Bei einem Nebeneinander von Versorgungszahlungen und Geschäftsführergehalt nimmt das Finanzamt leider reflexartig eine verdeckte Gewinnausschüttung an. Doch ist dies in jedem Fall richtig?
Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne der gesetzlichen Regelung in § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sind bei einer Kapitalgesellschaft Vermögensminderungen oder verhinderte Vermögensmehrungen zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst oder mitveranlasst sind, sich auf die Höhe des Gewinns auswirken und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung stehen.
Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis wird dabei regelmäßig dann angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern oder einer diesen nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Zudem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug auszulösen.
Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender Gesellschafter, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahestehende Person erbringt, für die es an einer klaren und eindeutigen, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten formellen Fremdvergleich. In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters oder der diesem nahestehenden Personen die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis. Diese Auffassung entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung, so beispielsweise im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.1.2018 unter dem Aktenzeichen I R 44/15.
Auf Basis dieser Grundlage hat die Rechtsprechung bereits festgelegt, dass sich die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitigem Bezug einer Versorgung einerseits und laufendem Geschäftsführergehalt andererseits nur bedingt mit den Anforderungen, die für das Handeln des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Kapitalgesellschaft maßgeblich sind, verträgt. Ein solcher Geschäftsleiter verlangt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs in seiner aktuellen Entscheidung vom 15.3.2023 unter dem Aktenzeichen I R 41/19, entweder das Einkommen aus der fortbestehenden Tätigkeit als Geschäftsführer auf die Versorgungsleistung anzurechnen oder den vereinbarten Eintritt der Versorgungsfälligkeit aufzuschieben, bis der Begünstigte seine Geschäftsführerfunktion beendet hat. Im Fall der Weiterbeschäftigung schließen sich deshalb wechselseitig uneingeschränkte Zahlung von Versorgung und laufendem Gehalt aus der hierfür maßgeblichen Sicht des Leistenden grundsätzlich aus. Die entgegenstehende Interessenslage des Begünstigten soll nach Auffassung des Bundesfinanzhofs im vorgenannten Urteil insoweit unbeachtlich sein.
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs würde ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht gleichzeitig sowohl die Vollversorgung als auch ein volles Gehalt für die Tätigkeit zahlen. Er würde aber auch nicht erwarten, dass ein eigentlich pensionierter Geschäftsführer umsonst weiterarbeitet. Vielmehr würde er grundsätzlich bereit sein, neben der Versorgung, die nur für die angemessene Versorgung im Ruhestand gezahlt wird, für die zusätzlichen Dienste aufgrund der fortgeführten und wieder aufgenommenen Tätigkeit als Geschäftsführer ein Gehalt bis zur Höhe der Differenz zwischen der Versorgung und den letzten Aktivbezügen zu zahlen. Der Versorgungscharakter der Versorgungszahlungen soll unter diesen Umständen grundsätzlich erhalten bleiben.
Allerdings kann nach Auffassung des Bundesfinanzhofs eine Weiter- oder Folgebeschäftigung mit reduzierten Arbeitszeiten oder auch nur reduzierten Aufgabenbereichen dazu führen, dass die Differenz zwischen Versorgung und letzten Aktivbezügen nicht vollständig ausgeschöpft werden kann, ohne eine verdeckte Gewinnausschüttung auszulösen, vielmehr in diesen Fällen also eine anteilige Kürzung dieses vom Bundesfinanzhof als unschädlichen Betrag bezeichneten Wertes erforderlich ist.
Auch wenn es sich dabei tatsächlich um die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs handelt, da dieser bereits in seiner Entscheidung vom 5.3.2008 unter dem Aktenzeichen I R 12/07 mit Hinblick auf die Kapitalabfindung des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH bei Fortführung des Dienstverhältnisses entsprechend entschieden hat, muss die Sichtweise der obersten Finanzrichter dennoch als praktisch mindestens bedenklich eingeordnet werden.
Der Grund: Regelmäßig geht man bei der Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung vom sogenannten Fremdvergleich aus. Wie oben bereits erwähnt, sagt der Bundesfinanzhof aktuell ganz ausdrücklich, dass eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis regelmäßig dann anzunehmen ist, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Exakt aus diesem Grunde halten wir vorliegend die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für bedenklich, da der Fremdvergleich mit einem fremden Dritten hier standhalten würde.
Hätte der fremde Dritte die Voraussetzung für seinen Versorgungsbezug erreicht, würde dieser sicherlich nicht auf den Versorgungsbezug (oder auf Teile darauf) verzichten wollen. Würde der fremde Dritte weiterhin als Fremdgeschäftsführer in der Gesellschaft tätig sein (und insbesondere auch den gleichen zeitlichen Aufwand betreiben und einen identischen Aufgabenbereich haben) würde er sicherlich diesen Job nicht für weniger Geld machen. Insoweit zeigt die Praxis, dass gerade beim Fremdvergleich der fremde Dritte sowohl seine vollen Versorgungsbezüge verlangen würde als auch das für die Tätigkeit adäquate Gehalt.
Nichtsdestotrotz muss man hier sagen: Ist das Urteil noch so schlecht, der Bundesfinanzhof hat leider immer recht.