4. Für Immobilieneigentümer: Unentgeltliche Überlassung an Angehörige als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken?

Im Bereich des privaten Veräußerungsgeschäftes werden entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Wirtschaftsgüter von der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft ausgenommen, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.

Der Begriff der „Nutzung zu Wohnzwecken“ umschreibt eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die eigene Gestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises. So hat es bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 1.3.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 27/19 definiert. Den Begriff der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ hat der Bundesfinanzhof entsprechend dem Zweck der Ausnahmeregelung, die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes zu vermeiden, weit ausgelegt. Danach setzt das Merkmal der „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ voraus, dass die Immobilie zum Bewohnen dauerhaft geeignet ist und vom Steuerpflichtigen auch bewohnt wird. So der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 28.05.2002 unter dem Aktenzeichen IX B 208/01. Der Steuerpflichtige muss das Gebäude zumindest auch selbst nutzen. Unschädlich ist, wenn er es gemeinsam mit seinen Familienangehörigen oder einem Dritten bewohnt. So der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 24.05.2022 unter dem Aktenzeichen IX R 28/21, so auch die Verwaltungsauffassung im Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 5.10.2000.

Keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken liegt jedoch vor, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung entgeltlich oder unentgeltlich einem Dritten überlässt, ohne sie zugleich selbst zu bewohnen. Auch dies hat der Bundesfinanzhof bereits mehrfach festgestellt, so beispielsweise im Urteil vom 27.6.2017 unter dem Aktenzeichen IX R 37/16 sowie auch im Urteil vom 1.3.2021 unter dem Aktenzeichen IX R 27/19.

Hingegen ist eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung oder die Wohnung insgesamt einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind unentgeltlich zur teilweisen oder alleinigen Nutzung überlässt. Die Nutzung der Wohnung durch das Kind ist dem Eigentümer in diesem Fall als eigene zuzurechnen, weil es ihm Rahmen seiner unterhaltsrechtlichen Verpflichtungen obliegt, für die Unterbringung des Kindes zu sorgen. So auch der Bundesfinanzhof zuletzt mit Urteil vom 24.5.2022 unter dem Aktenzeichen IX R 28/21.

Überlässt der Steuerpflichtige die Wohnung nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten, liegt nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs im vorgenannten Urteil keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor.

Die Differenzierung zwischen einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Kindern und Dritten, gegebenenfalls auch unterhaltsberechtigten Personen begründet der Bundesfinanzhof mit dem Vereinfachungsgedanken der steuerlichen Regelungen zur Berücksichtigung von Kindern sowie dem Zweck der Ausnahmevorschrift vom privaten Veräußerungsgeschäft.

Soweit die höchstrichterliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Begriff der eigenen Wohnzwecke tatbestandlich auf die Vorschrift des § 32 EStG abstellt, geschieht dies vor dem Hintergrund der Annahme, dass der Gesetzgeber bei den nach dieser Vorschrift zu berücksichtigenden Kindern typisierend eine Unterhaltspflicht und das Entstehen von Aufwendungen annimmt. Eine Ermittlung im Einzelfall, ob dem Kind Unterhalb zu gewähren ist oder gegebenenfalls wegen eigener Einkünfte des Kindes keine Unterhaltspflicht besteht, soll durch diese typisierende Bewertung vermieden werden. So bereits auch schon der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 26.1.1994 unter dem Aktenzeichen X R 94/91.

Bei der Auslegung des Gesetzes berücksichtigt der Bundesfinanzhof dabei die unterschiedliche Zweckrichtung der Tatbestände des Einkommensteuergesetzes und des damaligen Eigenheimzulagengesetzes. Zwar ist das Merkmal der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken beim privaten Veräußerungsgeschäft im Einkommensteuergesetz im Ausgangspunkt so zu verstehen wie beim Eigenheimzulagengesetz. Zweck der gesetzlichen Freistellung des privaten Veräußerungsgeschäftes ist aber nicht die Förderung des Erwerbs von Wohneigentum durch möglichst viele Bürger und damit die Förderung der Vermögensbildung, sondern die Vermeidung der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns bei Aufgabe eines Wohnsitzes und eine damit einhergehende Behinderung der beruflichen Mobilität. Vor diesem Hintergrund setzt die Anwendbarkeit des Ausnahmetatbestandes des privaten Veräußerungsgeschäftes entsprechend seiner Zweckrichtung dem Grunde nach voraus, dass eine Besteuerung der beruflichen Mobilität des Steuerpflichtigen entgegenstünde, was nach Auffassung des Bundesfinanzhofs regelmäßig dann der Fall sein soll, wenn der Unterhaltsberechtigte im Fall eines beruflichen Wohnsitzwechsel des Steuerpflichtigen mitgehen würde. Dies dürfte bei einem einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Kind regelmäßig der Fall sein.

Danach wird eine vom Steuerpflichtigen zu Unterhaltszwecken unentgeltlich bereitgestellte Wohnung dann nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen genutzt, wenn die Immobilie neben einem einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigenden Kind auch anderen Angehörigen überlassen wird, selbst wenn diese auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften unterhaltsberechtigt sind. Vor diesem Hintergrund führt auch die Mitnutzung durch ein weiteres, wegen seines Alters nicht mehr einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindes dazu, dass die Wohnung insgesamt nicht mehr als zu eigenen Wohnzwecken des Steuerpflichtigen genutzt anzusehen ist.

Vor diesem Hintergrund kommt das Finanzgericht Düsseldorf in seiner aktuellen Entscheidung vom 2.3.2023 unter dem Aktenzeichen 14 K 1525/19 E, F zu dem Schluss, dass im Falle der unentgeltlichen Überlassung einer Eigentumswohnung an einen zivilrechtlich dem Grunde nach unterhaltsberechtigten Angehörigen (im Streitfall die Mutter des Klägers bzw. die Schwiegermutter des Klägers) nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes einzuordnen ist. Der Verkauf innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung der Immobilie war damit steuerpflichtig.

Das letzte Wort ist damit jedoch noch nicht gesprochen, da die Kläger die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt haben. Das Finanzgericht Düsseldorf hat nämlich auch erkannt, dass die Revision zuzulassen war, weil die Rechtsfrage insgesamt grundsätzliche Bedeutung hat. Unter dem Aktenzeichen IX R 13/23 müssen daher die obersten Richter der Republik nun klären, ob auch die unentgeltliche Überlassung an zivilrechtlich unterhaltsberechtigte Angehörige (die nicht einkommensteuerrechtlich als Kind berücksichtigt werden) als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne des privaten Veräußerungsgeschäftes gewertet werden kann.

Auch wenn vermutlich die Erfolgsaussichten beim Bundesfinanzhof eher gering sind, sollten Betroffene sich durchaus an das Verfahren anhängen, denn nur so kann gegebenenfalls die Besteuerung eines hohen Veräußerungsgewinnes verhindert werden. Und wer weiß: Dass der Bundesfinanzhof eine andere Meinung vertritt, ist keineswegs ausgeschlossen.