Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 23.08.2023 unter dem Aktenzeichen X R 16/21 behandelt eine steuerliche Fragestellung, die besonders im Zusammenhang mit der Erstattung von Kirchensteuer relevant ist. Die grundsätzliche Frage war, ob die Zahlung einer Kirchensteuer, die ein Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber im Rahmen eines Regresses erstattet, als Werbungskosten oder als Sonderausgabe bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden kann. Diese Thematik berührt nicht nur die steuerrechtliche Einstufung von Ausgaben, sondern auch die Frage nach dem Zusammenhang zwischen beruflichen Tätigkeiten und privaten Steuerpflichten.
Im vorliegenden Fall wurde ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der spätere Kläger, von seiner Arbeitgeber-GmbH in Regress genommen, nachdem die GmbH aufgrund einer Lohnsteueraußenprüfung für den Kläger Lohn- und Kirchensteuer nachzahlen musste. Die GmbH haftete gemäß § 42d des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Arbeitgeberin für die nicht abgeführte Steuer. Der Kläger erstattete der GmbH daraufhin die Kirchensteuer und machte diese Zahlung in seiner Einkommensteuererklärung als Sonderausgabe geltend.
Das Finanzamt lehnte dies ab und argumentierte, dass die Zahlung nicht als Sonderausgabe abzugsfähig sei, da der Kläger nicht auf seine eigene Kirchensteuerschuld, sondern lediglich im Rahmen eines zivilrechtlichen Regresses gezahlt habe. Auch das Finanzgericht Münster wies die Klage des Klägers ab und stellte fest, dass die Erstattung der Kirchensteuer nicht auf einer eigenen Steuerschuld des Klägers, sondern auf der Haftung der GmbH beruhte.
Der Bundesfinanzhof entschied zugunsten des Klägers und hob das Urteil des Finanzgerichts Münster auf. Er stellte klar, dass die vom Kläger an die GmbH gezahlte Kirchensteuer als Sonderausgabe nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzugsfähig ist. Diese Zahlung sei auf die persönliche Kirchensteuerschuld des Klägers erfolgt, auch wenn sie im Rahmen eines Regresses an den Arbeitgeber geleistet wurde.
Der Bundesfinanzhof führte aus, dass die Erstattung der Kirchensteuer durch den Kläger an die GmbH nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar ist. Werbungskosten setzen einen objektiven Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit voraus, der hier nicht gegeben sei, da die Zahlung auf einem zivilrechtlichen Anspruch basiere und nicht direkt durch die berufliche Tätigkeit des Klägers verursacht wurde.
Jedoch kann die Erstattung als Sonderausgabe abgezogen werden. Der Bundesfinanzhof begründete dies damit, dass es sich bei der Erstattung an den Arbeitgeber um eine Zahlung auf die eigene Kirchensteuerschuld des Klägers handelt. Die GmbH hatte die Steuer im Vorgriff auf eine Nachforderung abgeführt, die den Kläger als Steuerschuldner belastete. Somit handelte es sich bei der Erstattung durch den Kläger an die GmbH um eine Zahlung auf seine persönliche Steuerschuld, was den Abzug als Sonderausgabe rechtfertigt.
Wichtig für die Einordnung als Sonderausgabe ist der Umstand, dass die Erstattung der Kirchensteuer durch den Kläger nicht als Drittaufwand gewertet wurde. Der Bundesfinanzhof betonte, dass die Zahlung durch den Arbeitgeber im Wege des Steuerabzugs und die anschließende Erstattung durch den Arbeitnehmer als Teil des Lohnsteuerverfahrens anzusehen sei. Der Kläger wurde durch diese Zahlung wirtschaftlich belastet und war rechtlich verpflichtet, die Steuerschuld zu begleichen, was ihn zum Abzug berechtigte.