6. Für Immobilieneigentümer: Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung

Entsprechend der Vorschrift in § 4 Nummer 9 Buchstabe a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Soweit der Grundsatz.
Der Unternehmer kann jedoch ausweislich der Regelung in § 9 Abs. 1 UStG unter anderem einen solchen Umsatz als umsatzsteuerpflichtig behandeln, wenn der Umsatz an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Entsprechend des Wortlautes der Regelung in § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG kann der leistende Unternehmer nur in dem gemäß § 311b Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) notariell zu beurkundenden Vertrag auf die Steuerbefreiung eines Grundstücksumsatzes nach § 4 Nummer 9 a UStG verzichten.
Die Vorschrift ermöglicht nach ihrem Wortlaut in diesen Fällen den Verzicht „nur in dem“ der Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag. Dies ist der Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der der Auflassung und der Eintragung in das Grundbuch vorher geht. Vergleiche insoweit die Regelung in § 311b Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Danach schließt der Wortlaut der Regelung in § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG eine Option zur Steuerpflicht in einer nachfolgenden Neufassung dieses Vertrages selbst dann aus, wenn diese gleichfalls notariell beurkundet wurde.
Insoweit hat auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 21.10.2015 unter dem Aktenzeichen XI R 40/13 klargestellt, dass der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der Lieferung eines Grundstücks außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens nur in dem dieser Grundstückslieferung zugrunde liegenden notariell zu beurkundenden Vertrag erklärt werden kann. Ein späterer Verzicht ist ausweislich der vorgenannten Entscheidung des Bundesfinanzhofs unwirksam, selbst wenn er notariell beurkundet wird.
Dies ist insoweit auch die Auffassung der Finanzverwaltung in ihren Verwaltungsanweisungen. So geregelt in Abschnitt 9.2 Abs. 9 Satz 2 des Umsatzsteuer- Anwendungserlasses. In Abschnitt 9.2 Abs. 9 Satz 3 des Umsatzsteuer Anwendungserlasses geht die Finanzverwaltung jedoch noch einen Schritt weiter und behauptet, dass auch die Rücknahme des Verzichts auf die Umsatzsteuerbefreiung nur in dem notariell zu beurkundenden Vertrag möglich wäre. Diese Aussage hat sich mittlerweile jedoch als falsch herausgestellt.
Entgegen der Verwaltungsanweisungen im Umsatzsteuer Anwendungserlass hat nämlich bereits das Finanzgericht Baden-Württemberg in einer Entscheidung vom 1.8.2019 unter dem Aktenzeichen 1 K 3115/18 klargestellt, dass wenn im notariell beurkundeten Grundstückskaufvertrag auf die Umsatzsteuerbefreiung für die Grundstückslieferung verzichtet worden ist, dieser Verzicht nachträglich sehr wohl bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft, also bis zur Unabänderlichkeit der Umsatzsteuerfestsetzung rückgängig gemacht werden kann. Ganz ausdrücklich weisen die Richter darauf hin, dass die Regelung des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG dem nicht entgegensteht.
Dieser Meinung ist nun ganz aktuell auch der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 2.7.2021 unter dem Aktenzeichen XI R 22/19. Der Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung kann nämlich außerhalb der vorgenannten notariellen Urkunde erfolgen. Auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs ist der Widerruf möglich, solange die Steuerfestsetzung für das Jahr der Leistungserbringung noch anfechtbar oder nach § 164 der Abgabenordnung (AO) änderbar ist, also unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht.
Der Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG betrifft nur den auf die Steuerbefreiung (formal und auch zeitlich) begrenzten Verzicht. Die Regelung betrifft nicht den Widerruf. Der Grundsatz, dass sowohl die Option als auch der Widerruf der Option in gleicher Weise auszuüben sind, gilt nicht mehr nach der Rechtslage durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 für die zeitliche Grenze der Ausübung des Wahlrechts. Denn würde das Recht zum Widerruf des Verzichts auf die Steuerbefreiung gleichzeitig mit dem Verzicht der Steuerbefreiung ausgeübt werden müssen, wäre der Widerruf des Verzichts faktisch ausgeschlossen. Der Zweck der Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 2 UStG steht dem nicht entgegen. Die Regelung soll den Leistungsempfänger vor einem nachträglichen Verzicht des leistenden Unternehmers schützen, um eine nachträgliche Steuerschuld des Leistungsempfängers zu verhindern. Der Widerruf der Option führt dagegen zu einer Steuerbefreiung und damit nicht zu einer Belastung des Leistungsempfängers.
Die maßgeblichen und überwiegenden Stimmen der Literatur sehen dies übrigens nicht anders.