2. Für alle Steuerpflichtigen: Bekanntgabe eines Steuerbescheides zu einer neuen Steuernummer bei umfassend erteilter Empfangsvollmacht

Taschenrechner

Das Niedersächsische Finanzgericht hat in seiner Entscheidung vom 18.3.2022 unter dem Aktenzeichen 7 K 272/20 klargestellt, dass wenn einem Steuerberater ohne Einschränkung eine Empfangsvollmacht erteilt wird, dieser also als Empfangsbevollmächtigter bestellt wird, die Empfangsvollmacht auch für neue Steuernummern des Steuerpflichtigen gilt. Eine irgendwie geartete Einschränkung ergibt sich auch nicht aus dem Beiblatt des amtlichen Vollmachtsformulars.
Auch wenn sich der Leitsatz der Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichtes eher sehr technisch anhört, ist die Entscheidung doch von enormer Bedeutung. Denn an der ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes hängt so einiges. Beispielsweise der Beginn der Rechtsbehelfsfrist. Tatsächlich ist die Entscheidung jedoch auch noch für andere Fragen von außerordentlicher Relevanz, beispielsweise beim Thema der Säumniszuschläge. Entsprechend der gesetzlichen Vorschrift in § 240 Abs. 1 AO ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von einem Prozent des rückständigen Steuerbetrags verwirkt, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags entrichtet wird. Entsprechend § 220 Abs. 1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis grundsätzlich nach den Vorschriften der Steuergesetze. Allerdings tritt gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2 AO die Fälligkeit nicht vor Bekanntgabe der Festsetzung ein. Insoweit ist auch hier relevant, ob ein entsprechender Verwaltungsakt korrekt bekanntgegeben wurde.
Nach § 122 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Gemäß § 80 Absatz 1 Satz 1 AO kann sich ein Beteiligter auch von einem Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmachtserteilung ist nicht formbedürftig, sie kann mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder konkludent erfolgen, wie bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 15.11.1991 unter dem Aktenzeichen VI R 81/89 klargestellt hat. Nur bei der elektronischen Übermittlung von Vollmachtdaten an Landesfinanzbehörden nach § 80 a AO ist das amtliche Muster für Vollmachten im Besteuerungsverfahren zwingend zu verwenden.
Ist nun für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, so soll sich die Finanzbehörde gemäß § 80 Abs. 5 AO an ihn wenden. Für die Bekanntgabe von Verwaltungsakten an einen Bevollmächtigten gilt insoweit § 122 Absatz 1 Satz 3 und 4 AO. Danach kann der Verwaltungsakt auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden. Er soll sogar dem Bevollmächtigten bekanntgegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung bekannt geworden ist.
Eine Verpflichtung zur Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes an den Bevollmächtigten besteht somit dann, wenn ein Bevollmächtigter eindeutig und unmissverständlich auch als Bekanntgabeadressat bestellt worden ist und sich dies unmittelbar aus einer diesbezüglichen Erklärung des Steuerpflichtigen ergibt. So geregelt in § 122 Abs. 1 Satz 4 AO und auch bereits durch den Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 5.10.2000 unter dem Aktenzeichen VII R 96/99 bestätigt. Wird daher ein Steuerbescheid dem betroffenen Steuerpflichtigen bekanntgegeben und dadurch eine von ihm erteilte Bekanntgabevollmacht zu Gunsten seines Steuerberaters nicht beachtet, ist die Bekanntgabe unwirksam! Der Bekanntgabemangel wird durch die Weiterleitung des Steuerbescheids an den Bevollmächtigten allerdings geheilt, wie beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 8.12.1988 unter dem Aktenzeichen IV R 24/87 entschieden hat.
Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt daher das Folgende: Hat ein Steuerpflichtiger seinen Bevollmächtigten schriftlich umfassend für alle Steuerarten bevollmächtigt und ihm auch eine umfassende Bekanntgabevollmacht erteilt, wird das Ermessen der Finanzverwaltung hinsichtlich der Auswahl des Bekanntgabeadressaten auf null reduziert. Jeder Bescheid, auch ein solcher, bei dem eine neue Steuernummer vergeben wird, wie es beispielsweise in Grunderwerbsteuerbescheiden der Fall ist, muss somit über den Bevollmächtigten bekanntgegeben werden.
Klar und deutlich führen die Richter des Niedersächsischen Finanzgerichtes weiter aus, dass sich etwas anderes auch nicht daraus ergibt, dass die Klägerin im vorliegenden Fall das amtliche Vollmachtsformular inklusive Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen genutzt hat. Zunächst hat die Klägerin keine Beschränkung der Vollmacht auf bestimmte Steuernummern vorgenommen. Sie hat bei der Steuernummer lediglich „neu“ angegeben. Damit hat sie zur Überzeugung des Senats zum Ausdruck gebracht, dass die Vollmacht für alle (auch zukünftig zu erteilende) Steuernummern gelten soll. Der Vortrag des Finanzamtes, die Vollmacht habe sich nur auf die Einkommensteuernummer bezogen, ist auch insoweit nicht schlüssig nach Meinung der erstinstanzlichen Richter, da auf dem Beiblatt von der Klägerin keine Steuernummer angegeben wurde. Das Finanzamt hätte daher die Vollmacht also entweder gar nicht oder eben für alle (auch künftigen Steuernummern) beachten müssen.

Insoweit kommt einer uneingeschränkten Empfangsvollmacht eine sehr hohe Bedeutung zu. Leider ist die Streitfrage vorliegend jedoch noch nicht erledigt, da die Finanzverwaltung Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt hat. Unter dem Aktenzeichen II R 10/22 müssen die obersten Finanzrichter der Republik daher nun prüfen, ob die Empfangsvollmacht auch für neue Steuernummern gilt, wenn ein Steuerberater ohne Einschränkung als Empfangsbevollmächtigter bestellt wird.

Ebenso ist im konkreten Streitfall noch zu prüfen, ob es eine Bedeutung hat, dass sich die Zuständigkeit hinsichtlich der Veranlagung der Personengesellschaft, hier wurde die Vollmacht abgegeben, und der Grunderwerbsteuerstelle in einem Finanzamt konzentriert.

Da damit zu rechnen ist, dass entsprechende Fälle in der Praxis nicht gerade selten auftreten, sollten sich Betroffene an das Musterverfahren anhängen, wenn das Finanzamt eine uneingeschränkte Empfangsvollmacht nicht beachtet hat.