1. Für alle Steuerpflichtigen: Ohne Beauftragung mit der Erstellung der Steuererklärungen keine Verlängerung der Erklärungsabgabefrist

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Viele Steuerpflichtige haben in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Abgabefristen für Steuererklärungen immer strenger überwacht werden. Besonders seit der Einführung automatischer Verspätungszuschläge in der Abgabenordnung (AO) stellt sich regelmäßig die Frage, ob und in welchem Umfang Fristverlängerungen greifen.

Dabei geht es oft um die Unterscheidung, ob eine Steuererklärung von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt wird und deshalb eine verlängerte Abgabefrist nach § 149 Absatz 3 der Abgabenordnung (AO) gilt oder nicht. Der Streit entzündet sich häufig an der Frage, wann wirklich von einer Beauftragung gesprochen werden kann. Mit dieser Problematik hatte sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg am 17.9.2024 unter dem Aktenzeichen 8 K 8033/24 zu befassen.

Im konkreten Fall verwaltete die Klägerin als Kapitalgesellschaft eigenes Vermögen. Hauptgesellschafterin war die Geschäftsführerin, daneben hielt ihr Ehemann, ein Rechtsanwalt, einen kleinen Anteil. Zunächst war eine Steuerberaterin für die Gesellschaft tätig und übernahm die Erstellung der Erklärungen. Im Jahr 2023 teilte die Gesellschaft dem Finanzamt jedoch mit, dass diese Beraterin nicht mehr beauftragt sei. Die Steuererklärungen für 2021 wurden schließlich erst am 17.9.2023 eingereicht. Das Finanzamt setzte deshalb Verspätungszuschläge für Körperschaftsteuer, Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer fest. Es verwies darauf, dass die reguläre Abgabefrist für nicht beratene Steuerpflichtige am 31.10.2022 geendet habe. Die Klägerin wandte dagegen ein, dass sie durch den mitbeteiligten Rechtsanwalt vertreten sei und deshalb die verlängerte Abgabefrist für beratene Steuerpflichtige gelte. Zudem verwies sie auf die coronabedingten Sonderregelungen, nach denen die Frist auf den 31.8.2023 verlängert worden war. Da die Abgabe nur kurze Zeit später erfolgt sei, dürften keine Zuschläge festgesetzt werden.

Das Finanzamt sah dies erwartungsgemäß anders. Es verlangte einen Nachweis der anwaltlichen Bevollmächtigung, der zunächst nicht vorgelegt wurde. Aus seiner Sicht war der Ehemann nicht im Rahmen einer ordentlichen Beauftragung nach § 149 Absatz 3 AO tätig, sondern lediglich als Gesellschafter und Ehemann der Geschäftsführerin. Deshalb habe er nicht als typischer externer Berater gegolten. Auch die Verlängerungen durch die Corona-Steuerhilfegesetze seien gesetzlich festgelegt und keine individuelle Fristverlängerung durch die Behörde.

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg gab der Klage nur teilweise statt. Für die Körperschaftsteuer blieb es bei dem Verspätungszuschlag. Nach Auffassung der Richter handelt es sich hier um einen zwingenden Zuschlag nach § 152 Absatz 2 Nummer 1 AO. Denn die Erklärung wurde nach Ablauf der verlängerten Frist von 20 Monaten abgegeben, die für 2021 aufgrund der Sonderregelung in Art. 97 § 36 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) galt. Selbst wenn man einen Beraterfall annehmen würde, war die Abgabe am 17.9.2023 verspätet, da die Frist am 31.8.2023 endete. Außerdem lag keine Rückausnahme nach § 152 Absatz 3 AO vor, weil weder eine Fristverlängerung durch das Finanzamt gewährt noch die Steuer auf null festgesetzt wurde.

Anders beurteilte das Gericht die Zuschläge zur Umsatzsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag. Hier lag entweder eine Steuer von null oder ein Erstattungsbetrag vor. In solchen Fällen sieht § 152 Absatz 3 AO vor, dass es nicht zu einem zwingenden Zuschlag kommt, sondern die Behörde Ermessen ausüben muss. Dieses Ermessen hatte das Finanzamt jedoch gar nicht geprüft, sondern pauschal Zuschläge festgesetzt. Das wertete das Gericht als Ermessensausfall. Die Bescheide waren deshalb rechtswidrig und aufzuheben.

Besondere Bedeutung hat das Urteil in Bezug auf die Auslegung von § 149 Absatz 3 AO. Das Gericht stellte klar, dass nicht jede Bevollmächtigung ausreicht, um die verlängerte Frist in Anspruch nehmen zu können. Entscheidend ist, dass ein echter Auftrag zur Erstellung der Steuererklärung an einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erteilt wird. Handelt eine Person lediglich in eigener Sache oder als Gesellschafter, wie hier der Rechtsanwalt-Ehemann, reicht dies nicht aus. Sinn und Zweck der Norm ist es, die Arbeitsbelastung derjenigen zu entzerren, die für viele Mandanten tätig sind. Daher fallen nur die klassischen »professionellen Erklärer« unter die Sonderregelung.

Das Gericht widersprach damit ausdrücklich einer anderen Auffassung, die das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht am 15.12.2023 unter dem Aktenzeichen 3 K 88/22 vertreten hatte. Dort war man davon ausgegangen, dass die coronabedingten Fristverlängerungen wie behördliche Verlängerungen nach § 109 AO zu behandeln sind. Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg folgte dieser Ansicht nicht, da es sich um eine gesetzliche Maßnahme handelte und nicht um eine Ermessensentscheidung der Behörde.