1. Für alle Steuerpflichtigen: Schenkung oder keine Schenkung, das ist hier die Frage!

Die Besteuerung von Schenkungen unterliegt speziellen Regelungen, insbesondere wenn es um die unentgeltliche oder teilunentgeltliche Übertragung von Unternehmensanteilen geht. In diesem Zusammenhang stellt sich oft die Frage, ob eine Vermögensverschiebung innerhalb einer Familie oder zwischen Gesellschaftern steuerpflichtig ist. Besonders relevant wird dies, wenn der Wert von Geschäftsanteilen durch eine externe Handlung, wie den Verzicht auf Ansprüche, steigt. Das Finanzgericht Münster hatte sich mit einem Fall zu befassen, bei dem die Übertragung von GmbH-Anteilen und der Verzicht auf ein erbvertragliches Vermächtnis zur Diskussion standen.

Im vorliegenden Streitfall ging es um eine GmbH, die 1980 gegründet wurde und seit 1992 in ihrer heutigen Form existiert. Der Unternehmensgründer, Vater des Klägers, hatte seine beiden Söhne frühzeitig in das Unternehmen eingebunden und ihnen jeweils einen Teil seiner Gesellschaftsanteile übertragen. Um die weitere Nachfolge zu regeln, setzte er einen Erbvertrag auf, in dem festgelegt wurde, dass die beiden Brüder jeweils die Hälfte der verbliebenen Geschäftsanteile erben sollten. Allerdings kam es zu einem Zerwürfnis zwischen den Brüdern, woraufhin der Vater den Erbvertrag gegenüber einem der Söhne widerrief. Dieser Sohn stimmte dem Verzicht auf seinen Anteil zu und erhielt als Ausgleich eine Zahlung von 600.000 Euro. Später verkaufte er seinen Gesellschaftsanteil an die GmbH zu einem Kaufpreis von 2.100.000 Euro.

Das Finanzamt nahm an, dass die Übertragung der Geschäftsanteile eine gemischte Schenkung im Sinne des § 7 Abs. 8 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) darstelle. Es argumentierte, dass der tatsächliche Wert der Anteile deutlich über dem vereinbarten Kaufpreis lag, wodurch eine teilweise unentgeltliche Übertragung vorliege. Dementsprechend setzte das Finanzamt Schenkungsteuer fest.

Der Kläger erhob Einspruch mit der Begründung, dass die Kaufpreisfindung auf fremdüblichen Bedingungen basierte und kein Schenkungswille vorlag, da die Brüder in einem zerrütteten Verhältnis standen. Da die Zahlung ein klarer Kaufpreis gewesen sei und nicht aus familiärer Verbundenheit gewährt wurde, sei keine Schenkung gegeben.

Das Finanzgericht Münster gab dem Kläger recht und hob den Schenkungsteuerbescheid auf. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht erfüllt seien. Neben anderen Punkten führte das Gericht aus, dass für eine freigebige Zuwendung ein subjektives Element erforderlich sei. Das bedeutet, dass der Zuwendende sich bewusst sein muss, eine unentgeltliche oder teilweise unentgeltliche Leistung zu erbringen. Im konkreten Fall konnte das Finanzamt nicht nachweisen, dass der Sohn in dem Bewusstsein gehandelt hatte, seine Anteile unter Wert abzugeben. Vielmehr ergaben die Beweisaufnahme und die Zeugenaussage, dass der Kaufpreis in Verhandlungen ermittelt und nicht aus familiärer Rücksichtnahme reduziert wurde. Der Sohn ließ sich anwaltlich beraten, war sich des Werts seiner Anteile nicht bewusst und strebte eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung an. Zudem führte das Gericht aus, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren, das das Finanzamt zur Bewertung heranzog, keine präzise Grundlage für die Feststellung eines tatsächlichen Verkehrswerts darstellt.

Schließlich stellte das Gericht klar, dass das Finanzamt die Beweislast für das Vorliegen einer Schenkung trägt und dass allein eine Wertdifferenz zwischen Kaufpreis und rechnerischem Unternehmenswert nicht genügt, um eine unentgeltliche Zuwendung anzunehmen. Entscheidend sei die tatsächliche Kaufpreisfindung und die Absicht der Vertragsparteien.

Das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 23. Mai 2024 unter dem Aktenzeichen 3 K 2585/21 Erb verdeutlicht, dass eine unentgeltliche Zuwendung nur dann der Schenkungsteuer unterliegt, wenn eine bewusste Bereicherung des Begünstigten ohne adäquate Gegenleistung vorliegt. Es bestätigt die Notwendigkeit eines subjektiven Elements und stellt klar, dass ein Zerwürfnis zwischen den Vertragsparteien gegen die Annahme einer freigebigen Zuwendung sprechen kann.