7. Für Unternehmer: Knockout-Zertifikate sind keine Termingeschäfte

Mit Entscheidung vom 8.12.2021 hat der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen I R 24/19 im Rahmen der Verlustberücksichtigung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entschieden, dass sogenannte Knockout-Zertifikate keine Termingeschäfte im Sinne dieser Vorschrift sind. Um den Hintergrund der Entscheidung etwas genauer zu beleuchten, muss ein wenig ausgeholt werden:

Entsprechend der Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 1 EStG dürfen die dort benannten Verluste weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden. Bei den dort benannten Verlusten handelt es sich um solche aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung. Diese Verluste dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Einzige Möglichkeit des Verlustabzugs: Sie mindern die Gewinne, die der Steuerpflichtige in den unmittelbar vorangegangenen und den folgenden Wirtschaftsjahren aus den genannten Einkunftsquellen erzielt hat.

Wer sich nun fragt, was das alles mit Knockout-Zertifikaten zu tun hat, dem sei gesagt, dass entsprechend der Regelung in § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG bestimmt wird, dass die vorgenannten Regelungen auch entsprechend für Verluste aus Termingeschäften gelten, durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt. Nicht unter diese Beschränkung fallen (vorbehaltlich der Rückausnahme des § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG) zwar gemäß § 15 Abs. 4 Satz 4 EStG Geschäfte bestimmter Finanzunternehmen und Risikoabsicherungsgeschäfte anderer Unternehmen, wenn damit Risiken des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs abgesichert werden.

Die Rechtsfolge des Verlustabzugsverbots bezieht sich dabei nicht auf ein negatives Ergebnis eines einzelnen Geschäfts. Vielmehr ist auf den Saldo sämtlicher Termingeschäfte im Wirtschaftsjahr abzustellen. Dabei hängt die Anwendbarkeit des Verlustverrechnungsverbotes maßgeblich davon ab, ob überhaupt ein Termingeschäft gegeben ist. Dies war auch im vorliegenden Fall streitbefangen.

Der Begriff des Termingeschäftes ist in der gesetzlichen Regelung nämlich nicht mehr definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist der Grundsatz nach den wertpapier- bzw. bankenrechtlichen Maßgaben zu bestimmen, wobei allerdings aufsichtsrechtliche Gesichtspunkte außer Betracht bleiben. Dies hat beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 4.12.2014 unter dem Aktenzeichen IV R 53/11 herausgearbeitet.

Entsprechend diesen Vorgaben sind Termingeschäfte Verträge über Wertpapiere, vertretbare Waren oder Devisen nach gleichartigen Bedingungen, die von beiden Seiten erst zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt zu erfüllen sind. Es muss also zunächst einmal ein zeitliches Auseinanderfallen von Verpflichtungsgeschäft und Erfüllungsgeschäft geben. Zudem muss eine Beziehung zu einem Terminmarkt bestehen, die es ermöglicht, jederzeit ein Gegengeschäft abzuschließen.

Nach wertpapierrechtlichen bzw. bankenrechtlichen Maßgaben ist das Termingeschäft ferner vom sogenannten Kassageschäft abzugrenzen, bei dem der Leistungsaustausch sofort oder innerhalb der für diese Geschäfte üblichen Frist von zwei Tagen zu vollziehen ist. Diese negative Abgrenzung zum Termingeschäft ist auch bei der steuerrechtlichen Begriffsbestimmung maßgeblich. Bestätigt wird diese Auslegung im Wesentlichen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommission. Durch dieses Gesetz wurde nämlich als Legaldefinition das Termingeschäfte definiert als Kauf, Tausch oder anderweitig ausgestaltetes Festgeschäft oder Optionsgeschäft, das zeitlich verzögert zu erfüllen ist und dessen Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines Basiswerts ableitet. Diese Definition ist grundsätzlich auch für das Steuerrecht maßgeblich.

Dagegen kommt es für die steuerliche Abgrenzung des Termingeschäftes nicht auf die umfassendere Definition der Finanztermingeschäfte im Wertpapierhandelsgesetz an. Hierbei handelt es sich nämlich um eine andere Begriffsebene, die dem Anlegerschutz dient.

