Ausweislich der gesetzlichen Vorschrift in § 17 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen gehalten hat. Veräußerungsgewinn ist dann der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt.
Fraglich ist aktuell, wie der Veräußerungsgewinn ermittelt wird, wenn eine teilentgeltliche Übertragung gegeben ist. Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist bei teilentgeltlicher Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft eine Aufteilung des Rechtsgeschäftes in eine voll entgeltliche Veräußerung und eine voll unentgeltliche Übertragung nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert der übertragenden Anteile vorzunehmen.
Ein Veräußerungsgewinn entsteht, wenn die vom Erwerber erhaltene Gegenleistung den der Entgeltlichkeitsquote entsprechenden Teil der gesamten Anschaffungskosten übersteigt. Diese Vorgehensweise wird auch als sogenannte strenge Trennungstheorie bezeichnet und wurde bereits vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 17.7.1980 unter dem Aktenzeichen IV R 15/76 bestätigt. Auch das erstinstanzliche Finanzgericht Rheinland-Pfalz hält mit seinem Urteil vom 22.3.2023 unter dem Aktenzeichen 2 K 1617/19 an dieser Rechtsauffassung fest.
Zwar ist in Rechtsprechung und Literatur für die teilentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften umstritten, in welcher Weise bei der Aufteilung des Vorgangs in ein voll unentgeltliches und ein voll entgeltliches Geschäft der Buchwert des übertragenen Wirtschaftsguts den beiden Teilen des Rechtsgeschäfts zuzuordnen ist. Nach der sogenannten strengen Trennungstheorie wird der Buchwert jedenfalls anteilig nach dem Verhältnis zwischen dem Teilentgelt und dem Verkehrswert (Entgeltlichkeitsquote) zwischen dem entgeltlichen und dem unentgeltlichen Teil aufgeteilt.
Dagegen wird nach der sogenannten modifizierten Trennungstheorie der Buchwert bis zur Höhe des Teilentgelts dem entgeltlichen Teil und im Übrigen dem unentgeltlichen Teil zugeordnet.
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz sieht in der Modifizierung jedoch keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung zur teilentgeltlichen Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 EStG abzuweichen. Die dem zuvor beschriebenen Meinungsstreit zugrunde liegenden Sachverhalte betreffen regelmäßig die teilentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens unter Beteiligung von Mitunternehmerschaften und sind mit dem Streitfall der teilentgeltlichen Übertragung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nicht vergleichbar.
Auch sonst wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für Zwecke der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens die strenge Trennungstheorie vertreten. So sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Anschaffungskosten des Teils des entgeltlichen Erwerbs eines zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und die Anschaffungskosten bei einem privaten Veräußerungsgeschäft im Rahmen der sonstigen Einkünfte nach den Grundsätzen der strengen Trennungstheorie zu ermitteln. So beispielsweise bereits der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 19.3.2014 unter dem Aktenzeichen X R 28/12.
Die Anwendung der strengen Trennungstheorie führt bei der teilentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens zu sachgerechten Ergebnissen, so die Rechtsprechung. Ist das teilentgeltliche Rechtsgeschäft in eine unentgeltliche und eine entgeltliche Komponente aufzuteilen, ist es gesetzes- und steuersystematisch schlüssig, auch die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts in gleicher Weise auf diese beiden Komponenten aufzuteilen. Denn dies wird dem wirtschaftlich Gewollten – teils entgeltliche Veräußerung, teils schenkweise Übertragung – gerecht. Dies hat auch bereits der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 27.10.2015 unter dem Aktenzeichen X R 28/12 so gesehen.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht im Hinblick auf eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs mit Urteil vom 5.7.2018 unter dem Aktenzeichen II B 122/17 mit Blick auf die Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Ermittlung des Werts der Bereicherung bei einer gemischten Schenkung durch Abzug der Gegenleistung vom Steuerwert. Aus der schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung teilentgeltlicher Geschäfte lassen sich keine Rückschlüsse für die ertragsteuerliche Ermittlung des Veräußerungsgewinns ziehen. Tatsächlich sind diese Rechtsgebiete unterschiedlich und folgen jeweils eigenen Regeln und einer eigenen Teleologie, die nicht notwendig mit der Frage der ertragsteuerlichen Rechtsfolge einer Übertragung im Wege der gemischten Schenkung verknüpft sind.
Insoweit führt das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in der oben bereits zitierten Entscheidung deutlich aus, dass bei teilentgeltlicher Übertragung von im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Anteilen der Vorgang nach dem Verhältnis der Gegenleistung zum Verkehrswert der übertragenden Anteile in ein voll unentgeltliches und ein voll entgeltliches Geschäft aufzuteilen ist. Es muss also die sogenannte strenge Trennungstheorie angewendet werden.
Auch wenn dies die Meinung der bisherigen Rechtsprechung ist, hat der vorliegend streitende Steuerpflichtige die Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt. Die obersten Richter der Republik werden sich daher mit der Frage beschäftigen müssen, ob die strenge Trennungstheorie anzuwenden ist oder gegebenenfalls auch die modifizierte Trennungstheorie Anwendung finden kann. Letztere würde für den Steuerpflichtigen sicherlich zu einer geringeren Ertragsbesteuerung führen.
Das Verfahren trägt das Aktenzeichen IX R 15/23 und betroffene Steuerpflichtige sollten es durchaus als Musterverfahren nutzen. Die Chancen sind zwar eher gering, aber häufig geht es auch um viel, sodass ein kleiner Einspruch mit dem Antrag auf Verfahrensruhe generell nicht schaden sollte.