Im Bereich der Besteuerung von Kapitalanlagen stellt sich regelmäßig die Frage, wie komplex ausgestaltete Finanzprodukte steuerlich einzuordnen sind. Besonders strittig ist dabei häufig, ob Gewinne aus solchen Anlagen dem pauschalen Abgeltungsteuersatz oder dem persönlichen Steuersatz unterliegen und ob Verluste verrechnet werden dürfen.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8.5.2024 unter dem Aktenzeichen VIII R 28/20 beleuchtet diese Problematik anhand zweier tatsächlich eher spezieller Finanzinstrumente – sogenannter Reverse Convertible Bonds – und stellt insbesondere klar, wie die Einlösung solcher Anleihen unter Andienung von Xetra-Gold-Schuldverschreibungen steuerlich zu behandeln ist. Auch wenn sich dies schwerverdaulich anhört, ist der Sachverhalt durchaus interessant!
Im zugrunde liegenden Fall hatten die Kläger, ein Ehepaar, im Streitjahr 2016 neben dem Erwerb sämtlicher Anteile an einer GmbH auch zwei Anleihen mit einem Nennwert von jeweils 3.600.000 Euro erworben. Es handelte sich dabei um Indexanleihen, deren Rückzahlungsmodalitäten von der Entwicklung eines bestimmten Goldminen-Index abhängig waren. Bei fallenden Kursen des Index war vorgesehen, dass die Emittentin dem Gläubiger anstelle einer vollständigen Geldrückzahlung Xetra-Gold-Schuldverschreibungen oder Anteile eines börsengehandelten Fonds (ETF) liefern durfte.
Die eine dieser Anleihen, die sogenannte PMO-Anleihe, wurde vor dem Rückzahlungstermin an die GmbH des Klägers veräußert. Diese Veräußerung führte zu einem erheblichen Verlust von rund 3,5 Millionen Euro.
Die zweite Anleihe, die sogenannte GS-Anleihe, wurde hingegen bei Fälligkeit von der Emittentin durch Andienung von Xetra-Gold-Schuldverschreibungen eingelöst. Diese Schuldverschreibungen wurden im Streitjahr nicht veräußert, ihr Wert zum Einlösungszeitpunkt betrug jedoch über 7 Millionen Euro, was gegenüber den Anschaffungskosten einen rechnerischen Gewinn von etwa 3,4 Millionen Euro bedeutete.
Das Finanzamt behandelte den Verlust aus der Veräußerung der PMO-Anleihe als nach § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerlich relevant, allerdings nur im Rahmen des gesonderten Abgeltungsteuertarifs. Den rechnerischen Gewinn aus der Einlösung der GS-Anleihe behandelte es als steuerpflichtig. Das Finanzgericht München erkannte den Verlust aus der PMO-Anleihe jedoch als tariflich zu besteuernden Kapitalverlust an und folgte der Auffassung des Finanzamts bezüglich der Steuerpflicht des Einlösungsgewinns aus der GS-Anleihe. Beide Seiten legten Revision beim Bundesfinanzhof ein.
Die obersten Finanzrichter entschieden nun in zwei zentralen und durchaus bemerkenswerten Punkten:
Zum einen bestätigten sie die Entscheidung des Finanzgerichts, dass der Verlust aus der Veräußerung der PMO-Anleihe als tariflich zu versteuernder negativer Kapitalertrag nach § 32d Absatz 2 Nummer 1 Satz 1 Buchstabe b EStG anzusehen ist. Die Anleihe stellte eine sonstige Kapitalforderung im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 7 EStG dar, die auch eine Einkünfteerzielungsabsicht begründete. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 der Abgabenordnung (AO) liegt dabei erfreulicherweise nicht vor, da der Kläger lediglich eine gesetzlich vorgesehene Gestaltung genutzt habe. Es kann keinem verboten werden, etwas unter fremdüblichen Gesichtspunkten an eine GmbH zu veräußern.
Zum anderen entschied das oberste Finanzgericht, dass die Einlösung der GS-Anleihe unter Andienung von Xetra-Gold-Schuldverschreibungen nicht zu einem steuerpflichtigen Einlösungsgewinn führt. Vielmehr sei § 20 Absatz 4a Satz 3 EStG in der bis Ende 2020 geltenden Fassung anzuwenden. Diese Norm sieht vor, dass bei der Einlösung einer Kapitalforderung unter Andienung von Wertpapieren anstelle eines Geldbetrags nicht der Marktwert der erhaltenen Wertpapiere, sondern die Anschaffungskosten der Forderung als Veräußerungspreis gelten. Das bedeutet, dass kein steuerpflichtiger Gewinn entsteht, sondern der steuerliche Gewinn auf den Zeitpunkt der späteren Veräußerung der erhaltenen Wertpapiere verschoben wird.
Besonders hervorzuheben ist dabei die Klarstellung der Richter, dass Xetra-Gold-Schuldverschreibungen unter den Wertpapierbegriff des § 2 Absatz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes fallen und somit in den Anwendungsbereich des § 20 Absatz 4a Satz 3 EStG fallen. Eine einschränkende Auslegung oder teleologische Reduktion dieser Vorschrift sei ausgeschlossen, selbst wenn die Regelung in der Praxis steuerlich missbräuchlich genutzt werden könnte. Dies sei Aufgabe des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, wie die Richter klarstellten.
Der Gesetzgeber hat zwar zum 1.1.2021 eine Einschränkung des Anwendungsbereichs vorgenommen, diese sei jedoch nicht rückwirkend anzuwenden.
In der Folge musste der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr geändert werden: Der Verlust aus der Veräußerung der PMO-Anleihe war vollständig tariflich zu berücksichtigen. Für die GS-Anleihe ergab sich kein steuerpflichtiger Gewinn. Die gesamten dem gesonderten Tarif unterliegenden Kapitalerträge der Kläger wurden dadurch um 91.187 Euro erhöht – allerdings nicht zum Nachteil der Kläger, da sie selbst diese Rechtsauffassung vertreten hatten.