Gesundheitskosten spielen im Steuerrecht eine besondere Rolle, weil sie unter bestimmten Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Damit lassen sich steuerliche Nachteile abmildern, die durch Krankheits- oder Behandlungskosten entstehen. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit geschaffen, weil Krankheitskosten im Gegensatz zu normalen Lebenshaltungskosten oft unvermeidbar und mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sind. Allerdings legt das Gesetz enge Maßstäbe an, wann eine Ausgabe als außergewöhnliche Belastung anerkannt wird, und unterscheidet strikt zwischen zwingend notwendigen Krankheitskosten und Aufwendungen, die eher in den Bereich der privaten Lebensführung fallen.
In dem nun entschiedenen Fall war die Klägerin körperlich beeinträchtigt und litt an schmerzhaften Bewegungseinschränkungen. Zur Behandlung erhielt sie im Jahr 2018 ein ärztlich verordnetes Funktionstraining in Form von Wassergymnastik. Die Krankenkasse übernahm hierfür die Kosten. Zunächst führte sie das Training bei einem Kneipp-Verein durch, konnte dort jedoch aufgrund ihrer privaten und beruflichen Verpflichtungen nur samstags teilnehmen. Deshalb wechselte sie zu einem nahegelegenen Fitnessstudio, das zeitlich flexiblere Kurse anbot. Die Kurse wurden von qualifizierten Übungsleitern im Rahmen des Rehabilitationssports durchgeführt. Voraussetzung für die Teilnahme war jedoch eine Mitgliedschaft sowohl im Fitnessstudio als auch in einem weiteren Verein sowie der Erwerb eines Grundmoduls, das unter anderem die Nutzung des Schwimmbads und der Sauna beinhaltete. Während die Krankenkasse die Kosten des eigentlichen Funktionstrainings übernahm, musste die Klägerin die Mitgliedsbeiträge und das Grundmodul selbst zahlen. Diese machte sie in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend.
Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen nicht an. Das Finanzgericht Niedersachsen gab der Klägerin nur teilweise Recht: Fahrtkosten zum Training und Mitgliedsbeiträge für den Verein wurden berücksichtigt, nicht jedoch die Kosten für die Mitgliedschaft im Fitnessstudio und das Grundmodul. Dagegen legte die Klägerin Revision ein. Sie argumentierte, dass sie die Mitgliedschaft zwingend habe eingehen müssen, um das ärztlich verordnete Funktionstraining wahrnehmen zu können. Das Finanzamt hielt dagegen, dass es sich nicht um zwangsläufige Krankheitskosten, sondern um freiwillige Aufwendungen der Lebensführung handele.
Die obersten Finanzrichter entschieden am 21.11.2024 unter dem Aktenzeichen VI R 1/23, dass die Revision unbegründet ist. Sie bestätigten damit die Entscheidung des Finanzgerichts. Nach § 33 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind außergewöhnliche Belastungen nur dann abziehbar, wenn dem Steuerpflichtigen Aufwendungen zwangsläufig entstehen. Zwangsläufigkeit liegt nur vor, wenn sich der Steuerpflichtige den Kosten aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Krankheitskosten fallen grundsätzlich darunter, allerdings nur dann, wenn sie unmittelbar der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs handelt es sich bei Fitnessstudiobeiträgen nicht um Krankheitskosten, sondern um allgemeine Aufwendungen für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Diese Leistungen werden auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen und sind daher den nicht abzugsfähigen Lebenshaltungskosten nach § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen. Der Umstand, dass die Klägerin für den Zugang zum Funktionstraining eine Mitgliedschaft benötigte, ändert daran nichts. Diese Entscheidung sei Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, nicht einer echten Zwangslage. Zudem stand der Klägerin durch das Grundmodul auch die Nutzung von Schwimmbad und Sauna offen, unabhängig davon, ob sie diese tatsächlich genutzt hat.

