicht greift, soweit Verluste nicht mehr mit zukünftigen Gewinnen aus derselben Einkommensquelle ausgeglichen werden können, klärt aktuell der Bundesfinanzhof in der anhängigen Revision unter dem Aktenzeichen IV R 6/22. Betroffene, die einen entsprechend definitiven Verlust erlitten haben, sollten sich daher an das Musterverfahren anhängen, denn aus unserer Sicht ist es durchaus möglich, dass dieses auch seinen Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht finden wird.
Am Rande sei diesbezüglich noch erwähnt, dass der Bundesfinanzhof ebenfalls klärt, ob die Vorschrift des § 15b EStG auf Verluste aus dem steuerlichen Sonderbetriebsvermögens bereits dem Grunde nach nicht anzuwenden ist beziehungsweise auch hier Beachtung finden muss.