4. Für GmbH-Gesellschafter: Wechselseitige Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen zur Verlustrealisierung

Geschaeftsmaenner-Unterhaltung

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt gewesen ist. Veräußerungsgewinn im Sinne dieser Vorschrift ist dabei der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. So geregelt in § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG.
Der Veräußerungsgewinn ist grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der Veräußerung, die mit der entgeltlichen Übertragung des (zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen) Eigentums an den Kapitalgesellschaftsanteilen durch den Veräußerer auf den Erwerber verwirklicht wird.
Wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil erlangt, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Nach § 39 Abs. 2 Nummer 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist die Rechtsstellung des wirtschaftlichen Eigentümers dadurch gekennzeichnet, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Ihm muss etwa auch der wirtschaftliche Erfolg aus der Veräußerung gehören. So auch bereits der Bundesfinanzhof in einer Entscheidung vom 25.5.2011 unter dem Aktenzeichen IX R 23/10.
Das wirtschaftliche Eigentum an einer Kapitalgesellschaft geht daher auf einen Erwerber über, wenn der Käufer des Anteils (1.) aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und (2.) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen (Verwaltungs- und Vermögens-) Rechte insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht sowie (3.) Risiko und Chance von Wertveränderungen auf ihn übergegangen sind.
Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugsrecht- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.
Auf Basis dieser Voraussetzung hatte der Bundesfinanzhof in München schon am 7.12.2010 unter dem Aktenzeichen IX R 40/09 im Fall von ringweisen Anteilsveräußerungen und Anteilserwerben zur Verlustnutzung im Gesellschafterkreis grundsätzlich keinen Gestaltungsmissbrauch gesehen. Ganz klar äußerten sich die obersten Finanzrichter seinerzeit dahingehend, dass eine sogenannte Anteilsrotation, die zu einer verlustbringenden Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils führt, nicht deshalb rechtsmissbräuchlich im Sinne der Vorschrift des § 42 AO ist, weil der Veräußerer in einem engen zeitlichen Zusammenhang von einem anderen Mitgesellschafter dessen in gleicher Höhe bestehenden Gesellschaftsanteil an derselben Gesellschaft erwirbt. Insoweit hat der Bundesfinanzhof seinerzeit eine Gestaltung eröffnet, die es ermöglicht, bei einem gesunkenen Wert der Gesellschaft entsprechende Verluste zu realisieren und diese mit anderen Einkunftsarten steuermindernd zu verrechnen.
Zwar gilt, dass nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden kann. Ist der Tatbestand der Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehung dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Anderenfalls entsteht nach § 42 Abs. 1 Satz 3 AO der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt nach der gesetzlichen Vorschrift vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründen nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.
Einem Steuerpflichtigen steht es insoweit frei, ob, wann und an wen er seine Anteile veräußert. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Veräußerung zu einem Verlust führt. Denn die Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes steht nicht nur im Einklang mit § 17 EStG, sondern entspricht auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Sie ist damit nicht von vornherein rechtsmissbräuchlich.
Aber: Etwas anderes kann dann gelten, wenn ein Verlust nur dadurch entsteht, dass die Beteiligten einen unzutreffenden, die Wertverhältnisse des zur Veräußerung bestimmten Kapitalgesellschaftsanteils in krasser Weise verfehlenden Kaufpreis vereinbaren. Denn in diesem Fall ist der Verlust nicht durch eine den Kapitalgesellschaftsanteilen innewohnende Wertminderung, sondern durch einen Verkauf von Anteilen weit unter Wert zustande gekommen.
Vor diesem Hintergrund kommt der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 20.9.2022 unter dem Aktenzeichen IX R 18/21 zu dem Schluss, dass ein Verlust im Sinne des § 17 EStG, der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und daher ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gegeben ist.

Insoweit ist die Steuergestaltung der Anteilsrotation nicht tot. Es muss jedoch hervorgehoben werden, dass ein entsprechend steuermindernd einsetzbarer Verlust nur dann entsteht, wenn die Anteile tatsächlich im Wert gesunken sind und dementsprechend der vereinbarte Kaufpreis auch tatsächlich der Realität entspricht. Ist hingegen der Wert der Anteile an der Kapitalgesellschaft nicht gesunken (oder gegebenenfalls gleichgeblieben), sodass bei einem realen Verkehrswert ein Verlust nicht entstehen würde, kann auch im Wege der Anteilsrotation mit einem verminderten Kaufpreis kein verrechenbarer Verlust entstehen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn der verminderte Kaufpreis aus anderen wirtschaftlichen Erwägungen erklärt werden kann.