Mit Blick auf sogenannte Indexzertifikate ist zudem bereits höchstrichterlich geklärt, dass sie als Kassageschäft nicht den Termingeschäften zuzuordnen sind. Für Knockout-Produkte hat der Bundesfinanzhof die Frage dagegen insbesondere bei der Einordnung von Einkünften aus Kapitalvermögen bisher offengelassen.

Dementsprechend kommen vorstehend die obersten Finanzrichter der Republik in ihrer Entscheidung vom 8.12.2021 zu dem Schluss, dass sogenannte Knockout-Produkte in Form von Zertifikaten Kassageschäft sind und damit nicht zu den Termingeschäften im Sinne der hier vorliegenden Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG gehören. Dies ergibt sich nach Auffassung der obersten Finanzrichter der Republik bereits aus der Gesetzeshistorie.

Darüber hinaus weist der Bundesfinanzhof ganz ausdrücklich darauf hin, dass das Ausmaß der spezifischen Gefährlichkeit eines konkreten Geschäftes weder für die Qualifizierung als Termingeschäft noch als Kassageschäft eine Rolle spielt. Auch die Legaldefinition im Wertpapierhandelsgesetz stellt nicht auf bestehende Verlustrisiken ab. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung ist daher nicht entscheidungserheblich, ob es sich um ein sogenanntes Hebelprodukt, zum Beispiel ein Hebel-, Knockout- oder Turbo-Zertifikat, handelt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn aufgrund der konkreten Vertragsbedingungen ein sogenanntes Schein-Kassageschäft (und damit eben doch ein Termingeschäft) bzw. ein wirtschaftliches Termingeschäft vorliegt, weil unter anderem eine Nachschusspflicht und damit ein unbegrenztes Verlustrisiko besteht.

Entgegen der Ansicht des Finanzamtes kann der Qualifizierung von Knockout-Zertifikaten als Kassageschäft nicht entgegengehalten werden, dass die Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Knockout-Schwelle nicht erreicht wird und somit von einer hinausgeschobenen Erfüllung gesprochen werden könne. Zudem können Knockout-Zertifikate nicht deswegen als Termingeschäfte qualifiziert werden, weil der Anleger bei diesen Produkten lediglich eine Chance auf Rückzahlung, aber keinen sicheren Anspruch hat. Hierbei wird jeweils übersehen, dass bei Knockout-Zertifikaten der Fortbestand der verbrieften Forderungen von einer Bedingung abhängt, nicht aber die Laufzeit des Erfüllungsgeschäfts. Es fehlt an dem für ein Termingeschäft erforderlichen hinausgeschobenen Erfüllungszeitpunkt, sodass weiter ein Kassageschäft vorliegt. Damit handelt es sich bei Knockout-Zertifikaten um gewöhnliche Schuldverschreibungen, bei denen der Erfüllungszeitpunkt gerade nicht hinausgeschoben wird.

Soweit das erstinstanzliche Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 26.10.2016 unter dem Aktenzeichen 7 K 3387/13 für die Qualifizierung von Knockout-Zertifikaten als Termingeschäfte auf deren Hebelwirkung und die Gefahr eines Totalverlustes abstellt, bleibt das Vorliegen eines Kassageschäftes ungeprüft. Selbst nach der vom erstinstanzlichen Finanzgericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt dieser zudem darauf ab, dass es sich bei Börsentermingeschäften um standardisierte Verträge handelt, die von beiden Seiten erst zu einem späteren Zeitpunkt, dem Ende der Laufzeit, zu erfüllen sind und einen Bezug zu einem Terminmarkt haben. Folglich handelt es sich dabei eben nicht um ein Kassageschäft.

Auch der Umstand, dass aufgrund der Zertifikatsbedingungen selbst bei gleichbleibenden Kursen das Kapital vernichtet wird, ist entgegen der Auffassung des Finanzamtes für eine Einordnung als Termingeschäft nicht maßgeblich.

Folglich kommen die obersten Finanzrichter der Republik mit ihrer zuvor genannten Entscheidung vom 8.12.2021 zu dem erfreulichen Schluss, dass Knockout-Produkte in Form von Zertifikaten, vorliegend ging es um Unlimited Turbo Bull Zertifikate, als Kassageschäft nicht dem Ausgleichs- bzw. Abzugsverbot der Verluste des § 15 Abs. 4 Satz 3 EStG unterfallen.