Das Urteil des Bundesfinanzhofes vom 5.9.2023 unter dem Aktenzeichen IV R 24/20 behandelt die Anwendung der sogenannten »Abfärberegelung« gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetz (EStG) und deren Vereinbarkeit mit dem verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot.
Im konkreten Fall handelt es sich um eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, die auch geringfügige gewerbliche Einkünfte erzielt. Die zentrale Frage war, ob diese gewerblichen Einkünfte dazu führen, dass die gesamten Einkünfte der Gesellschaft als gewerbliche Einkünfte zu behandeln sind.
Der Bundesfinanzhof entschied, dass bereits geringfügige gewerbliche Tätigkeiten ausreichen, um sämtliche Einkünfte der Personengesellschaft als gewerblich zu qualifizieren. Eine Geringfügigkeitsgrenze existierte nicht, was bedeutet, dass auch kleinste gewerbliche Tätigkeiten die Einkünfte infizieren. Die Begründung der obersten Finanzrichter der Republik betont, dass die Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG klar und eindeutig ist und keine Ausnahmen für geringfügige Tätigkeiten vorsieht. Dies dient der Vermeidung steuerlicher Vorteile durch die Kombination unterschiedlicher Einkunftsarten. Eine differenzierte Betrachtung nach dem Umfang der gewerblichen Tätigkeit ist laut Bundesfinanzhof nicht vorgesehen und auch verfassungsrechtlich nicht zwingend erforderlich.
Frühere Entscheidungen hatten teilweise eine Bagatellgrenze eingeführt, beispielsweise das Bundesfinanzhof-Urteil vom 27.08.2014 unter dem Aktenzeichen VIII R 16/11, das eine Bagatellgrenze von 3% der Gesamtnettoumsätze und 24.500 Euro festlegte. Diese Regelungen wurden jedoch durch die neuere Rechtsprechung und Gesetzesänderungen relativiert.
Zusätzlich wurde in verschiedenen Urteilen und Kommentaren klargestellt, dass die Abfärberegelung auch dann greift, wenn die gewerblichen Einkünfte nur einen kleinen Teil der Gesamteinkünfte ausmachen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Einkünfte positiv oder negativ sind. Auch bei Beteiligungseinkünften greift die Abfärberegelung ohne Bagatellgrenze.
Die vorstehende aktuelle Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Personengesellschaften, die ihre Einkünfte genau prüfen müssen, um eine gewerbliche Einstufung zu vermeiden. Die verfassungsmäßige Beständigkeit dieser Regelung wurde seitens des Bundesfinanzhofes ebenfalls bestätigt, sodass die aktuelle Gesetzeslage weiterhin Bestand hat.
Abzuwarten bleibt, ob sich noch das Bundesverfassungsgericht im Wege einer Verfassungsbeschwerde mit der Frage beschäftigen muss. Derartiges ist jedoch aktuell nicht bekannt oder abzusehen.