9. Für Arbeitnehmer: Steuerfreie Zuschläge bei Bereitschaftsdiensten

Das deutsche Einkommensteuergesetz regelt in § 3b die Steuerbefreiung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Dabei stellt sich häufig die Frage, welche Entgeltbestandteile als Grundlage für die Steuerfreiheit heranzuziehen sind. Besonders relevant ist dies bei Bereitschaftsdiensten, da hier die Abgrenzung zwischen dem Grundlohn und der Vergütung für die Bereitschaftszeiten äußerst komplex sein kann.

Der Bundesfinanzhof hat am 11.4.2024 unter dem Aktenzeichen VI R 1/22 entschieden, wie die Steuerfreiheit von Nachtarbeitszuschlägen bei Bereitschaftsdiensten zu bemessen ist und dabei seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2002 ausdrücklich aufgegeben.

Der aktuelle Entscheidungssachverhalt verdeutlicht, worauf es ankommt: Im vorliegenden Fall betrieb die Klägerin, eine Förderschule mit Internat, eine Einrichtung, in der Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen auch in der Nacht betreut wurden. Die Beschäftigten der Klägerin leisteten neben ihrer regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienste in den Nachtstunden, die nach arbeitsvertraglichen Regelungen gesondert entlohnt wurden. Die Zeit der nächtlichen Bereitschaft wurde nur zu 25 Prozent als Arbeitszeit anerkannt und entsprechend faktorisiert. Zusätzlich erhielten die Mitarbeiter für diese Zeiten Zuschläge in Höhe von 15 Prozent ihres individuellen Tabellenentgelts. Während das Finanzamt die Steuerfreiheit dieser Zuschläge auf das reduzierte Bereitschaftsdienstentgelt beschränken wollte, vertrat die Klägerin die Ansicht, dass die Zuschläge nach dem vollen Tabellenentgelt steuerfrei bleiben müssten.

Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung der Klägerin und entschied, dass die Steuerfreiheit der Zuschläge sich nach dem Grundlohn, also dem laufenden Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit, bemisst und nicht nach dem Bereitschaftsdienstentgelt. Der Grundlohn ist der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei seiner regelmäßigen Arbeitszeit zusteht. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist zudem, dass die Zuschläge zusätzlich zum Grundlohn gezahlt werden und zweckbestimmt sind, das heißt, sie müssen ausschließlich für die tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gewährt werden. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Tätigkeit während der begünstigten Zeiten besonders belastend war oder nicht. Entscheidend ist lediglich, dass die Arbeit zu diesen Zeiten erbracht wurde.

Die obersten Finanzrichter der Republik stellten weiter klar, dass auch Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden, als zuschlagsbewehrte Tätigkeiten im Sinne von § 3b des Einkommensteuergesetzes gelten können. Die Bereitschaftsdienstzeiten sind von der regelmäßigen Arbeitszeit zu unterscheiden und dürfen zusätzlich entlohnt werden. Das Gericht hob hervor, dass die Steuerfreiheit der Zuschläge nicht durch die Besonderheiten der Bereitschaftsdienste eingeschränkt werden darf, da die gesetzliche Regelung keine derartige Differenzierung vorsieht. Die Höhe der Steuerfreiheit richtet sich nach dem vollen Stundenlohn des Grundlohns, unabhängig von einer eventuell reduzierten Vergütung für die Bereitschaftszeiten.

Mit dieser Entscheidung wurde im Fazit klargestellt, dass Zuschläge für Bereitschaftsdienste zu den gleichen Bedingungen steuerfrei gestellt werden können wie Zuschläge für reguläre Nachtarbeit. Gleichzeitig wurde die bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2002, die eine Differenzierung zwischen regulärer Arbeitszeit und Bereitschaftsdienstzeiten vorsah, ausdrücklich aufgegeben.