4. Für Rentner: Entscheidendes Jahr des Rentenbeginns bei aufgeschobener Altersrente

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Insbesondere Leibrenten, die unter anderem aus den berufsständischen Versorgungswerken erbracht werden, gehören zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen im Bereich der sonstigen Einkünfte. Der Anteil der Rente, der der Besteuerung unterliegt, ist dabei nach dem Jahr des Rentenbeginns und dem für dieses Jahr maßgeblichen Prozentsatz entsprechend der Tabelle in § 22 Nummer 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu entnehmen. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezuges. Hinsichtlich des Besteuerungsanteils kann daher pauschal festgehalten werden, dass dieser umso niedriger ist, je früher die Rente beginnt. So beträgt der Besteuerungsanteil für 2023 83 % und steigt dann bis ins Jahr 2040 jährlich um einen Prozentpunkt auf bis zu 100 %.
Schon ausweislich der Rechtslage vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes war die Höhe des damals für die Rentenbesteuerung maßgebenden Ertragsanteils vom Beginn der Rente abhängig und in einer Tabelle in § 22 EStG alte Fassung geregelt. Hierzu hatte bereits der Bundesfinanzhof entschieden, dass als Beginn der Rente der Zeitpunkt des Entstehens des Rentenanspruchs (also die Erfüllung seiner Voraussetzungen) anzusehen ist. So beispielsweise in der Ursprungsentscheidung des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 6.4.1976 unter dem Aktenzeichen VIII R 184/72. Soweit ersichtlich, hat der Bundesfinanzhof seine Auffassung zudem mit Entscheidung vom 14.11.2001 unter dem Aktenzeichen X R 90/98 zuletzt wiederholt.
Zu der ab 2005 durch das Alterseinkünftegesetz geltenden Rechtslage ist dabei die bisherige Rechtsprechung zum damaligen Begriff des „Beginns der Rente“ weiterhin maßgeblich, auch wenn das Einkommensteuergesetz ab dem Jahre 2005 den Begriff „Jahr des Rentenbeginns“ verwendet. Fakt ist nämlich insoweit, dass sich an den Grundlagen auch durch den Systemwechsel aufgrund des Alterseinkünftegesetzes nichts geändert hat und für die Ermittlung des steuerpflichtigen Anteils der Rente weiterhin das Jahr des Rentenbeginns entscheidend ist. So auch zu entnehmen einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 9.12.2015 unter dem Aktenzeichen X R 30/14.
In Übereinstimmung mit der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs legt auch die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 19.8.2013 als Rentenbeginn denjenigen Zeitpunkt fest, ab dem die Rente (gegebenenfalls nach rückwirkender Zubilligung) tatsächlich bewilligt wird. Der Rentenbescheid ist insoweit maßgeblich. Dem hat sich die einhellige Literaturauffassung angeschlossen, soweit dies allgemein ersichtlich ist.
Nach diesen Grundsätzen ist in Fällen, in denen der Beginn des Renteneintritts auf Antrag des Rentenberechtigten zur Erlangung eines höheren Rentenanspruchs über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus aufgeschoben wird, zur Bestimmung des „Jahres des Rentenbeginns“ der Zeitpunkt maßgeblich, den der Rentenberechtigte in Übereinstimmung mit den entsprechenden Rechtsgrundlagen des für ihn geltenden Versorgungssystems als Beginn der aufgeschobenen Altersrente bestimmt.
Auf Basis dieser Grundlagen formuliert der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 31.8.2022 unter dem Aktenzeichen X R 29/20 den Leitsatz, dass das für die Höhe des Besteuerungsanteils maßgebliche Jahr des Rentenbeginns immer das Jahr ist, in dem der Rentenanspruch entstanden ist, also die Voraussetzungen für den Rentenanspruch erfüllt sind. Ganz klar führen die obersten Richter aus: Wird der Renteneintritt auf Antrag des Rentenberechtigten zur Erlangung eines höheren Rentenanspruchs über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus aufgeschoben, ist der Zeitpunkt maßgeblich, den der Rentenberechtigte in Übereinstimmung mit den entsprechenden Rechtsgrundlagen des für ihn geltenden Versorgungssystems als Beginn seiner aufgeschobenen Altersrente bestimmt.
Ausdrücklich betont der Bundesfinanzhof in seiner vorgenannten Entscheidung schließlich noch, dass diese Auffassung auch verfassungsrechtlich haltbar ist und nicht den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Insoweit hatte sowohl der Bundesfinanzhof, sogar bestätigt durch das Bundesverfassungsgericht, bereits mehrfach entschieden, dass im Rahmen der gesetzlichen Übergangsregelung für die Umstellung von der Ertragsanteilsbesteuerung auf die nachgelagerte Besteuerung der Altersbezüge aus der Basisversorgung auch größere Typisierungen und Generalisierungen zulässig sind. So beispielsweise der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 19.5.2021 unter dem Aktenzeichen X R 33/19 mit zahlreichen Nachweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Die verfassungsrechtlich zulässigen Typisierungen umfassen auch den Umstand, dass der Gesetzgeber den steuerfreien Rententeilbetrag vom Zeitpunkt des jeweiligen Jahres des Rentenbeginns abhängig machen darf. Insoweit wurde lediglich die schon vor dem Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetz bestehende Typisierung fortgeführt.
Zudem hat der Bundesfinanzhof auch bereits entschieden, dass die Regelung des Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt wird, dass bei einer Rentennachzahlung (unabhängig vom Zeitpunkt des Zuflusses des Nachzahlungsbetrages und dem erstmaligen Einsetzen laufender Zahlungen) auf den Zeitpunkt des Entstehens des Rentenanspruchs abgestellt wird, weil Fälle rechtzeitiger und verspäteter Antragstellung voneinander verschieden sind und daher auch zu verschiedenen steuerlichen Folgen führen können. Zudem würde der vom Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise mit der Typisierung verfolgte Vereinfachungseffekt verloren gehen, wenn entsprechend dem Begehren des hier klagenden Steuerpflichtigen unterschiedliche Besteuerungsanteile und Rentenfreibeträge anzusetzen wären.
Weiterhin geht der Bundesfinanzhof auch noch darauf ein, dass das vom Kläger bemühte Leistungsfähigkeitsprinzip nicht verletzt wird. Im Endeffekt wird es also dabei bleiben, dass sich der Besteuerungsanteil unabhängig von der Zahlung der Rente nach dem Jahr des Rentenbeginns richten wird.