1. Für alle Steuerpflichtigen: Steuerliche Berücksichtigung der Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer bei gesundheitsbedingten Einschränkungen

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Entsprechend der gesetzlichen Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nummer 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht steuermindernd angesetzt werden. Allerdings ist dies nur der Grundsatz, von dem es auch Ausnahmen gibt. So gilt der Grundsatz nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Anstelle der Aufwendungen kann dann pauschal ein Betrag in Höhe von 1.260 Euro als Jahrespauschale für das Wirtschaft- oder Kalenderjahr abgezogen werden. Für jeden vollen Monat, in dem die Voraussetzungen nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1.260 Euro um ein Zwölftel. Soweit die aktuelle gesetzliche Regelung zum häuslichen Arbeitszimmer.
Bis vor kurzem galt jedoch insoweit noch eine andere Regelung. Auch nach dieser konnten die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Ausstattung grundsätzlich nicht steuermindernd berücksichtigt werden. Allerdings war eine steuerliche Berücksichtigung möglich, wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stand. In diesem Fall konnten die abziehbaren Aufwendungen bis zu 1.250 Euro begrenzt abgezogen werden. Wenn das Arbeitszimmer sogar den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen beruflichen Betätigung bildete, konnten die Aufwendungen uneingeschränkt abgesetzt werden. Zu dieser (alten) Rechtslage hat nun das Finanzgericht Berlin-Brandenburg eine Entscheidung bei einem Steuerpflichtigen getroffen, der aus gesundheitlichen Gründen trotz eines Arbeitsplatzes im Betrieb sein häusliches Arbeitszimmer nutzte.
Im Streitfall hatte der Steuerpflichtige geltend gemacht, dass der betriebliche Arbeitsplatz nicht an allen Tagen zur Verfügung gestanden habe, weil er aufgrund einer gesundheitlichen Einschränkung zumindest an einem Arbeitstag in der Woche aus dem Home-Office tätig werden müsse. Ohne diese Home-Office Tätigkeit würde sich der Gesundheitszustand erheblich verschlimmern, weshalb ein entsprechender Abzug der Kosten für den häuslichen Arbeitsraum nötig sei.
Das beklagte Finanzamt stellte sich jedoch auf den Standpunkt, dass der betriebliche Arbeitsplatz des Steuerpflichtigen objektiv zur Verfügung gestanden habe und dieser allein aus subjektiven Gründen nicht arbeitstäglich genutzt wurde. Dieser ehrlich gesagt durchaus nachvollziehbaren Argumentation ist jedoch das erstinstanzliche Finanzgericht Berlin-Brandenburg erfreulicherweise nicht gefolgt. Vielmehr hat es geurteilt, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob es dem Steuerpflichtigen zugemutet werden kann, den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz arbeitstäglich zu nutzen. Da dem Steuerpflichtigen aus ärztlicher Sicht gehalten war, an einzelnen Tagen von zu Hause aus zu arbeiten, um langfristig die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, kann ihm der Werbungskostenabzug für die Kosten des heimischen Arbeitsplatzes nicht versagt werden. Dieser ist dann in solchen Fällen allerdings auf 1.250 Euro (alte Rechtslage!) begrenzt, da das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen gebildet hat.
Konkret zusammengefasst lautet daher die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 29.9.2022 unter dem Aktenzeichen 5 K 5138/21, dass ein Arbeitnehmer, der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsplatz nicht an allen Werktagen nutzen kann, sondern stattdessen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit gehalten ist, die Berufstätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer zu absolvieren, die Aufwendungen hierfür im Rahmen des Höchstbetrages als Werbungskosten steuermindernd geltend machen kann.

Da es soweit ersichtlich bisher eine solche Entscheidung nicht gab, war das erstinstanzliche Finanzgericht gehalten, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen. Zum Redaktionsschluss war allerdings nicht klar, ob die Finanzverwaltung den Revisionszug auch tatsächlich bestiegen hat.