3. Für alle Steuerpflichtigen: Freiwillig gezahlte Beiträge an das wegen Lockdown geschlossene Fitnessstudio als umsatzsteuerpflichtiges Entgelt?

Das Verfahren, von dem im Folgenden berichtet wird, wendet sich in erster Linie an Betreiber eines Fitnessstudios, denn es geht darum, ob freiwillig gezahlte Mitgliedsbeiträge an das Fitnessstudio, welches aufgrund des pandemiebedingten Lockdowns geschlossen ist bzw. war, tatsächlich der Umsatzsteuer unterliegen.

Zugegeben ist dies ein sehr spezieller Fall, jedoch geht es ebenfalls um die Kunden der Fitnessstudios, welche nämlich möglicherweise einen geringeren Beitrag zu zahlen hätten! Weiterhin, und dies auch ein Grund, warum der Fall behandelt wird, werden in der dazu ergangenen erstinstanzlichen Entscheidung einige umsatzsteuerrechtliche Grundlagen dargelegt, die in einer Vielzahl von Fällen Bedeutung haben. Daher zunächst zur allgemeinen Einordnung:

Ausweislich der gesetzlichen Regelung in § 1 Abs. 1 Nummer 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Das Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Für das Vorliegen einer einheitlichen Leistung, die steuerbar ist, sind nach der Rechtsprechung im Wesentlichen folgende gemeinschaftsrechtliche geklärte Grundsätze zu berücksichtigen.

Zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. So auch der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 21. März 2002 unter dem Aktenzeichen C-174/00. Dieser unmittelbare Zusammenhang muss sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, in dessen Rahmen die Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Hierzu gibt es ebenfalls ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18.12.2008 unter dem Aktenzeichen V R 38/06. Dabei muss der Leistungsempfänger identifizierbar sein und einen Vorteil erhalten, der einen Kostenfaktor in seiner Tätigkeit bilden könnte und damit zu einem Verbrauch im Sinne des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Bei einem gegenseitigen Vertrag sind die Voraussetzungen für eine entgeltliche Leistung regelmäßig erfüllt. Dann besteht nämlich zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang, und es steht der Leistungsempfänger aufgrund der vertraglichen Beziehungen fest. Bei Leistungen, zu deren Ausführungen sich die Vertragsparteien verpflichtet haben, liegt auch der erforderliche Leistungsverbrauch grundsätzlich vor. Dies auch schon zu entnehmen einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 18.1.2005 unter dem Aktenzeichen V R 17/02.

Unerheblich für die Annahme eines Leistungsaustausches ist, ob der Leistungsempfänger die bezogene Leistung tatsächlich verwendet oder gegebenenfalls zu welchem Zweck er dies tut. Ferner steht es einem Leistungsaustausch nicht entgegen, wenn der Unternehmer mit der Tätigkeit auch einen eigenen Zweck verwirklicht. Denn die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig im eigenen Interesse durchgeführte Betätigung verdrängt. Ferner ist es für die Annahme eines Entgelts nicht notwendig, dass die Zahlung aufgrund einer zivilrechtlich wirksam Rechtspflicht erfolgt. Dabei ist es zwar möglich (nicht aber erforderlich) dass die Zahlung versehentlich oder in der irrigen Annahme einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Leistungspflicht bewirkt wurde. Auch bewusst freiwillige Zahlungen können eine Gegenleistung darstellen. Dementsprechend werden auch Zusatzzahlungen zum Entgelt gerechnet, die mit einer inneren Verknüpfung zu Leistung erbracht werden, aber gleichwohl freiwillig erfolgen und den vertraglich geschuldeten Betrag übersteigen. Dies hatte bereits der Bundesfinanzhof mit einem Urteil vom 17.2.1972 unter dem Aktenzeichen V R 118/71 bei Trinkgeldern entschieden. Und schließlich ist es für die Annahme eines Entgeltes nicht erheblich, ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht oder nicht. Keine Leistung gegen Entgelt liegt dagegen vor, wenn ein Zuschuss lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dient und nicht Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll.

Es bestimmt sich in erster Linie nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, ob zwischen der Leistung des Unternehmers und der Bezahlung ein umsatzsteuerrechtlich relevanter Zusammenhang vorliegt. Ob die Voraussetzungen für ein Leistungsaustausch vorliegen, ist dabei nicht nach zivilrechtlichen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Es stellt eine unionsrechtliche, unabhängig von der Beurteilung nach nationalem Recht zu entscheidende Frage dar, ob die Zahlung eines Entgelts als Gegenleistung für die Erbringung von Dienstleistungen erfolgt.

Nach Anwendung dieser Grundsätze kam das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in seiner Entscheidung vom 16.11.2022 unter dem Aktenzeichen 4 K 41/22 zu dem Schluss, dass bei der freiwilligen Fortzahlung von Beiträgen, die von Mitgliedern im Rahmen eines in der Vergangenheit gelebten und fortbestehenden Dauerschuldverhältnisses an ein Fitnessstudio erbracht werden, welches vorübergehend pandemiebedingt schließen musste und auf die Erbringung von Ersatzleistungen verwiesen ist, ein umsatzsteuerrechtlich relevanter Zusammenhang mit dem im Rahmen des Dauerschuldverhältnisses erbrachten Leistungen besteht. Dies umfasst einerseits die bereits vor der Schließung bezogene Leistung und andererseits die während der Schließzeit erbrachten Ersatzleistungen.

Der Monatsbeitrag, welchen die Mitglieder des Fitnessstudios leisten, stellt damit ein Entgelt im Sinne des § 10 UStG dar, obgleich das Fitnessstudio in den fraglichen Monaten aufgrund einer behördlichen Anordnung zur Eindämmung der Coronapandemie geschlossen und somit von seiner betraglich geschuldeten Primärleistung befreit ist. Dies regelt nämlich schon § 275 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die so freiwillig erbrachten Beiträge stellen keinen nicht steuerbaren echten Zuschuss dar.

Ob die erstinstanzlichen Richter aus Schleswig-Holstein damit jedoch richtig liegen, prüft aktuell noch der Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen XI R 36/22.